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Zweite Anlage zu Ar. 114 des sächsischen Lrzähters. Bischofswerda, de« 1. Oktober 1V04. Sachsen. Bischofswerda, am 30. September 1S04. uo. — Der Oktober, der zehnte Monat des Jahres, war noch dem Kalender der alten Römer, die ihr Jahr mit dem März begannen, der achte Monat; er hieß daher OktobriS und führt noch bis auf den heutigen Tag diesen Namen, d. i. „der Achte". Im deutschen Kalender hecht er Gilbhart (die Zeit des GelbwrrdenS der Blätter), oder auch „Wetnmonat". Dir WittrrungSverhält- nisse im Oktober sind im allgemeinen nicht so gut, wie die des September. Nach seiner Mittelwärme gleicht er dem April, die Temprraturschwankungen sind aber in der Regel weniger groß wie bet diesem, trotzdem die Temperatur nicht selten bis auf den Nullpunkt und darunter sinkt. Mit dem Oktober ist der frohe Sang und Klang aus tausend Bogelkehlen verhallt und viele der lieb» lichen Sänger sind schon zum Süden gezogen — „heimwärts gezogen", sagen viele sälschltch, der Bogel hat dort seine Heimat, wo er ausgewachsen ist, dort, wo sein Nest gestanden hat. Schon im September haben uns bereits der Kuckuck, Pirol, Gartenspötter, die Rohrsänger, Würger und andere verlassen und jetzt solgen ihnen dir meisten Zug vögel. Im Walde aber beginnt der Dohnenstieg seine Opfer zu fordern. Wie viele Bogelkehlen, denen im Sommer die flötenden, trillernden und zwitschernden Jubeltöne entquollen, ersticken in den heimtückischen Haarschlingen; wie viele Singvögel, besonders die Drvsselarten, müssen auf dem Zuge zum Süden in der Heimat noch ihr Leben lassen. Auch die bunte Blumenpracht ist meist dahin. Dafür wechselt der Wald sein grünes Kleid, und täglich brechen neue Farbentöne hervor: Rot, gelb, braun mischt sich herbstlich mit Sommergrün. Und wir wir vom Frühling ab unser Zimmer mit den lustig-bunten Waldblumen schmücken, so brauchen auch unsere Vasen und Scholen jetzt nicht des Schmuckes zu entbehren. Zarte Roienrankrn mit den scharlachroten Früchten mischen sich mit den braunen Ranken der Brombeere; roteS, gelbes und grünes Laub kommt dazwischen, und blaue Schlehen, pfirstchblütenfarbene Pfaffenhütchen und leuchtendrote Ebereschen geben eine abwechslungs reiche Zusammenstellung. Schtlsblätter und GraS- blüten finden wir auch noch, und hin und wieder eine verspätete Blume, den letzten Gruß aus schönen sonnigen Tagen, die hinter uns liegen ... uo. — Die Witterung im Oktober dürfte sich nach Falb, des Jüngeren, Prognose trübe und sehr regnerisch gestalten. Der 9. Oktober wird von ihm als ein kritischer Tag erster Ord- nung, der 24. als rin solcher 2. Ordnung bezeichnet. Auch der hundertjährige Kalender prophezeit sür den Oktober schlechtes Wetter, speziell in der ersten Hälfte des Monats. Die zweite Hälfte soll dann einige schöne Tage, zum Schlüsse aber Reif und Kälte bringen. no. — Für den Menschen ist nichts notwendiger und vorteilhafter, als Menschenkenntnis, und doch gibt rS so wenige, welche eine genaue, gründliche und umfassende Einsicht in das haben, waS der Mensch ist, waS er sinnt, wünscht und will, und WaS man von ihm zu erwarten hat. Mancher durchreiset Städte und Länder, verkehrt mit vielen Menschen, lernt ihr konventionelle» Benehmen kennen und glaubt nun, in die Geheimnisse der menschlichen Natur tief rtngrwelht zu sein, und wa» weiß er von den Menschen? Diese nehmen den Schein de» Guten an, zeigen sich im Sonntagskleid« und stöhnen ihrer Eigenliebe und ihrem Eigennütze, und dir» Wissen nennt «Menschenkenntnis; allein warum handeln die Menschen so und nicht anders, und warum trägt ihre Denkart und Handlungs weise dieses Gepräge? Diese Aufgaben kümmern ihn wenig oder gar nicht. Gr weiß mit ihnen instinktartig umzugrhen, sie erwidern dies auf dieselbe Art, und beide suchen ihre Absichten so gut al» möglich zu erreichen. Dieser Schatten von Menschenkenntnis aber ist lange nicht aus reichend; allenthalben muß man auf den Grund dringen und dir Ursachen der Erscheinungen ent decken. Nicht an der Oberfläche muß man hängen bleiben, sondern in die geheimen Werkstätten ein dringen, wo Gedanken geboren, Neigungen und Begierden «zeugt, Wünsche und Entschlüsse zutage gefördert wrrden und wo der Urquell alle» Leben» und Weben» sprudelt. Wer Menschen gründlich