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14». Erträge bi» zu 8000 Mk., letztwillig gestiftet, Die Sesammtsumme erreicht nahezu 100,000 Mk. — Dem hiesigen Kohlenhändler Laubenheim sind durch eine Rangiermalchine am Baierischen Bahn- Hose beide Beine abgefahren worden. Der Un glückliche, ein in leitenden nationalliberalen Kreisen sehr bekannter Herr, starb im Hospital. Chemnitz, 5. Dezember. Der vom hiesigen Schwurgerichte am 10. Oktober wegen Morde» zum Tode verurtheilte Kutscher Friedrich Gustav Aeschang au» Waldheim wurde, dem „Chemnitzer Tageblatt" zufolge, von Sr. Maj. dem König zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadig». Der Kaiser befindet sich zur Zeit auf seinem schon für die zweite Novemberhälste geplant ge wesenen JagdauSfluge nach Schlesien, wo er zunächst der Jagdgast des Grasen Tiele-Winkler in Moschen war, von wo aus dann der kaiserliche Herr am Freitag Nachmittag nach Schloß Neudeck weiterreiste. Die Rückkehr deS Monarchen nach dem Neuen Palais bei Potsdam ist sür den 13. Dezember früh geplant. DaS politische Tagesinteresse in Deutschland ist augenblicklich durchaus der seit dem 2. Dezember im Gange befindlichen General debatte deS ReichSparlamrntS über die Zolltarif vorlage zugewendet. In Anbetracht der Wichtig keit dieses gesetzgeberischen BerathungSstoffeS ist denn auch der erstmaligen parlamentarischen Er örterung desselben ein weiter Spielraum gegönnt, so daß mit der Möglichkeit gerechnet wird, daß sich die allgemeine Berathung de» neuen Zolltarif entwürfe» noch etwa bis zum 10. d. M. erstrecken dürste. Eine besondere Klärung bezüglich der Aus sichten der Zolltarif-Vorlage hat diese erste Lesung bislang allerdings noch nicht gebracht; zwar haben sich die freisinnige Volkspartei und die sozialdemo kratische Fraktion durch ihre Generalredner bereits gegen die Zolltarif-Vorlage ausgesprochen, indessen kommt es auf diese entschiedene zollpolitische Opposition der genannten radikalen Gruppen nicht so besonders viel an, sondern weit mehr und in erster Linie auf die Stellungnahme der Centrums partei zu der Zolltarisvorlage. Der Cenlrums- abgeordnete Spahn hat sich nun zwar in seiner Rede zum Zolltarifentwurs im Großen und Ganzen recht entgegenkommend gegenüber demselben ge äußert, aber er vermied es doch, die zollpolitischen Anschauungen seiner Fraktion präciser zu fassen, er verwies vielmehr auf die Commission, und in letzterer wird denn auch kaum zweifelhaft die eigent liche Entscheidung über die Tarifvorlage fallen. Regierungsseitig haben bislang der Reichskanzler Graf Bülow und der Staatssekretär Graf Posa- dowsky die Vertheidigung der Zolltarifvorlage un leugbar geschickt und eindrucksvoll geführt. Die am Mittwoch fortgesetzte ReichStagS- verhandlung über den Zolltarifentwurf wurde durch eine Rede des nationalliberalen Ab geordneten vr. Paasche eröffnet. Derselbe sprach seine und der Mehrzahl seiner Fraktion prinzipielle Zustimmung zu dem vorliegenden Entwürfe deS künftigen Zolltarifs aus, wobei er namentlich auf die Nothwendigkeit für Deutschland hinwieS, gegen über der rücksichtslosen amerikanischen Zollpolitik durch erhöhte landwirthschaftliche Zölle eine ge eignete handelspolitische Kampf- und Abwehrwaffe in die Hand zu bekommen. Die Nothlage der deutschen Landwirthschaft fand in Herrn vr. Paasche einen