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Selbständigkeit gegenüber den Berrinigten Staaten zusammen zu schließen, ist in Nordamerika be- areiflicher Weise mit sehr unangenehmen Ge fühlen ausgenommen worden, und man ist ge neigt, wie immer in solchen Fällen, die Strömung auf europäische Einflüsse zurückzuführen. Diese Ansicht ist durchaus unzutreffend, da der Zu- sammrnschluß der südamerikanischen Republiken nicht» ander» al» eine Wirkung de» Siege» der Union über Spanien ist. Sicher ist jedoch, daß man in Europa allen Anlaß hätte, dieser Be wegung wohlwollend und womöglich fördernd gegenüber zu stehen. Die sich von Jahr zu Jahr mehr entwickelnden Länder Südamerika» versprechen auf lange Zeit noch die ergiebigsten Absatzgebiete für die Erzeugnisse der europäischen Industrie zu bleiben, wenn e« ihnen gelingt, sich von der politischen wie wirthschaftlichen Bevor mundung durch die Bereinigten Staaten frei zu halten. Gelingt ihnen die» aber nicht, io geht der ganze enorme Markt Südamerika» der euro päischen Industrie ein für allemal verloren. Das Ziel der politischen Machtentfaltung der Nord amerikaner ist die Beherrschung de» Welthandel» und die Ausbeutung aller Länder nach amerika nischem Rezepte. Auch kann man bei jeder Gelegenheit beobachten, wie in Nordamerika diese Beutepolitik gepflegt wird. So hat die Ermor dung de» Präsidenten der dominikanischen Repu blik, Heureaux, insofern heftige Ausbrüche von Eroberungsgelüsten in der Presse der Bereinigten Staaten zur Folge gehabt, al» sie sich fast ein stimmig für die Annexion der Insel ausspricht. Die Regierung hat dieser Forderung in so weit Rechnung getragen, al» sie bereit» zwei Kriegs schiffe nach San Domingo abgesandt und ver sprochen hat, weitere, wenn nöthig, folgen zu lassen. Auch gegen die mittelamerikanischen Repu bliken Nicaragua und Guatemala führt die Ingo- presse eine äußerst leidenschaftliche Sprache und das Prinzip: Amerika den Amerikanern, da» heißt Amerika von der Behringsee bis an'» Cap Horn den Bereinigten Staaten, wird mit einer Beharrlichkeit und Nachdrücklichkeit verkündet, die jede» Mißverständniß über die Absichten der ausschlaggebenden politischen Kreise in der ame rikanischen Bundeshauptstadt ausschließen. Politische Weltschau. Im deutschen Auswärtigen Amt ist die Sensationsnachricht von der Zusammenkunft der drei Kaiser von Deutschland, Rußland und Oesterreich in Skiernewice offiziell für ganz unbegründet erklärt worden. Zugleich wird mit- getheilt, daß der Besuch des österreichischen Minister» des Auswärtigen Grafen Goluchowski bei dem Fürsten Hohenlohe in Aussee kaum stattfinden werde, da Goluchowski nicht zum Kaiser nach Ischl berufen sei. Fürst Hohenlohe werde wahrscheinlich nicht mehr nach Aussee zurückkehren. Dagegen hat der Minister Graf Goluchowski am 19. August dem Staatssekretär Grafen Bülow auf dem Semmering einen Besuch abgestattet. Bon der Anwesenheit des Kaisers in St. Privat am Freitag zur Enthüllung des Denkmals für da» I. Garde-Regiment sei noch erwähnt, daß der Kaiser von Metz nach Aman- Weiler am Freitag früh mit der Eisenbahn fuhr und von dort an der Spitze der Truppen nach St. Privat ritt. Die Bevölkerung begrüßte den Kaiser begeistert. Die am 17. August in zweiter Berathung vom preußischen