kennen lernen will, der muß sich selbst genau er forscht haben. Er muß wissen, welche Geistes kräfte « besitzt, wie diese wirken, wonach sie streben «ad wie ste flch teil» brkäwpsrn, teils im Berrtae GMMMM^ckte» Ziel lossteurrn. Wer in seinem Busen einheimisch ist, der errät andere, der versteht ste, weiß ste zu leiten und zu seinem Bor- teile zu benutzen. In den Tiefen, wo die Trieb- federn wirken, ergründet er da», was andere sinnen und wollen; ste gleichen ihm, wir er mit ihnen, von gleich« Neigungen und Wünschen getrieben, seines Leben» Tätigkeiten gestaltet. Gleiche Ur sachen bringen gleiche Wirkungen hervor und gleiche Wirkungen lassen auf gleiche Ursachen schließen. Der eine besitzt etwas mehr Besonnenheit, Fassung oder Schlauheit al» der andere; er «riß sich mehr zu verstellen und gewinnt durch List die Gunst der andern, die rin dritter durch Offenherzigkeit sich erwirbt. In der Welt zeigt sich der Mensch größtenteils so, wie er e» seinem Vortiile gemäß findet; er will gefallen und durch das Wohlwollen und den Beistand anderer seinen Vorteil besördern. Man studiere daher sich selbst sorgfältig und man wird deutlich in dem Gesichte und in den Aeuße- rungen und Handlungen anderer lesen, was sie sind oder beabsichtigen. Denn wenn jemand fleißig mit Menschen verkehrt und ihr Tun und Treiben sorgfältig beobachtet und richtig auffaßt, so wird er, mit sich selbst genau bekannt, Mittel entdecken, wie er sie zu seinem Vorteile leiten kann. Er wird sie zu regieren verstehen und mit ihnen auf die beste Art durchkommen. Allein diese Vorteile kann er sich nur dadurch verschaffen, daß er die menschliche Natur in sich selbst gründlich und richtig kennen gelernt hat. — Auf dem Sächsischen Fortbildungs schultage in Freiberg ist u. a. beschlossen worden, daß vom Sächs. Lehrerverrin in Ver bindung mit dem Sächsischen Fortbildungsschul- vereln über die Mädchenfortbildungsschule eine Denkschrift ausgearbeitet wird. Als Ver fasser wurden die Herren Lehrer Schuster-Plauen, Mitglied des Vorstandes des Sächs. Lehrer vereins, und Direktor vr. Lehmann-Leipzig, Mitglied des Vorstandes des Fortbildungsfchul- veretns, bestimmt. Pirna. In Copitz ist die 80jährige Chr. Strrtstau nachts aus dem Fenster ihrer Wohnung In den Hof hin abgestürzt. Ste hat bei dem Sturze einen Oberschenkelbruch und andere Verletzungen erlitten, von denen sie schwerlich wieder ge nesen wird. Riesa. Schwer verunglückt mit einem Motorrade ist an einem der letzten Tage abends in Seerhausen der Kgl. BezirkSarzt Rechholz auS Frankenberg. Auf der Fahrt nach R esa verfehlte der Unglückliche in Seerhausen die nach Riesa ab- btegende, scharfe Straßenkurve und fuhr auf das dort angrenzende Schmiedegrundstück zu und in dortstehende Gerätschaften usw. hinein. Er erhielt dabet so schwere Verletzungen, daß er auf der Stelle bewußtlos liegen blieb. Er hatte insbesondere eine anscheinend sehr schwere Verletzung an einem Auge und mutmaßlich auch innere Verletzungen erlitten. Leipzig, 29. Sept. In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten wurde Herr Bürgermeister vr. Dtitrtch auf Lebenszeit wtedergrwählt. Zu rin« sehr langen Debatte führte sodann der ge plante Umbau des alten Rathauses, «baut im Jahre 1556 vom Baumeister Lotter. Man faßte den Beschluß, sich im Prinzip mit der Er haltung und dem Umbau des alten Rathauses, wie auch der dahinter liegenden alten Handelsbörse einverstanden zu erklären, doch sollen anderweite Umbaupläne noch ausgestellt werden. Der jetzt beabsichtigte Umbau sollte 750000 M. kosten. Schwarzenberg. Der 66 Jahre alte Fabrikarbeiter Beck in BernrSgrün ist am Montag früh, al» er sich zum TraSmähen aus eine Wirse begeben wollte, auf der Staatsstraße von Schwarzen berg nach Jägerhaus von einem unbekannten Radfahrer zu Boden gerissen und so schwer ver letzt worden, daß er nach wenigen Stunden ge storben ist, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. AuS dem Manöver. Wie freundlich die vogtländlsche Bevölkerung jederzeit bei Manöver« den Soldaten entgegrnkommt und ihnen den Dienst zu erleichtern bestrebt «st, da» weiß man im ganzen sächsischen Heere und erkennt e» dankbar an. Bon einem neuen hübschen Beweis für die Herzlichkeit, mit der auch bei den diesjährigen Manöver» die „bewaffnete Macht" im