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diese Wahl der Anfang unsere» Untergänge», wagen wir, so ist eS der unseres Heils." Aehn- lich spricht sich das „Sitzcle" auS: „Man ver meide nur künftig die Fehler, welche den Bou- langiSmuS grobgezogen haben. Alle Republikaner sollten sich gegen diesen Mann und für eine gründliche Umgestaltung der mangelhaften Ein richtungen verbinden." Das gemäßigt-republi kanische „Journal des Döbats" erinnert daran, daß es von Anfang an die Ausstellung der radi kalen Candidatur Jacques mißbilligt habe. Das Boulevardblatt „Figaro" warnt davor, die Be deutung des Zwischenfalls zu übertreiben, da so fortige Aenderungen keineswegs bcvorstünden. Der „Soleil" erklärt, daß das allgemeine Stimm recht die gegenwärtige Regierung verdammt habe. Der „Gaulios" sagt: „Die Republik ist nicht todt, aber Paris will neues Leben." Es ver steht sich von selbst, daß die im Solde Boulangers stehenden Blätter wahre Jubelhymncn anstimmcn. Am Rohesten äußert sich der Bonapartist Cassagnac, welcher behauptet, daß der Volkswille das par lamentarische Regiment in die Kloake zurückstoße, -aus der es hervorgegangen sei. Vor Allem beachtenswerth scheint die Stellung- uahme deS entschieden regierungsfreundlichen Blattes „Temps", welches sich gegen etwaige Ausnahmemaßregeln erklärt. Die unabhängigste Bevölkerung, welche es auf der Welt gebe, habe am Sonntag durch die Wahl Boulangers ein Urtheil ausgesprochen, gegen das man sich nicht auf lehnen dürfe. Jede Art von Wühlerei würde mur der Sache BoulangerS zu Gute kommen, während die meisten Wähler doch wohl nur ihre Stimmen gegen die unfähige und ohnmächtige Kammer abgegeben hätten. Das bisher für Ministeriell gehaltene Blatt empfiehlt, die Kammer solle sofort die Wiedereinführung der Arrondisse- mcntswahl beschließen, sodann den Staatshaus halt genehmigen und sich hierauf bis zum October vertagen. Bis zu der Vornahme der neue» Wahlen müsse man sich ausschließlich mit der Weltausstellung beschäftigen, die Verwaltung des Landes mit Klugheit führen und gleichzeitig auf Lie von Thiers befolgte Politik zurückkommen, um das Vertrauen des Volkes zu gewinnen. Ohne dieses Vertrauen werde weder eine liberale noch eine demokratische Regierung lebensfähig sein. Der „Temps" brachte dabei wahrscheinlich die Meinung Floqucts voll zum Ausdruck. In parlamentarischen Kreisen wurde es bereits Diens tag für unrichtig erklärt, daß der Ministerpräsi dent Floquet beabsichtige, in der Kammer einen Gesetzentwurf wegen Unterdrückung von bou- langistischen Wahlumtrieben kinzubringen oder daß er die Auflösung der Dcputirtenkammer Vor schlägen werde. Floquet wird vielmehr nur eine Borlage wegen Wiederherstellung der Arrondisse- mentswahl einbringen und wollte am Donners tag die allgemeine Politik des Cabinets darlegen. Gegen die geplante Auflösung der Kammer und die Ersetzung des jetzigen Listenwahl-Systems durch das System der Arrondissementswahlen -erklärten die Opportunisten erheblichen Widerstand leisten zu wollen. Viele Abgeordnete mißbilligen auch den von radikaler Seite verlangten Gesetz entwurf wegen Unterdrückung der Umtriebe zu Herbeiführung eines Plebiszits, dessen Folgen sehr weittragend sein würden. Nach diesem Ge setzentwürfe sollen gewisse Handlungen und Manöver, wie sie gegenwärtig Boulanger zur Last gelegt werden, dem Senate zur Aburtheilung überwiesen werden; die Strafbefugniß des Senats sollte sogar das Aussprechen der Strafe der Deportation in sich schließen. Es fehlt freilich auch nicht an Kammermit gliedern, welche in dieser Beziehung von der französichen Regierung ein entschlossenes und rücksichtsloses Vorgehen gegen den Boulangismus verlangen und jedes Zögern entschieden verur teilen. Mehrere republikanische Organe fordern .z. B. als eine der ersten von der Negierung zu ergreifenden Maßregeln die Auflösung der Patriotenliga DöronlödeS, welche sich ihrer An sicht nach in eine politische Verbindung zum Sturz der Republik umgewandelt hat. Der Präsident der Republik, Carnot, sprach verschiedenen politischen Persönlichkeiten gegenüber seine» festen Willen aus, seine Pflicht mit Entschiedenheit und .Kaltblütigkeit zu thun, jede ihm von der jetzigen Lage auferlegte Verantwortlichkeit auf sich nehmen und die ihm von der Verfassung übertragene Gewalt nicht vor der festgesetzten Zeit aus der Hand geben zu wollen. Der Conseilpräsident Floquet machte sein Verbleiben im Amte von Ler Willensäußerung der Kammern abhängig, sprach aber auch gleichzeitig den Wunsch aus, daß die Berathung der dazu Veranlassung gebenden Interpellation Jouvencel nicht vor Donnerstag »argenommen werden solle. Die Gruppe der vereinigten Linken wünschte, daß die Einbringung der Interpellation JouvencelS der Einbringung des Gesetzentwurfs betreffs Abstimmung über Arrondissementswahlen vorauSgehe. Für Donners tag war denn auch auf