Abgeordnetenhause ab gelehnte Kanalvorlage ist nun doch noch am 19. August in die dritte Berathung gekommen. Man darf darin einen Beweis erblicken, daß die preußische Regierung in der Kanalsrage nicht nachgeben wird und daß die abermalige Ab lehnung der Kanalvorlage eine vollständige Wendung in der inneren Politik Preußen» und schließlich auch de» Deutschen Reiches herbei- führen kann. Die „Norddeutsche Allg. Ztg" schreibt nämlich offiziös: Wenn die Haltung der konservative« Parteien wider Erhoffen in der dritten Lesung der Kanalvorlage fortdauert, liegt die Befürchtung sehr nahe, daß die bisherige Stellung der konservativen Parteien zur StaatS- regierung und selbst zu Krone in Folge dessen eine erhebliche Erschütterung erleiden würde. Die Minister haben schon darauf hingewiesen, daß diese Frage nicht vereinzelt betrachtet werden könne, und daß die Parteien alle Veranlassung haben, sie in ihrem eigenen Interesse, wie im Zusammenhänge mit der gesammten politischen und wirthschaftlichen Lage de» Lande» zu be- trachten. Wir können daher nur die dringende Hoffnung und Mahnung ausdrücken, daß die konservativen Parteien noch im letzten Augenblicke auch von diesem Standpunkte au» die Frage be trachten und in der Abstimmung ihre bisherige schroffe Ablehnung aodificiren. Die von den gegnerischen Parteien angeführten Gründe und Bedenken gegen da» große nationale Unternehmen stad im Laufe dtr Berathung von allen Gesichts punkten au» so sorgfältig widerlegt worden, daß ihnen eine Aenderung in ihrer Haltung um so leichter werden muß. Man kann vielleicht danach noch darauf rechnen, daß ein großer Theil der konservativen Abgeordneten für die Kanalvorlage stimmen werden. In allen Städten der österreichisch ungarischen Doppelmonarchie, zumal in Wien und Budapest, ist am 18. August der Geburtstag de» Kaiser» Franz Josef in patriotischer Weise gefeiert worden. Ganz be sonder» feierten die Zeitungen den Geburtstag des Kaiser» in besonderen Artikeln, in denen der Liebe und Verehrung für den Monarchen in be geisterten Worten Ausdruck verliehen wurde. Da» Wiener „Fremdenblatt" schrieb: An diesem Tage kommt das Ausland neuerlich zum Be wußtsein, daß wir eine unlösliche, unzerstörbare Einheit bilden, und daß da» dynastische Funda ment der Monarchie ties in allen Herzen wurzelt und jenen gewaltigen Wall bildet, an dem alle übergreifenden, extremen politischen Strömungen sich machtlos brechen müssen. Die treue, unent wegte Verehrung und Liebe für den Monarchen flößt dem ganzen Reiche und dem Auslande die Zuversicht ein, daß auch in dem österreichischen Völkerstreit endlich der Tag de» Friedens an brechen wird. DaS „Neue Wiener Tageblatt" hob hervor, daß dem Namen deS Monarchen in ver ganzen Welt der Ruhmestitel eine« Friedens fürsten beigelegt wird. In ähnlichem Sinne sprachen sich auch die anderen Blätter au». In der Angelegenheit de» in die Ver schwörung verwickelten und in seinem Hause in der Straße Chabrol in Paris Widerstand leistenden Antisemitenführer GuSrin, scheint die französische Regierung aus Furcht vor blutigen Straßenkämpfen unbegrenzte Langmuth üben zu wollen. Alle Verhandlungen in der heiklen Sache haben bis jetzt zu nichts geführt. GuSrin sitzt noch mit seinen Genossen in seinem Hause und spottet der Regierung. Die