Bogtlande aufgrnommen wurde, berichtet folgend« Zuschrift, die dem „vogtl. Anz." au» Greiz zugrht: In der Nähe von Lengenfeld war eine Feldwache postiert, die ab« infolge anhaltenden starken Regen» nacht» gegen V»12 Uhr zurückbeordnt wurde. Triefend naß gelangte der tapfere MarSjüngn — es war rin Einjährig«, Sohn eine» reichen Fabrikanten — im Städtchen an und suchte nach einem Nachtquartier. Vergeben». Die Gasthäuser sind ohnehin überfüllt und auch wohl sämtliche Bürg« haben ihre Eirquartterung. Ermüdet und abgespannt, klagt der Soldat einigen Offizieren, die ihm auf dem Markte begegnen, sein Leid. Während die Herren noch beraten, tritt rin ein facher Mann auf ste zu, erklärt, daß er gehört, um waS e» sich handele, und bittet dringend, ihm doch den Herrn „Soldat" zu „überlassen". Er allein habe keine Einquartierung und sich doch so sehr darauf gefreut. Sein Vorschlag wurde gern angenommen und der „Herr Soldat" hatte alle Ursache, mit seinem Wirt zufrieden zu sein. Rasch sorgte dieser für trockene Kleidung, richtete rin Abendbrot her und bemühte sich mit rührender Aufmerksamkeit um seinen späten Gast. Dem tat die außerordentliche Liebenswürdigkeit sehr wohl und er streckte sich behaglich auf sein schnell ge rüstetes Lager. Andern Tag» muß das Regiment schon früh 3 Uhr marschbereit sein. Neugestärkt erhebt sich der Soldat und beeilt sich bet der Toilette. Wer beschreibt aber sein Erstaunen, als er alle seine Garderobe schon sauber gebürstet vor findet, ja, al» er die Stiefel anziehen will, sieht er, daß diese sogar frisch besohlt sind! Hat der brave Schuhmachrrmeister seine Nachtruhe geopfert, um seinem Soldaten so recht die große Freude zum Ausdruck zu bringen, die er ihm mit seinem „späten" Besuch bereitet hat. Solch Patriotismus ist eigenartig, aber schön! Vermischtes. — Die Armeekonservenfabrtk in Hasrlhorst bet Spandau hat jetzt die Lieferung ihres Winter bedarfs an Hülsensrüchten ausgeschrieben. ES wrrden gebraucht 4760 Zentner Erbsen, 1160 Zentner Bohnen und 1000 Zentner Linsen dies jähriger Ernte. — Recklinghausen, 29. September. Auf Schacht 5 der Zeche „General Blumenthal" stürzte gestern abend infolge Durchbruchs deS Schacht- Holzes eine Mauerbühne mit 10 darauf befind lichen Personen über 40 rn in die Tiefe. Acht Arbeiter wurden getötet, zwei schwer verletzt. Alle sind Familienväter. — Ein Fräulein Hauptmann vermachte für den Knabenhort in Halberstadt die Summe von 100000 Mk., die ihr Erbe, Bankier Lindemann, auf 200000 Mk. erhöhte. — Ein Raubmörderpaar, die Hubn'schen Ehr« lrute au» Weilbach in Baiern, die ein Dienst mädchen ermordet und beraubt hatten, ist am Montag in Pratau bet Wittenberg ergriffen und festgrnommrn worden. — Der Fabrikant Pallenberg hat der Stadt Köln 400000 Mark vermacht zur Errichtung eines VersorgungShauseS für bedürftige alte und arbeitsunfähige Handwerker. — Folgende» hübsche Geschtchtchen er zählt man sich nach dem „Fränk. Kur." in Höchst a. M.: Um sich billiges Kraut zu verschaffen, ging vor einigen Tagen auS dem benachbarten Sossenheim rin Mann abends, nachdem er von der Arbeit auf den Höchster Farbwerken gekommen war, auf den Acker eines wohlhabenden Bauern und erntete, waS er nicht gesäet hatte. Justement, die schönsten Krautköpfe suchte er sich au». Als der Bauer am nächsten Tage auf feinen Kraut acker kam, fand er viele Kohlköpfe, dle nicht da Warrn, außerdem aber noch eine Lohndüte mit 28 Mk. Inhalt, die dem Diebe offenbar auS der Tasche gefallen war, während er sich bückte, um das Kraut zu köpfen. Schmuzrlnd steckte der Bauer die 28 Mk. rin, sein Kraut war recht gut bezahlt. — Dtrschau. Hier ist «ineTyphuSepidemie auSgebrochrn. Bisher wurden 27 Erkrankungen konstatiert. Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche wurden beschlossen. — Dle Typhu-epidrmlr in Detmold ist noch immer stark im Wachsen. Bisher stad 509 Personen «krankt. — Eine hübsche Geschichte von guter Nachbarschaft, «zählen die „Basel« Nachr.", trug sich anläßlich der deutschen Manöver zu. Die Mannschaft kantonierte dicht an der Schweizrrgrenzr, und dabei traf r» flch, daß zwei deutsche Soldaten bei eine« bereit» aus Baseler Boden wohnenden Schweiz« Quarti« bezogen, allerdings ohne eine Ahnung zu habe» , daß ste flch jenseits dn deutschra Grenz» aus Schweizer