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jene« gewaltigen Kriege»: die Zeiten, in denen eine schöne, aber hartherzige Frau hinter den Koulissen einen selchen Krieg zu entfachen vermachte, sind siir immer verbei, die Isabelle», Eugenien und wie sic heißen mögen, haben ihre Rollen inner halb des Bestimmungsrechtes der Böller für immer auSgcspielt. Sofort nach Veröffentlichung der Depesche der „Agcnce Havas" war in den Gängen de« gesetzgebenden Körper» in Pari» von nichts anderem die Rede und man la« schon am 4. Juli im „Constitutioncll", dem vom Herzog von Gramont inspirirten halbamtlichen Pariser Blatte, die Phrase vom Scepter Karl V., welches einem »preußischen Prinzen" über geben werden solle. Am gleichen Tage erschien der franzö sische Geschäftsträger im Auswärtigen Amte zu Berlin (in Vertretung des im Bade weilenden französischen Botschafters Graf Bcnedetti), um der „peinlichen Empfindung" Ausdruck zu geben, welche die Annahme dieser Eandidatur seitens de« Prinzen in Pari» hervorgeruscn habe. Er erhielt vom Staats sekretär von Thile, — Graf Bismarck hatte, wie die übrigen Minister, seinen Erholungsurlaub angetreten, — die Antwort, daß die preußische Regierung mit dieser Angelegenheit nichts zu thun habe: und ähnlich war der Inhalt einer Unterredung de« Herzog« von Gramont, de« französischen Minister« des Auswärtigen, mit dem preußischen Gesandten von Weither in Paris, welcher letztere sich nach derselben am 5. Juli nach Em« begab, wo der König von Preußen, wie früher erwähnt, seit dem 20. Juni die Badekur gebrauchte. Am 6. Juli gewann die ganze Angelegenheit bereits ein ernstes Gesicht; der aufmerksame Beobachter damaliger Zeit konnte bereits inne werden, was heute sonnenklar, daß man in Frankreich auf die lange vorbereitete „Rache für Sadowa" lauerte und man die erste günstige Gelegenheit benutzen wolle. Die Sitzung de« gesetzgebenden Körper« wurde unter großer Aufregung eröffnet. Eine Interpellation de« Abgeordneten Eochcrh (zweifellos aus Bestellung) über die Angelegenheit lag vor. Außerordentlich interessant und lehrreich ist diese Sitzung, die hier leider nicht ausführlicher wiedergegeben werden kann; cs verdient hervorgehobcn zu werden, daß sich in dem wüsten Taumel, der sich in der Kammer für den Krieg abfpielte, auch chrenwerthc Stimnien bekannter franzö sischer Politiker gegen denselben geltend machten, allerdings vergeblich. Der Herzog von Gramont beantwortete die Interpella tion. „Er kenne die Einzelheiten einer Unterhandlung nicht, die vor Frankreich geheim gehalten worden sei." Was schon deshalb unwahr war, weil bereits 1860 am Pariser Hose die Eandidatur des Prinzen von Hohcnzollcrn erörtert, ja sogar, wenn gewissen Nachrichten zu trauen, dort zuerst ausgetauchi war. „Die französische Regierung ist", so fuhr der Minister fort, „den verschiedenen spanischen Eandidaturen gegenüber nicht aus der strengsten Neutralität herauSgetretcn; aber wir glauben nicht, daß die Achtung vor den Rechten eine« Nachbarvolkes un« verpflichtet, zu dulden, daß eine fremde Macht, indem sie einen ihrer Prinzen auf den Thron Karls V. setzt, dadurch zu ihrem Vortheil daS Gleichgewicht der Mächte Europa« stören und so die Ehre und die Inter essen Frankreichs gefährden könne. Wir hoffen, daß die« nicht cintreten wird; wir rechnen dabei auf die Weisheit des deut schen und die Freundschaft de« spanischen Volkes; wenn e« ander« kommen sollte, so würden wir, stark durch