Re gierung aber läßt durch die officiöfe ^Agence HavaS" eine Note verbreiten, die bezüglich der Angelegenheit GuSrin sagt, die Regierung habe jede Lösung der Frage, die darin bestände, daS Haus in der Straße Chabrol zu stürmen oder sich der Person des Angeschuldigten mit Gewalt zu bemächtigen, von vornherein von der Hand gewiesen und die Erwägungen der Humanität höher ol» andere gestellt. Infolge dessen würden auch alle Maßregeln die getroffen seien, um GuSrin an jedem Verkehr mit der Außenwelt zu verhindern, so lange eS sich als nothwendig er weise, aufrecht erhalten bleiben. Jede Zusammen rottung werde verhindert bezw. zerstreut werden. Im DreyfuS-Prozesse zu RenneS wird, wie die letzten Verhandlungen bewiesen haben, wahrscheinlich die Zeugenaussage deS Obersten Picquart ausschlaggebend für den Aus gang des DreysuS - Prozesses sein. Oberst Picquart hat nicht nur den geringen Werth des sogenannten Dossiers nachgewiesen, sondern auch ziemlich glücklich eine Reihe von Fälschungen und FälschungSversüchen aufgedeckt. Picquart wendet sich in seinen Aussagen auch gegen die Generäle und früheren Kriegsminister Mercier, Billot, Roget und Cavaignac, welche allerdings Alle sich wiederum gegen die Aussagen Picquart» erklärten. Wenn die englische« Zeitungen „Standard" und „Times" richtig unterrichtet sind, so wird die Transvaal-Republik den Forderungen Englands in Bezug auf die Rechte der Aus länder doch entgegenkommen. Dem „Standard" wird aus Johannesburg 17. August von sehr gut unterrichteter Seite gemeldet, es sei wirklich die Absicht der Regierung von Transvaal, den Ausländern da» volle Wahlrecht nach Ablauf von fünf Jahren zu gewähren und zwar solle von den verwickelten Rrbenbestimmungrn nicht mehr die Rede sein, mit welchem man da» jüngste Wahlrechtsgesetz auSgrstattet hatte. E» soll ferner den Ausländern der vierte Theil der Ver tretung im BolkSraad statt de» fünften Theile» eingrräumt werden, sodaß sie von 36 Sitzen 9 erhalten. Diese Meldung de» „Standard" wird durch eine andere, welche die „Time»" au» Johannesburg erhalten hat, bestätigt. Die Kriegsdrohung gegen die Transvaalrepublik im Fall« der Ablehnung der englischen Vorschläge wird indessen von England immer noch aufrecht erhalten und au» Loudon gemeldet, daß nach den gegenwärtigen Bestimmungen de» Krieg»- amte» die für den Fall de» Ausbruche» von Feindseligkeiten in Süd-Afrika zu verwendende englische Streitmacht au» 21 Bataillonen In fanterie, 6 Regimentern Cavallerie, 4 reitenden und S Feldbatterien und S JngenieurcompagNien, im Ganzen etwa 32,000 Mann, bestehen wird. Die englische Verwaltung Egypten» wird demnächst auf eine ernste Probe gestellt werden. Die Nilfluth, auf der die Ernte Egypten» beruht, ist in diesem Jahre die niedrigste seit der Okku pation Egypten» durch England und ebenso schlecht wie diejenige vom Jahre 1867, wo ein ganzer Theil de» Lande» in Ober-Cgypten ganz unbewässert blieb und . in Folge dessen nicht kul- tivirt werden konnte, sodaß eine HungerSnoth auSbrach. Die einzige Hoffnung Ober-Egypten» bleibt, daß die Fluth im September sich bessert. Die Thatsache ist um so wichtiger, al» britischer- seit» auf da» Steige» de» Nil» für die in Aus sicht stehende sogenannte Entscheidungsschlacht gegen den Khalisa gerechnet wurde, an