Volltext Seite (XML)
der ncnerbauten Kirche 2Ü00 Mark vom Fürsten Otto von Schönburg-Waldenburg überwiesen. Vermischtes. — (Ehrung Bismarcks). Bei dem Fest abends der von der Studentenschast zu Ehren Bismarcks im Theater zu Kissingen veranstaltet wurde, sprach Ernst Possart, oft von stürmischem Beifall unterbrochen, folgenden von ihm ver faßten Prolog: „WaS sagen Worte hier, waS Huldigungen, Hoch über allem königlichen Lohn — Und jedem Lobe schwacher Dichterzungen Steht Dein Verdienst — Du Schöpfer der Nation! Das Hohelied von dem, was Du errungen, WaS uns erhebend durch die Seele zieht, Vom Ahn zum Enkel bleibt's unauSgesungen, DaS Lied vom Dentschen Reich —das Bismarcklicd! Ein starker Stamm, der Nord und Süd umschlungen. Gesunden Bandes sich vereinigt sieht Und hentsichfühltvonSchaffenSkrastdurchdrungcn. Im Rath der Völker ein gewichtig Glied. Das ist Dein Werk! Ja, niehr daß uns beschieden Trotz mancher schweren Wetterwolke Droh'n Nach Kampf nnd Sieg ein 20jähr'ger Frieden Dein Werk! Du dcS Jahrhunderts größter Sohn! Und danken wollen wir Dir heut anfS Neue, Du starker Fels in Stürmen und Gefahr, Dich ehren unentwegt in alter Treue, So lang zur Sonne fliegt der dcnlsche Aar! — Kissingen, 14. August. Ueber die Theater-Vorstellung zu Ehren des Fürsten Bis marck in Kissingen theilen die „Münch. N. N." noch folgende Einzelheiten mit: Nach VerS 1, 2 und 4 des von Ernst Possart gedichtete» Pro loges waren minutenlange Unterbrechungen. Der Fürst erhob sich nnd dankte. Nach der Zeile „Dein Werk, Du des Jahrhunderts größter Sohn" — sank er in den Sessel zurück und bedeckte weinend das Gesicht mit der Hand. Als in „Königs Befehl", in welchem Possart den alten Fritz spielte, der cinarmigc Major Lindencck sagte: „Hurrah! Es lebe der König; ich gebe ihm meinen linken Arm auch noch" — übermannte ihn die Rührung so, daß er anfstand und das Theater verließ, von nicht enden wollenden Zu rufen begleitet. — Weshalb Fürst Bismarck 1884 den Orden pour lo mSiitv erhielt. Folgende historische RcminiSccnz bringt die „M. A. Ztg.": „Man hat damals die Frage aufgeworfen, ob Fürst Bismarck sich ein so speziell - militärisches Verdienst erworben habe, wie die in den wärmsten Worten abgefaßte KubinctSordre cS besagte, um den eigentlich nur für Auszeichnung auf dem Schlachtfclde bestimmten Orden zu erhalten. Dies ist allerdings der Fall gewesen, und zwar zuerst im Feldzuge von 1866, als im königlichen Hauptquartiere die Frage des Angriffs aus Wien und die Florisdorfer Linie» verhandelt wurde. ES hat damals, wiewohl auch Moltke in seiner in der „Allg. Ztg." veröffentlichten Schilderung der Schlacht von Königgrätz es entschieden in Abrede stellt, ein Kriegsrath statt gesunden, dienstlich allerdings „Generalvortrag" genannt, dem auch der Ministerpräsident beiwohnte. Die Generäle waren für den Angriff, zu welchem indes; noch schweres Geschütz aus Dresden und Magdeburg benöthigt wurde. BiSmarck erklärte, daß er angesichts der begonnenen französischen Einmischung nicht so lange mit den Verhand lungen warten könne, auch sei er nicht ohne Be denken, die so günstige militärische Lage den immerhin ungewissen Chancen einer neuen Schlacht vor den Thoren Wiens preiszugebcn. Als die Generäle aus ihrer Ansicht