Ihre Unter stützung und durch die der Nation, ohne Zaudern und ohne Schwäche unsere Pflicht zu erfüllen wissen." Dreimal wieder holter Beifallssturm begleitete diese Rede, unterbrochen von den Protesten der äußersten Linken; es folgte eine der lärmen den Scenen, wie sic den französischen Parlamentarismus kennzeichnen. Dann bestieg Ollivier die Tribüne: Was der Minister de« Auswärtigen gesagt habe, sei keine Kriegs erklärung; „die Regierung wünscht den Frieden, sic wünscht ihn mit Leidenschaft, — ich versichere auf Ehre (!), daß Keiner von uns einen Hintergedanken hat, wenn wir sagen, daß wir den Frieden wünschen." Unter heftigen Unterbrechungen feiten« der Majorität ruft Emanuel Arago von der Linken: „Wir können die Budgetdebatte nicht mit kaltein Blute sort- setzen, nachdem der Minister soeben, indem er Frankreich engagirtc, zwei Dinge gethan hat, — den König von Spanien ernannt und den Krieg erklärt hat." Die unerhörte Sprache des französischen Minister«, die entweder seine gänzliche Unfähigkeit oder die Absicht, einen Krieg herauszubeschwören, oder beide« bewies, schreckte Europa aus dem FriedcnSschlummer, dem alle Welt sich überlassen hatte, aus. Mit einem Schlage war eine Frage aufgctaucht, die in wenigen Augenblicken den ganzen politischen Horizont mit Wolken überzog. Die französische Presse wurde in ihrer Sprache mit jedem Tage heftiger. Die Blätter, welche unter dem Einflüsse der Regierung standen, lärmten den übrigen voran: der „Moniteur", Organ Ollivier«, fand be reit« am 8. Juli, daß die Frage erweitert werden müsse, „weil die preußische Regierung seit vier Jahren mit der französischen Geduld Mißbrauch getrieben," daß da« Wenigste, wa« man verlangen müsse, die Räumung von Mainz sei. Die „Liberte" verlangte bereit« am 7. Juli die Wegnahme de« Rhein« und offenbarte damit die geheimen Herzenswün sche der französchen Projektenmacher. Die wenigen vernünf tigen Stimmen der Presse, „Temp«", Scieclc", „Journal de« DcbatS", wurden erstickt durch die Mehrzahl und die Unverschämtheit der übrigen, von denen eine«, da« „PahS", sich am 8. Juli vernehmen ließ: „Wohlan, da» kaudinische Joch ist bereit für Preußen, sie werden sich darunter beugen, wenn sic es nicht wagen, einen Kamps aufzunchmen, dessen Ausfall nicht zweifelhaft ist; unser KricgSgeschrei ist bi» jetzt ohne Antwort geblieben, die Echo« vom deutschen Rhein sind noch stumm, — hätte uns Preußen die Sprache gesprochen, die Frankreich spricht, so wären wir längst aus dem Wege." Emile Girardin« „Liberin" sprach ferner davon, daß man die Preußen mit Kolbenstößcn auf die andere Seite de« Rheins Hinüberireiben müsse und so war man denn in diesen Kreisen bereit« am 10. Juli so west, daß man fürchtete, oder sich zu fürchten den Anschein gab, al« möchte Preußen nachgeben und dadurch die Gelegenheit zu einem Kriege um den Rhein den Franzosen entzogen werden. (Schluß folgt.) Tagesgeschichte. — Deutschland. Die Besprechung von Vertretern dr» korporativen Handwerk» (Innungen), bei der auch RcgicrungSkommissare anwesend sein werden, tritt am 20. Juli in Berlin zusammen. Die Grundlage der Bcrathungen wird der im Handelsministerium und ReichSamt de« Innern auS- gcarbeitcle Vorschlag zur Organisation de« Handwerk« bilden, wobei Zwangrinnungen al« Unterbau und Gewerbe kammern, denen sämmtliche Innungen eine« größeren Be zirk« unterstellt werden, al» Oberbau in« Auge gefaßt sind. — Beilin. Die Nachforschungen nach dem Ihäter