verständnißvollen Schilderte. Der nächst folgende Redner war Abg. Gothein von der frei sinnigen Bereinigung, welcher in fast zweistündiger Rede die Zolltarisvorlage vom Standpunkte deS überzeugten Freihändlers aus behandelte und hier bei natürlich zu einer Verurtheiluog der Zolltarif vorlage gelangte, wenngleich er dies nicht klipp und klar aussprach, sondern CommisstonSberathung befürwortete. Abg. Gamp von der Reich-Partei bekannte sich im Wesentlichen als Freund der Regierungsvorlage, ob schon er wegen verschiedener Einzelheiten Bedenken äußerte. Er verlieh der Hoffnung Ausdruck, daß Deutschland auf Grund des neuen Zolltarifentwurfs zum Abschlüsse neuer Handelsverträge gelangen werde. Der letzte Redner vom Tage, der Pole von KonierowSki, betonte die Nothwendigkeit eines erhöhten Zollschutzr» für die Landwirthschaft, gab aber die definitive Zu stimmung seiner Fraktion zur Zolltarifvorlage noch nicht zu erkennen. Der Bundes rath ist noch immer mit der Verabschiedung der einzelnen Thrile des Reichs- hauShaltSrtat» für 1902 beschäftigt. In feiner Plenarsitzung vom 4. Dez. genehmigte er neben anderen Punkten der Tagesordnung die Spezial« «tat- des Auswärtigen Amtes und der Reichsschuld, sowie den Gesetzentwurf über die Feststellung de» neuen RrichShauShaltSrtat». Die Reichstagsersatzwahl in Wiesbaden Der fitchdffchr «rechter, «ettr ». hat nach der amtlichen Feststellung 9500 Stimmen sür vr. Quark (soz.), 6400 Stimmen sür vr. Ekliger (fr. B ), 5826 St. für Fuchs (Centrum), 5452 St. sür Bartling (nat.-lib.) und 944 St. sür Hatzmann (Bund der Land«.) ergeben, mithin ist eine Stichwahl zwischen dem sozialdemokratischen Kandidaten und dem Kandidaten der freisinnigen BolkSpartri erforderlich. Der Großherzogvon Oldenburg wird auf ärztliche- Anrathen behufs seiner völligen Wiedergrnesung einen längeren Kuraufenthalt in einem milden Klima nehmen. Genaueres über dev Ort seine- Kuraufenthaltes im Süden ist noch nicht bekannt. Die Gerüchte von einer angeblichen Ver stimmung zwischen dem Münchener Hose und dem Batican anläßlich des Personal wechsels in der Münchener Nuntiatur und weiter wegen des Besuches des Prinzen und der Prin zessin Rupprecht von Baiern beim italienischen Königspaare in Rom werden von Münchener offiziöser Seite als unbegründet bezeichnet. Ganz so klar scheint indessen das Verhältniß zwischen München und Rom zur Zeit doch nicht zu sein. Folgendes Urtheil Bismarcks über die Buren und Engländer ist in dem Werke vr. Paul LimanS: „Fürst Bismarck nach seiner Ent lassung" wiedergegeben: „Jn^ der Transvaalfrage stand Fürst Bismarck mit seinen Sympathien offen auf der Seite der Buren. So kühl er auch Dinge und Personen abschätzte, so wenig hielt er doch mit seinem Urtheil zurück über die Vorgänge zu Beginn deS Jahres 1896, die das bekannte Tele gramm Kaiser Wilhelm« an den Präsidenten Krüger zur Folge hatten: „Es war ganz einfach ein Einbruchsversuch oder Seeräuberei, und sollte es zum Schlimmsten kommen, so kann man sich, glaube ich, darauf verlassen, daß die Buren, welche eiserne Naturen und dabei von phlegmatischem Temperament sind und gute Schützen obendrein, ihre Unabhängigkeit vertheidigen werden. In Cecil Rhodes sah der Fürst den gewandten Effekten- Manipulanten, dessen Methode in Falschheit und Bestechung im großen Maßstabe besteht und dem gegenüber die englische