bestanden, wies Bis marck daraus hin, daß derselbe Zweck der un mittelbaren Bedrohung und Besetzung Wiens sich ungleich einfacher durch einen Links-Abmarsch und Ueberschreitung der Donau bei Preßburg erreichen lasse. Der König befahl die Karte und entschied, nachdem er sie einige Zeit prüfend über blickt hatte: „Bismarck hat Recht!" Der hoch selige Monarch hat im Jahre 1870 dem Grafen Stolberg in Versailles diesen Vorgang per sönlich erzählt mit dem Hinzufügen: „Bis marck ist ja kein geschulter Militär, aber er hat einen praktischen Blick für militärische Lagen". Auch in dem Generallieutenants-Patcnt des späteren Fürsten Bismarck soll jenes Vor ganges mit rühmender Anerkennung Erwähnung geschehen sein und die Verleihung dcS Ordens pour Io mbrito mit Eichenlaub am 1. September 1884 ist ausdrücklich unter Hinweis auf die wiederholten militärischen Verdienste des Kanzlers erfolgt." — (TheuerungSmedaille.) Bei den jetzigen hohen Kornpreisen mag auf die noch viel höheren hingewiesen sein, die man in der Provinz Sachsen während der TheuerungSjahre 1771 bis 1772 bezahlte. Zur Erinnerung daran wurde eine Denkmünze geprägt, deren Vorder seite eine auf einem Unterbau stehende Pyramide mit dem knrsächsischen Wappen zeigt und serner die Inschrift: „Sachsens Denkmahl 1771—1772" und die Umschrift: „Große Theuerung — Schlechte Nahrung." Auf der Rückseite sind folgende Lebcnsmittelpreise verzeichnet: „im Gebürge, galt, 1 Sch. Korn 13 Th., 1 Sch. Waitzen 14 Th., 1 Sch. Gerste 9 Th-, 1 Sch. Haber 6 Th., 1 Pfd. Butter 8 gr., 1 Psd. Brod 2 gr." Infolge dieser Theuerung brachen vielfach Krank heiten aus, z. B. in Halle a. S. eine Faul fieberseuche. — Die Branntwein-Erzeugung im ge summten Branntweinsteuergebiet ist in den zehn Monaten Oktober bis Juli des Betriebsjahres 1890/91 im Bergleich zum vorangegangenen Jahre von 3,089,000 auf 2,781,000 Hektoliter zurückgegangcn. — Sprotta», 12. August. Eine herbe Enttäuschung mußte gestern ein hiesiger Fleischer geselle erleben. Derselbe wurde beim Ersatz geschäft zur Kavallerie ausgehoben, bei der Gencralmnstcrung jedoch der Infanterie zugethcilt. Hierüber grämte sich der Geselle, welcher gern ein Roß tummeln wollte, gar sehr. Ein Freund rieth ihm, sich um Einstellung bei der Kavallerie an den Kaiser zu wende». Der Fleischer that dies auch; da die Antwort jedoch ein wenig lange ans sich warten ließ, sandte er noch ein zweites Schreiben ab, dem er zur Antwort 20 Pfennige in Briefmarken beifügte. Gestern traf nun die langersehnte Antwort ein, die freilich wenig im Sinne des Brisschreibers war, denn sie enthielt den Befehl, denselben mit 48 Stunde» Mittclarrcst zu bestrafe». Der Fleischergesclle hatte ganz vergessen, daß er schon im Militär verhältnis; stand nnd deshalb nicht besagt war, direkt an den obersten Kriegsherrn zu schreiben. — (Schon wieder ein Eisenbahn unglück.) Am Sonnabend Nachmittag 3 Uhr 54 Minuten entgleiste auf der Haltestelle Wcndisch-Drchua der von Berlin um 1 Uhr 45 Min. Nachmittags nach Dresden abgehende Personenzug, indem er auf ein todtes Gelcis in folge einer falschen Weichenstellung fuhr. Der Prellbock wurde umgcsahren, die Maschine fiel um, der darauffolgende Eilgut-, Gepäck- nnd Personenwagen sind beschädigt. Von den sechs in