de« Attentat-Versuch« gegen den Polizei-Oberst Krause lenken sich augenblicklich nach einer neuen Seite hin. Es liegt ein genügend begründeter Verdacht vor, daß die verhängnißvolle Kiste von einem Mädchen in Männer kleidern in Fürstenwalde bei der Post ausgeliefert worden sei. Die von dem Posthilssbotcn Schwcmmer in Fürstenwalde gelieferte Beschreibung von dem Auftraggeber de« Packet« ist als eine genaue nicht zu bezeichnen. Der Beamte hat nur bezüglich de« Hute«, womit der ein frische«, bartlose» Gesicht Zeigende, anscheinend 19 bi« 20 Jahre alte Mann bedeckt war, richtig angegeben, daß die« ein weicher, schwarzer, in der Mitte eingedrückter Filzhut mit breitem, schwarzem Bande gewesen, der ihm deshalb ausgefallen sei, weil er diesen Hut gleich für einen Damcnhut gehalten hätte. Ferner fiel dem Beamten da« scheue Wesen de« ihm unbekannten Mannes aus. Der Mann mit dem „Damenhule" ist aber in Fürsten walde noch anderen Personen ausgefallen, und zwar hat man dort in der Nähe und aus dem Bahnhose denselben jungen Mann mit dem „Damenhute" bemerkt, der durch sein eigen artige« Benehmen und mit dem nach Frauenart abgeschnittenen blonden Haar — einem sogenannten „Tituskopf" — den Verdacht erweckte, daß er eine Frauensperson gewesen war. Diese auffallende Person ist in der Richtung nach Berlin später wcilergcfahren. Man nimmt nun allerdings an, daß diese Frauensperson nicht Verfertiger der Explosionskiste gewesen sei, aber im Auftrage de« wirklichen Absender« und vertraut mit dem Inhalt der Sendung die Aufgabe bewirkt und, um nicht entdeckt zu werden, Männcrkleidung gewählt habe. Auch angesichts dieser neuen Spur hält man in den maßgebenden Polizeikrcisen daran fest, daß der verbrecherische Handstreich einen politischen Hintergrund nicht hat, trotz dem Umstande, daß der Revolver belgisches Fabrikat war und sich in der Umhüllung ein belgische« Journal befand. — In Sachen de« Kaiser Wilhelm-Kanal« geht den „Hamb. Nachr." von dem Geh. Baurach und Mitvor- sitzenden der Kaiserlichen Kanal-Kommission Fülscher aus Kiel eine Zuschrift zu, der wir Folgende« entnehmen: „Es ist zwar richtig, daß der Kanal au« Rücksicht aus einige noch vorzu nehmende Aufräumungsarbeiten zunächst allgemein nur für Schiffe bi« zu 4'/, m Tiefgang geöffnet ist. Aber die Be schränkung wird nur von kurzer Dauer sein, und die wieder aufgenommcnen Baggerarbeiten haben lediglich den Zweck, die planmäßige Tiefe in einigen kurzen Strecken, wo sie noch nicht vollständig vorhanden ist, herzustellen. Nach Beendigung dieser Arbeiten wird der Kanal bei niedrigstem Wasserstande 8'/, Meter, bei mittlerem Wasserstande 9 Meter Tiefe haben und sowohl für sämmtliche Schiffe der deutschen Kriegsmarine, als für Schiffe aller Nationen bis zu 8 Meter Tiefgang be nutzbar sein. Die Bauvcrwaltung hat hiernach weder einen Jrrthum einzugestehcn, noch liegt eine Veranlassung vor, ihr die Durchführung der vorerwähnten Tiefe al« eine absolute Nothwcndigkcit an« Herz zu legen. — Nach den in der „Nordostsee-Ztg." veröffentlichten statistischen Angaben über den Kaiser Wilhelm-Kanal werden etwa noch 1000 Mann diesen und den folgenden Monat hindurch mit den Restarbeiten zu thun haben. Wa« die bisher beim Baustattgehabten Unglücksfälle anbelangt, so sind insgesamt»! etwa >884 Unfälle vorgekommen, wovon 1165 eine Entschädigung nicht zur Folge hatten, also nur geringfügiger Natur waren — 90 den Tod u. 629 Erwerbs beschränkungen verschiedenen Grades