Volltext Seite (XML)
nicht nur dec herrlichste Fang war ihm gewiß, sondern anch die staunende Hochachtung der Nach; barn, welchen er die Nichtigkeit Les Vorurtheils bewiesen hatte, daß die Johannisnacht deni Fi scher unheilbringend sei. Mit lauter Stimme be fahl er, das Netz auszuwerfen, und bald befand sich die Schaluppe in dem ungeheuren Fischzuge. Nach einer Stunde traten vier Männer an die Winde, d«ch welche das Netz aus der See ge hoben wird, und die reiche Beute kam zum Vor schein, Fische von einer Größe und Schönheit, wie sic »och keine Häringsbüse nach Hause ge bracht. Freilich krabbelten unter den Häringen auch eine Menge kleiner, scheußlicher Geschöpfe umher, welche Allen unbekannt waren und in den seltsamsten Tönen schnalzten und seufzten, daß cs fast unheimlich klang, aber vergnügt über den glücklichen Zug, achteten die Seeläute nicht viel daraus, sondern warfen die seltsamen Wesen über Bord. Mitternacht mochte vorüber sein und das Fahrzeug hatte eben eine zweite Fischladung ein genommen, als Nis Classcn, der hinter Len Wand tauen saß und sich eine frische Pfeife stopfte, plötzlich aufsprang und an den Stoppelsrosch vor über zum Steuer eilte; denn kaum hundert Schritte von der Haringsbüse zeigten sich der dunkle Rumpf und die schlanken Masten eines Schiffes ohne Segel. Nis drehte die Schaluppe aus dessen Fahrwasser, wodurch er dem fremden Schiffe so nahe kam, daß er cs deutlich erkennen konnte. Am Bord ° desselben brannte keine Laterne und nirgend zeigte sich Bemannung; nur am Steuer hockte eine kleine dicke Gestalt, die aus einer Pfeife dichte Rauchwolken von sich blies. Auch die übrigen Insassen der Haringsbüse waren jetzt auf das einsame Schiff aufmerksam geworden. Dieses hatte eine ganz seltene Form. Die Puppe oder das Quarterdeck, sowie das Vor- dercastell ragten außerordentlich hoch empor, und die Masten, sogenannte Trabackeln, bestanden nur aus einem einzigen Stamme. Nachdem die Hol länder das seltsame Fahrzeug eine Weile ange- starrt, humpelte der alte Siemsen auf die Steuer bank seiner Schaluppe, legte die hohle Hand an den Mund und rief mit markdurchdringender Stimme: „Schiff, ahoi! — Was für ein Landsmann s" „Gallione Vytenhout von Japan nach Rot terdam!" antwortete die schrille Stimme des ein samen Steuermanns. Als der Stoppelfrosch antworten wollte, ver nahm man den dumpfen feierlichen Gesang eines Chorals, welcher aus der Meerestiefc empor zu steigen schien. Nach einer Weile schrie Siemsen: „Bei Gott, Euer Schiff sieht aus wie eine chinesische Garküche. Sage an, Maat, was hat denn der Gesang in Eurem Raume zu bedeuten? Frömmigkeit ist etwas ganz Schönes, aber ein Glas Genevre schmeckt auch nicht schlecht, deshalb sage deinem Kapitain, Klas Siemsen, der Wirth zum „sanften Seehunde", wäre mit einer Scha luppe beim Häringsfangc und hielt an seinem Bord, um auf des Vytenhout glückliche Ankunft ein Glas Grog zu trinken." Der Gesang im Schiffe schwieg, die Luke öffnete sich und langsam stiegen, Einer nach dem Andern, zwölf Leute auf das Deck. Der Vor derste trat gegen die Brüstung des Decks und sagte: „Hab Dank, Maat! Dein Genevre ist sicher lich nicht besser als mein Goaarack und Capwein. Komm herüber an Bord Les Vytenhout und bringe zwei Deiner Gesellen mit, damit ich was Neues aus der Heimath höre." „Einer höflichen Einladung widerstehe ich nie!" entgegnete der Stoppelfrosch. „Nis Classcn und Hcndryk Doorvliet lootst mich hinüber auf den Jndienfahrer und helft dem Wackern Schiffer und mir ein Glas Grog leeren. Die Schaluppe hängt mit dem Bugtau an des Vytenhouts Spie gel, er kann uns ein Weilchen nachschlcppcn." Ohne ein Wort zu sprechen, führte der Ost- indiensahrer seine Gäste nach der Kajüte. Diese war durch eine erhellte Glaskugel düster beleuchtet und am Tische saßen zwei alterthümlich gekleidete todtenblasse Männer, mit halb geschlossenen Augen, starr und unbeweglich. Der Capitain berührte sie mit der Hand. Langsam erhoben sich die Beiden, nahmen aus einem Schranke Pfeifen, Tabak und Flaschen, und bald saßen die Sechs beim gefüll ten Glase um den Tisch. „Das ist ein verdammt guter Arack; er muß sehr alt sein!" schnalzte der Stoppelfrosch, das ge leerte Glas niedersetzend. „Fünsundneunzig J-Hre!" antwortete mono ton der Capitain. „Ein schönes Alter!" bemerkte Siemsen. „Wenn Ihr nichts dagegen habt, möchte ich schon ein Oxhoft davon ankaufen und das Geld Euch in Rotterdam überweisen lassen. Wie heißt Euer Rheder?" „Jahn Petersen und Vanfleth!" antwortete der Schiffer. „Petersen und Vanflcth ? Potz Robbe