dem letzteren befindlichen Passagieren sind einem Kinde drei Finger gequetscht. Vou den Beamten hat sich nur der Lokomotivführer den Fuß verstaucht. DaS Geleise war bereits um 6 Uhr wieder frei gemacht. Der entgleiste Zug wurde durch eine Rcservcmaschiuc nach Dresden weitcrgefahren. Ob ein Verschulden eines Be amten vorliegt, wird die weitere resp. gerichtliche Untersuchung ergeben. — Essen. Der Staatsanwalt hat im Auf trage seiner vorgesetzten Behörde beim hiesigen Landgerichte oic Eröffnung der Voruntersuchung gegen Baare und Genossen beantragt. Als Untersuchungsrichter wird nicht Amtsrichter Neukamp in Bochum, sondern ein Mitglied des Essener Richterkollegiums fungiren. — Posen, 15. August. Im Dorfe Slupp erkrankte eine aus neun Personen, im Dorse Zngorzcw eine aus sieben Personen bestehende Familie nach dem Genuß giftiger Pilze. In Slupp sind bereits drei, in Zugorzew zwei Per sonen gestorben. — Die von der Deutschen LandwirthschastS- Gesellschast veranstaltete Prüfung von Binde mähern, also garbenbindenden Mähmaschinen, ist in Falkenrehde bei Potsdam im Weizen- und Haserfcldc beendet worden. Den Maschinen war eine schwierige Aufgabe gestellt. Die Felder waren zwar eben und hatten ziemlich festen Boden, das Getreide war auch nicht allzu lang, wohl aber war eS gelagert nnd der Hafer mit Serradella stark durchwachsen. Dazu kam die Ungunst der Witterung, welche ein vollkommen trockenes Mähen auSschloß. Unter diesen Ver hältnissen ist es als ein Triumpf der Industrie anzusehcn, daß mit Ausnahme einiger Maschinen, die der Aufgabe in dem stark durchwachsenen und gelagerten Hafer nicht ganz genügten, alle Bindemäher im Allgemeinen gut schnitten und banden. Für die sieben arbeitenden Maschinen standen den Richtern nur zwei Preise und ein Zuschlagspreis zur Verfügung. Den ersten Preis erhielt die vou Claus Dreyer iu Bremen in Be werbung gestellte Maschine „Osbornc", zugleich den ZufchlagSpreiö für gute Arbeit im Roggen felde, den zweiten die von Adolf Pieper in Mörs angemeldetc Maschine 1, gebaut von A. Harris Son L Co., Brantsord, Ontario. Außerdem wurde eine „Anerkennung" ausgesprochen für die Leistung der Maschine von Adriänce, Platt L Co., New-Nork und Hamburg. Für die nächstjährige Verwendung der Bindemäher wird diese sorg fältig auSgestthrte Prüfling, über welche die Deutsche Landwirthschaftö-Gesellschaft ausführ liche Berichte ausgebeu wird, von großer Be deutung fein. — Frankfurt a. M., 15. August. Dem Vorstande der Elektrotechnischen Ausstellung wurden heute an dem festgesetzten Termin seitens der allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft Berlin und der Maschinenfabrik Oerlikon die Maschinen, Transformatoren nnd Elektromotoren übergeben, welche zur Kraftübertragung vou Lausten nach Frankfurt erforderlich sind. Die nöthige Leitung ist von der Reichspostverwaltung und der württembergischen Telegraphen - Direktion im wesentlichen ebenfalls hergestcllt. Nächste Woche finden die vorgrschriebencn Messungen und An- nahmcversnche statt, sodaß voraussichtlich Ende nächster Woche der cndgiltige Betrieb beginnen kann. — München, 14. August. Die Arbeiten der Kabellegung für die Telephonleitung Hof- München nähern sich nunmehr ihrem Ende. Die I. Kolonne wird bereits