herbeiführten. Unter den Todesfällen sind: 25 durch Ertrinken, 19 durch Erdstürze, 28 durch den ausgedehnten Eisenbahnbetrieb (über 380 Kilom. Gleislänge), 11 durch Maschinenbetrieb, 3 durch Fall, 4 durch andere Ursachen hervorgerufen; bei den meisten dieser Todes fälle war Unachtsamkeit und Unfolgsamkcit der Betroffenen die Veranlassung. — Frankreich. Der französische Oberst Petitpied vergrub am 27. September 1870 bei der Kapitulation von Straßburg die Fahne seines Regiments im Keller eine« Hauses. Während er als Gefangener in Koblenz war, gelang es seiner Gattin, nach Straßburg zurückzukehren. Obgleich das Hau« preußische Einquartierung hatte, gelang es ihr dennoch, die Fahne hervorzuholen und in ihr Kleid zu vernähen. Am Freitag hat Madame Petitpied die Fahne dem Präsidenten Faure überreicht, der dieselbe im Invaliden dom aufhängen lassen wird. Locale und sächsische Nachrichten. — Dresden. Sonnabend Abend kurz nach halb 8 Uhr erregten Spuren von Feuer und ansehnlicher Rauch, welche sich an dem Gerüst des König!. Schloßumbaues auf der Schloßstraße, an dem Giebel gegenüber dem Kanzleigäß chen, bemerkbar machten, die Aufmerksamkeit eines Gendarmen. Derselbe meldete seine Beobachtung dem König!. Schloß- Portier sowie der Schloßwachc, und c» verfügten sich nunmehr sofort mehrere Ichloßbcdicnstete und Soldaten auf das Gerüst, wo sie in Dachhöhe einen vollständigen Brandherd vorsandcn. Selbstverständlich wurde sofort zur Löschung desselben ver- schrittcn, wobei da« Wasser von den Soldaten in Eimern auf da« Gerüst hinausgetragen werden mußte. Inzwischen war die Meldung „Großfeuer" bereits an alle FeucrwehrdcpotS abgegangen, u. nach Verlauf von kaum 10 Minuten langten die Geschirre auf der Schloßstraßc an. Die Straße selbst war vom äußeren Gcorgenthor bis zum Taschenberg für allen Verkehr gesperrt, ebenso die Zugänge der Nebenstraßen, wo sich Unmassen von Publikum anstauten. Nack Verlauf von 20 Minuten war die gesammte Feuerwehr mit etwa 9 Ge schirren aus dem Brandplatze erschienen, und wurden die endgiltigen Lösch- und AbräumungSarbeitcn unter Leitung de» Herrn Branddirektor« Thoma» weiter geführt. Der Brand, welcher ausschließlich auf das äußere Gerüst an der bezeich neten Stelle beschränkt blieb, dürfte von einem Löthoscn her rühren, welcher noch am Nachmittag von Klempnern bei Dacharbeiten gebraucht worden war. Die Klempner hatten bereits um 4 Uhr Feierabend gemacht, und so hatte sich der Brand während länger als drei Stunden entwickelt. — Dresden. Gemäß Z 355 des ReichSstrasgcsetzbuchS wurde der Postagent Gustav Hermann Mißbach in Zehren wegen Verletzung de» Amtsgeheimnisse« vom König!. Landgericht zu der geringsten gesetzlich zulässigen Strafe von 3 Monaten Gesängniß verurtheilt. Der Angeklagte hatte einen von ihm beförderten, an einen Gendarmen gerichteten tele graphischen Haftbefehl betreff« eine« der Wechselfälschung be schuldigten Mannes dritten Personen auSgeplaudert. -Dresden. Das Schwurgericht Hierselbst verurtheilte die Dienstmagd Josepha Wallot, welche am 20. Novbr. 