Regierung eine Haltung eingenommen habe, die den Verdacht der Mit wissenschaft oder zum mindesten der Furcht vor ihm erweckte. Auch Lord Salisbury erfreute sich bei dem alten Reichskanzler keiner übertriebenen Werthschätzung, jedenfalls stellte er ihn weit hinter Lobanoff, den damaligen Minister des Auswärtigen in Rußland, zurück. Der einzelne Engländer sei anständig, achtbar und zuverlässig, dec Vorwurf der Lüge der schwerste, den man ihm machen könne. Die englische Politik dagegen sei von allem daS Gegentheil; ihre hervorstechende Eigenschaft sei die Heuchelei, sie wende alle Mittel an, die der einzelne Engländer verabscheut. In Frankreich sei ja die Politik zu Zeiten auch nicht sehr wählerisch in ihren Mitteln gewesen, namentlich schwächeren BolkSstämmen im Auslande gegenüber sei sie ebenso grausam und brutal verfahren wie die englische, Gewaltthaten und Ueberlistung seien ebenso vor gekommen, wie im englischen Regime. Aber dies unglaubliche Maß von Heuchelei und Perfidie, wie eS der englischen Politik häufig eigen fei, sei doch nicht an ihr nachzuweisen. Die Kritik, welche der Fürst über Chamberlain fällte, war mehr drastisch als schmeichelhaft." Oe st erreich. Die deutschfeindlichen Kundgebungen in Lemberg aus Anlaß des UrtheilSspruche» im Wreschener Schulkrawall wollen noch immer nicht enden. Am 4. Dezember zogen etwa 500 Hoch schüler nach der Mozhnazhigaffe, um eine feind selige Kundgebung gegen das deutsche Konsulat zu veranstalten, doch vereitelte die Polizei noch rechtzeitig durch energisches Eingreifen dies Bor- haben. Die Befürchtung, daß die deutschfeind lichen Demonstrationen der polnischen Bevölkerung in Lemberg und noch anderen Orten Galizien- Vielleicht eine Verstimmung zwischen Wien und Berlin zur Folge haben würden, erweist sich in dessen als unbegründet. Der deutsche Botschafter in Wien, Fürst Eulenburg, hatte wegen dieser Vorgänge eine Besprechung mit dem Minister des Aeußeren Grafen SoluchowSki, die dem Ver nehmen nach einen beiderseits befriedigenden Ver lauf genommen hat. Uebrigen» hat die anti deutsche Bewegung in Galizien auch Russisch-Polen ergriffen. Polnische Studenten in Warschau rissen daS Schild vom deutschen Konsulat herunter und bewarfen die Privatwohnung des deutschen General konsuls mit Steinen. Der Oberpoltzeimeister und der Staatsanwalt stellten den Thatbestand an Ort und Stelle fest. Frankreich. Pari», 4. Dezbr. Nach dem stenographischen Berichte äußerte sich der Deputirte Massabuau in der gestrigen Kammer-Sitzung bei der Berathun de» KrirgSbudget» in folgender Weise: Obwohl ich nicht an eine Abrüstung glaube, wäre e» nach der Haager Konferenz vielleicht doch gut, die Frage zu prüfen, welche Richtung unsere auswärtige Politik einschlägt. Ich stelle diese Frage mit einiger Vorsicht, sie kann eine empfindliche Stelle bei ua» berühren. Sie dürften die englische Zeitschrift gelesen haben , die Frankreich zu einem Dreibund zu drängen sucht. Dieser Dreibund, wenn wir ihn wollen, würde nur die Frage de» Bunde» mit unseren übersee ischen Nachbarn oder unseren Nachbarn jenseits der festländischen Grenze sein. Mit einem Wort, wir haben uns zu entscheiden, ob wir dir Politik Ave» Guyot» oder diejenige JuleS Frrrys ver folgen wollen. Ich für meinen Thril '.ziehe die Politik Jule» FerryS, ein Bündniß mit Deutsch land, vor, ich fürchte