die kaum zu denken sein wird, fall» der obere Nil nicht schiffbar wird. Die demokratische Partei in den Berrinigten Staaten von Nord-Amerika setzt schon jetzt alle Hebel in Bewegung, um die Republikaner bei der nächsten Präsidentenwahl zu schlagen. Der demokratische Führer Bryan wird al» Gegen kandidat Mc. Kinley s bei der nächsten Präsiden tenwahl die Währungsfrage in den Hinter grund treten lassen, um eine Wiedervereinigung aller Demokraten zu ermöglichen. In diesem Sinne hat sich auch der Demokratenkonvent von Java vernehmen lassen. Derselbe sprach sich gegen den Imperialismus, gegen Allianzen, sowie gegen die Trusts aus und erklärte die Silber frage für nebensächlich. Bryan selbst drückte sich sehr scharf gegen England und die Idee eines Bündnisses mit demselben aus. Er hofft wohl auf diese Weise Stimmen aus dem deutsch amerikanischen Lager zu gewinnen. Diedenhoken, 19. August. Der Kaiser traf um 9 Uhr 25 Minuten hier ein und fuhr unter dem Jubel der Bevölkerung mit dem Statt halter zur Stadt. Aus dem reichgeschmückten Marktplatze hielt Kreisdirektor Billier an den Kaiser eine Ansprache. Hierauf sprach der Bürger meister Namens der Stadt die Bitte aus, den FestungSrayon zu erweitern. Der Kaiser dankte für den freundlichen Empfang und bedauerte, daß er nur kurze Zeit bleiben könne. Die Rayon- Frage werde geprüft «erden. Alsdann wurde dem Kaiser ein Ehrentrunk angeboten, den der Kaiser annahm; darauf reichte der Kaiser dem Statthalter den Becher. Hierauf begab sich der Kaiser nach der Gentringer Höhr, wo rin Fort im Bau begriffe» ist. Auf dem ganzen Wege wurden dem Kaiser begeisterte Huldigungen dar gebracht. Cronberg, 19. August. Der Kaiser ist hier um 5^/, Uhr Nachmittag» eingetroffen und wurde auf dem Bahnhofe von der Kaiserin Friedrich, der Kronprinzessin von Griechenland und dem Prinzen und der Prinzessin Friedrich Karl von Hessen empfangen. Berlin. Auf besonderen Befehl de» Kaiser» ist jetzt sämmtlichen Musikern und Sängern der kaiserlichen Dacht „Hohenzollern", die im Herbste vergangenen Jahres bei der EinweihungSsrierlich- keit der Erlöserkirche zu Jerusalem zugegen waren, eine beglaubigte Copie der Urkunde über die Einweihung als Geschenk überreicht worden. Berlin. Der Bildhauer Walter Schott ist au» Anlaß der Enthüllung de» von ihm ge schaffenen Denkmals auf dem Schlachtfelde von St. Privat von dem Kaiser zum Professor er« nannt worden. Der Kaiser hat an Herr» v. Lambrecht- Benda, den ältesten Sohn de» verstorbenen langjährigen Reichstag»- und LandtagSabgeord- neten v. Benda, folgende» Beileidstelegramm ge richtet: WilhelmShöhe, Schloß. Die Nachricht von dem Dahinscheiden Ihre» theuren Bater» hat mich mit aufrichtiger Trauer erfüllt. Habe ich doch in dem Verewigten allezeit «inen treuen Patrioten, «inen edlen Menschen und einen lieben Freund verehrt. Wie der Entschlafene selbst, so werden die schönen Stunden, die ich in dem - trauten Rudow so oft verlebt, mir unvergeßlich sein. Indem ich Ihnen mein herzlichste» Beileid ausspreche, ersuche ich Sir, auch den Ihrigen, insbesondere Ihrer geehrten Frau Mutter meine innige Theilnahme zu übermitteln. Wilhelm 1.8. Dir Kaiserin wird einer leichten Unpäßlich keit de» Prinzen Joachim halber bi» zu« 21. Abend» in WilhelmShöhe verbleibe» und <nu 1