1894 ihr I I Tage alte» Kind auf einem Felde lebendig begraben hat, zu 12 Jahren Zuchthaus. — Dresden. Betreff« der in der SicmenS'schen Glas fabrik erkrankten, bez. verstorbenen Arbeiter Hal sich herauS- gestellt, daß an Stelle von Bitterefsenz eine giftige Flüssigkeit versehentlich au» der Grossohandlung geliefert worden ist. — Leipzig. Die Ernte auf den Rosenfeldern in Kleinmiltiz war Heuer geringer al« in den vorhergegangenen Jahren, weil die Roscnslöcke im Frühjahr durch die Kälte viel zu leiden hatten. Da« Rosenöl, wovon da« Kilo etwa 1200 Mk. kostet, hat sich überall guten Eingang verschafft. ES wird durch einfaches AuSkochc» der Rosen gewonnen. Da sich auch Fürst Bismarck für diese Industrie sehr interessirt, so soll ihm nachträglich eine GcburtStagSgabe, bestehend in einem Fläschchen Leipziger Rosenöl, durch die Firma Schimmel u. Co. übermittelt werden. Ueberhaupt ist Leipzig in der Herstellung von ätherischen Oelcn der wichtigste Platz in Europa geworden. ES führt davon große Mengen nach dem Ausland« au«, namentlich auch nach den Vereinigten Staaten, wie au» den Ausfuhrübersichten de« hiesigen amerikanischen Konsulate» nachzuweisen ist. — Leipzig. Nach dem Ergebniß der Zählung vom 14. Juni hat die Altstadt Leipzigs jetzt mehr al« 5000 Einwohner weniger, al« zur Zeit der Volkszählung im Jahre 1890, während die cinvcrleibten Stadttheile in bedeutendem Maße zugenommen haben. Mancherlei Ursachen wirken bei diesem Ergebnisse zusammen, da« aber gleichwohl überraschend ist und zeigt, daß der „Drang nach außen" jetzt in den Großstädten zur Geltung zu kommen scheint. — Kirchberg. In recht große Bctrübniß ist am 3. d. MtS. die Familie des Gutsbesitzer» Neef im benach barten unteren Burkersdorf versetzt worden. Da« einzige Söhnchen Neefs war eben mit den Eltern von der Heuernte in fröhlich kindlicher Stimmung nach Hause zurückgckehrt, die Eltern machten sich noch in der Scheune zu schaffen, der Kleine spielte unterdessen auf dem Hofe unter einem Birn baum. Auf einmal wurden die Eltern durch einen eigen- thümlichen Husten ihres Lieblings aufmerksam, sie rannten schnell herzu, aber schon war'« zu spät, der Kleine fiel um, zeigte nach seinem Munde und sprach in erstickendem Tone: „Eine Birne!" Bald darauf hauchte er sein junge« Leben au«. Die von dem Kleinen gefundene und in den Mund genommene unreife Birne war in die Luftröhre eingedrungen und hatte so den Erstickungstod herbcigeführt. — Daß unbrauchbar gewordene Postkarten und Postanweisungen, so lange sie noch nickt zur Postbcförderung ausgegeben und die eingedruckten Marken nicht entwerthet sind, auf den Postämtern gegen neue Postkarten oder Post- werthzeichcn um getauscht werden können, ist im Publikum, selbst in Geschäftskreisen noch nicht hinlänglich bekannt. Diese Einrichtung, daß einzelne Karten zum Umtausch angenommen werden, besteht erst seit einigen Jahren. Früher wurden Postkarten nur umgctauscht, wenn deren mindesten« 100 Stück zusammen aus einmal unbrauchbar geworden waren. Und selbst bei Abgabe von gleichzeitig hundert und mehr Karten, die jedoch einzeln unbrauchbar und erst allmählich augesammelt waren, wurde einem Ersuchen auf Umtausch nicht stattgegeben. Vor einigen Jahren aber hat die Postbchörde bestimmt, daß fernerhin alle unbrauchbar gewordenen Postkarten, gleichviel ob sie zusammen in größerer Zahl oder einzeln abgcliefert werden, ohne Weiteres umgetauscht werden sollen, falls nicht die Marke auf denselben entwerthet ist. Nicht zulässig ist eS nur, daß unbrauchbar gewordene Karten unter Erstattung de« Preise« von den Postanstalten zurück genommen werden. Jedenfalls hat aber Niemand nöthig, verschriebene oder be schmutzte Postkarten einfach fortzuwcrfen und zu vernichten, wie die« noch immer fast durchweg geschieht. Aus vergangener Zeit — für unsere Zett. 7. Juli. (Nachdruck verboten.) Es war am 