mich nicht, den Namen Deutschland auszusprechen. (Anhaltende Be wegung.) Der englandfreundliche Matin bemerkt hierzu: Wir bezweifeln ein wenig, daß JuleS Ferry jemals ein Bündniß mit Deutschland ange strebt hat, aber eins ist gewiß, daß seit 1870 ein derartige« Wort zum ersten Male in der Kammer ausgesprochen worden ist. Rußland. St. Petersburg, 5. Dezember. Bei dem Dorfe Studzianka an der Beresina, an der histo rischen Stelle, wo die große Armee den Fluß über schritt, ist auf Veranlassung und aus Kosten deS EigenthümerS deS Grund und Bodens Kolodcieff ein Denkmal errichtet worden, da» mit zwei Me daillonbildnissen Kaiser Napoleons I. und Kaiser Alexanders I., von einem Lorbeerkranze umgeben, und mit folgender Inschrift in russischer und fran zösischer Sprache versehen ist: „Hier überschritten Kaiser Napoleon und die Große Armee am 26.» 27. und 28. November 1812 die Beresina." Der Enthüllung wohnten der Gouverneur, die Spitzen der Zivil- und Militärbehörden der Provinz so wie Militärabordnungen bet. England. Die abgelaufene Woche hat prompt die fällige englische Ministerrede gebracht. Der Minister deS Inneren, Ritchi, hielt in Croydon eine Rede, in welcher er erklärte, die Engländer seien keine aggressive Nation, sondern sehnten sich nach fried lichem Handel und Wandel. Dann aber meinte er, unter Anspielung auf die von den englischen Kolonien dem Mutterlande im Burenkriege geleistete Hilfe, alle Länder würden jetzt die Gewißheit haben, daß sie, falls sie mit England in Streit gerathen sollten, eS auch mit den Brüdern jenseits de« Meeres zu thun bekommen sollten. Eine ziemlich überflüssige Drohung! London, 4. Dez. Die Verhandlung gegen vr. Krause wegen Aufreizung zur Ermordung deS Anwalts Forster wurde heute vor dem Bow-Street- Polizeigericht wieder ausgenommen. Die Verhand lung vr. Krause wurde, nachdem die Zeugenaus sagen nichts Wesentliches ergeben hatten, auf den 12. d. vertagt. Spanien. Der AuSgang der schleichenden Krisis im Madrider Kabinett, wo die Stellung de» FinanzministrrS bedenklich erschüttert ist, erscheint noch immer ungewiß. Ministerpräsident Sagasta erklärte nach einer Unterredung mit dem Finanz minister, er sehe einen zwingenden Grund zum Rücktritte desselben nicht ein. Amerika. Die neue Kongreßfession in der nord amerikanischen Union hat zu ihrem Beginn die übliche Präsidentrnbotschast gebracht. Präsi dent Roosevelt erklärt sich in dieser seiner Kund gebung, um deren Hauptkernpunkte hervorzuheben, für Fortführung der Schutzzollpolitik der Union, gewischt mit gelegentlicher BertragSpolitik und für strikte Aufrechterhaltung der Monroe-Doktrin: „Amerika den Amerikanern!"; außerdem soll den Anarchisten energisch zu Leibe gegangen werden. Die Kanalkommifsion de» amerika nischen Repräsentantenhauses empfiehlt in ihrem Bericht der Regierung, dem Nicaragua kanal den Vorzug vor dem Panamakanal zu gebe». Die revolutionäre Sache in Columbien kann nunmehr wohl al» verloren gelten. Die Führer der Aufständischen verhandeln wegen ihrer Unterwerfung mit der Regierung; die militärische Intervention der Amerikaner auf der Landenge ist bereit» wieder zu Ende gegangen, die gelandeten Marinemannschaste« wurden wieder an Bord der amerikanischen Kriegsschiffe zurückgezogen. Ferner ist der ungehinderte Verkehr auf dem Jsthmu» wieder vollkommen hergestellt worden.