am Montag, den 17. August, das Weichbild Münchens betreten, die II. nnd Hl. am nachfolgenden Tage. Am Freitag, den 2l. August, dürsten die Arbeiten der Kabellegung in München zu Ende gehen, wobei jedoch nicht ausgeschlossen bleibt, daß kleine Nacharbeiten noch einige weitere Tage in Anspruch nehmen könnten. — Regensburg, 13. August. Am ver gangenen Freitag Abends gcrieth der 19jährige Schlossergeselle Engelbert Kober in Stadtamhof mit seiner betagten Mutter — einer Schmiede- wittwe — in Streit und mißhandelte dieselbe ans die gröblichste Art, indem er sic mit den Stiefelabsätzen aus die Schläfe schlug und die infolge der Wucht der Schläge zu Boden stürzende alte Frau noch mit Füßen trat. Der Unhold wurde veryastct. Die Frau ist heute Morgen ihren Verletzungen erlegen. — Stuttgart, 14. August. Professor Jäger, der bekannte Wollprophet, dessen Ruhe indessen in letzter Zeit durch die Kneipp'jchc Leinenklcidung zu schwinden beginnt, hat eine Tochter, welche kürzlich in den Stand der Ehe trat. Dem Prinzip des Vaters getreu, erschien die Braut bei der Trauung vollständig in Wolle gekleidet, sogar mit einem — wollene» Brautschleier! — Hildesheim, 12. August. Aus der Woh nung des Rittmeisters a. D. Borchers sind Werthpapiere im Betrage von 16,000 Mark ge stohlen worden. Der Diebstahl kann schon in den letzten Wochen ausgeführt sein. — Große Sensation erregt in dem Ham burger Vororte Eilbcck die Falliterklärung des Oberlehrers Wolters mit 300,000 Mark unter- bilanz. Derselbe hatte nach Art der Adele Spitz- eder Geld von früheren Schülern aufgenommen und damit an der Börse speknlirt. Der Staats anwalt ist eingeschritten. — Leer, 15. August. Der Dampfer „Therese Horn" aus Schleswig bohrte in der Nordsee die norwegische Bark „Andrea" in Grund. Die „Andrea" sank sofort; sechs Personen sind ertrunken. — Trier, 14. August. Bei der letzten Ausstellung des „heiligen" Rockes sollen einige Dutzend „Wunder" dadurch zu Stande gekommen sein, daß man Kranke die „heilige" Reliquie be rühren ließ. Auch dieses Jahr tragen sich viele Gläubige mit der Hoffnung, daß sie von unheil baren Gebrechen durch den „heiligen" Rock be freit werden könnten. Das bischöfliche General- Vikariat hat nut Bezug hierauf folgende Ver ordnung erlassen: „Die Zulassung vou Kranken zur Berührung des Nockes muß im bischöflichen Hofe persönlich erwirkt werden. Zuvor muß aber, mindestens acht Tage vor der Reise hier her, eine schriftliche Eingabe au den hochwürdigen Herrn Bischof gemacht werden, welcher ein Zeugniß deS OrtspfarrerS über die Führung und eines Arztes über den augenblicklichen Zustand des Kranken und die Art seines Leidens beilegen muß." — Vierhundert Kellner fuhren am 15. d. von Köln mit einem Exträzug zur Bedienung nach Trier aus Anlaß des dortigen Fremden zuflusses bei Ausstellung des heiligen Nockes. Die Kellner erhalten für die sechs Wochen ihres Aufenthaltes in Trier je 80 Mark und freie Station. Für die Zeit der Ausstellung sind in Trier 300 neue WirthschaftSkvnzessioneu erthcilt worden. — Der Trauring, das Symbol ehelichen Bundes, bildet auf den Berliner Auktionen verfallener Pfänder, welche von den Königlichen Leihämtern und den Privat-Leihämtern abgrhalten werden, den am häufigsten vorkommendrn Artikel.