7. Juli 1870, Abends 11'/, Uhr, als der Herzog von Gramont den in Wildbad weilenden französischen Botschafter am preußi schen Hofe, den Grafen Benedeiti beauftragte, sich unverzüglich nach Ems zu begeben zum Könige von Preußen, ohne Rücksicht darauf, daß bekanntlich König Wilhelm daselbst ohne Minister, lediglich als Privat mann verweilte. Benedetti sollte vom Könige eine zweifellose, bestimmte Antwort verlangen des Inhaltes, daß seine Regierung die Annahme der spanischen Krone durch den Prinzen nicht billige und ihm befehle, den ohne ihn gefaßten Beschluß zurückzunehmen. Der Herzog fügte hinzu: „Wir haben es sehr eilig, weil Wir im Falle einer ungenügenden Ant wort die Initiative ergreifen und die Truppenbewegungen beginnen müssen." Um nun die ganze Bedeutung des überaus frivolen Spieles, das von dem Herzog und dem Kaiser gespielt wurde, lediglich um einen Krieg herbeizuführen, zu würdigen, braucht man nur noch die folgenden Worte zu erwähnen, welche Gramont an Benedetti im selben Schriftstücke richtete . „Wenn Sie es beim Könige erlangen, daß er die Acceptation deS Prinzen von Hohenzollern widerruft, so wäre das ein ungeheuerer Erfolg und ein großer Dienst." Und nun beobachte man die Haltung der leitenden Männer Frankreichs, nachdem der Prinz Verzicht geleistet hatte! 8. Juli. Am 8. Juli 1870 noch bezeichnete der Herzog von Gramont dem englischen Botschafter, Lord Lyons, in Paris gegenüber einen freiwilligen Verzicht des Prinzen als eine sehr glückliche Lösung; am selben Tage erklärte der „Moniteur" (Regierungs-Organ), die Entsagung des Prinzen sei nicht mehr ausreichend, man müsse die Freiheit der süddeutschen Staaten, die Räumung von Mainz (!) den Verzicht Preußens auf jeden militärischen Einfluß südlich des Mains und Abstimmung über die Zu gehörigkeit Nordschleswigs verlangen. Und das „Pavs", allerdings ein von der Regierung unabhängiges Blatt, schrieb am selben Tage: „Das caudinische Joch ist bereit, sie (die Preußen) werden sich darunter beugen, besiegt ohne Kampf und entwaffnet, wenn sie nicht wagen, einen Kampf aufzunehmen, dessen Ausfall nicht zweifelhaft ist. DleS KriegSaeschrei ist bis jetzt ohne Antwort geblieben. Die Echos deS deutschen Rheines sind noch stumm; hätte uns Preußen die Sprache gesprochen, welche Frankreich spricht, so wären wir schon lange unterwegs. S. Juli. Am S. Juli 1870, eines Sonnabends, kam Benedetti Abends in EmS an. Die Brunnenpromenade und das Hotel des Königs wurden fortan der Schauplatz verhängnißvoller welthistorischer Vorgänge. Bene detti erlangte sogleich eine Audienz beim Könige; getreu den Gramont- schen Instruktionen appellirte er an die Weisheit deS König-, um durch ein an den Prinzen zu richtende- Verbot, das Wort zu sprechen, das Europa die Ruhe wiedergäbe. Der König erwiderte, daß die Unruhe, von der Europa erfüllt sei, nicht von einer Handlung Preußen», sondern von den Erklärungen der Kaiserlichen Regierung im gesetzgebenden Körper herrühre ; er selbst sei in der ganzen Angelegenheit nur als Familien- Haupt und niemals als König von Preußen erachtet worden und da er keinen Befehl zur Annahme der Thronbewerbung ertheilt habe, könne er auch keinen Befehl zur Zurücknahme ertheilen. Dennoch erklärte er sich bereit, über die französische Forderung dem Prinzen telegraphisch zu berichten. Pari-, 8. Juli 1870, Morgen-. Der heutige „Constitutionell" stellt den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Spanien in Au--