die TageS-Ordnung der Deputirtenkammer die Interpellation des Depn- tirten Jouvencel gestellt, welche über die von der Regierung zu ergreifenden Maßregeln, um den öffentlichen Gewalten Achtung zu verschaffen, Auskunft verlangt. Dabei dürfte es zu sehr heftigen Wortgefechten zwischen Floquet und Boulanger gekommen sein, der sein Erscheinen in der Kammer bei dieser Gelegenheit bereits an kündigte. Bis zum Donnerstag hoffte der Conseilpräsident eine Einigung der republikanischen Fractioncn über die angeregten VertheidigungS- maßregeln zu erzielen, die Floquet schon deshalb für unentbehrlich hält, als Boulanger sich überall als Candidat aufstellen zu lassen beabsichtigt, wo eine Nachwahl nöthig ist und somit daS Plebiszit fortsetzen will, das ihm bei seinem durch die Pariser Wahl wesentlich erhöhten Ansehen weitere Erfolge in Aussicht stellt. Die Gruppe der Rechten und die Boulangisten beschlossen, sich in Bezug auf die augenblickliche Lage jeder Initiative zu enthalten und das weitere Vorgehen der republikanischen Mehrheit abzuwarten. Die naheliegende Frage, wie Bou langer seinen Pariser Wahlsieg ausnutzen wird, kann erst dann eine richtige Beantwortung finden, wenn sich seine republikanischen Gegner über die Schritte klar sein werden, die sie nun unternehmen wollen. Bis jetzt herrscht darüber noch große Unklarheit, denn die Opportunisten scheinen Floquet nur unter der Bedingung unterstützen zu wollen, daß er einige ihrer Führer in das Ministerium beruft; die Radikalen möchten aber das Cabinet Floquet durch ein noch entschiedeneres Cabinet der Action gegen den Boulangismus ersetzen. Die äußerste Linke ist für die Wiedereinführung der Arrondissementsabstimmung. Viele dieser Partei sind für unverzügliche Vornahme der Wahlen und für den Cabinetswechsel. Daß die radikaleRichtung in der Person des GroßdestillateurS Jacques, welchen die revolutionären Bestrebungen des Pariser Gemeinderaths bei vielen Wählern unmöglich machten, eine entschiedene Niederlage erlitten hat, wollen die Radikalen nicht einsehen. Deutsches Ne ich. Ihre Majestäten der König und die Königin haben am Mittwoch die Kgl. Villa zu Strehlen verlassen und das Dresdner Residenzschloß be zogen. Die Nachricht von dem plötzlichen Hinicheidcn Se. K. K. Hoheit des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich hat am Königl. Hofe um so größere Trauer und Bestürzung hervorgerufen, als nahe verwandtschaftliche Beziehungen zwischen dem österreichischen und sächsischen Herrscherhause be stehen. Se. Majestät der König war von der Nachricht überaus betreten und wollte dieselbe erst glauben, als an der Thatsache des Ereig nisses leider nicht mehr zn zweifeln war. Selbst verständlich wurde der für Mittwoch Abend angesetzt gewesene große Hofball sofort abgesagt, ebenso wie auch die Reise nach Leipzig, welche bekanntlich am Donnerstag angetreten werden sollte. Auch für die nächste Zeit werden nun mehr alle Hoffestlichkeiten u. s. w. unterbleiben. Auf Allerhöchsten Befehl wird wegen des am Mittwoch erfolgten Ablebens Sr. Kaiser!, und Königl. Hoheit des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich am Königl. Hofe in Dresden eine Trauer aui die Dauer von zwei Wochen, vom 31. Januar bis mit 13. Februar, angelegt. Se. Königl. Hoheit Prinz Georg und Ihre Königl. Hoheit Prinzessin Mathilde, welche zum Besuche Ihrer K. und K. Hoheit der Frau Erz herzogin Maria Josefa in Brünn weilten, haben aus Anlaß des das österreichische Kaiserhaus betroffenen Verlustes ihren Aufenthalt abgekürzt und sind bereits am Donnerstag Abend 6 Uhr 51 Min. mit dem fahrplanmäßigen Schnellzuge wieder in Dresden eingetroffen. Bischofswerda, 1. Februar. Der hiesige Verein der „Herberge zur Heimath" war gestern Abend, als den 31. Januar, durch daS Amtsblatt zu einer außerordentlichen General versammlung recht zeitig in da» Schützenhaus eingeladen worden. Infolge dessen hatte» sich zu derselben 36 Mitglieder eingesunden, um über einen sehr wichtigen Gegenstand, den Ankauf oder Neubau eines Hauses für die Herberge zur Hei math, Beschluß zu fassen. Gegen halb 9 Uhr eröffnete der Vorsitzende Herr Pastor vr. Wetzel die Versammlung und legte in seiner Ansprache den anwesenden Mitgliedern die seit Jahren be sprochene Angelegenheit, den Ankaufi eines eigenen Hause- für aenannten Zweck, i» ausführlicher, klarer Weise dar. Der Umstand, daß hie ermie- theten Räume sich bald zu klein zeigten und sich auch daselbst nicht erweitern ließen, brachte schon seit Jahren unter vielen Mitgliedern den Wunsch hervor, nach einem eigenen Daheim zu streben. Doch Mangel an den nöthigen Mitteln war die Ursache, daß dieser Wunsch nicht zur Ausführ ung gelangte. Da nun allein im letzten Jahre 189 Fremde wegen Mangel an Raum in der Herberge zur Heimath kein Unterkommen finden konnten und zurückgewiesen werden mußten, so trat das Bedürfniß nach größeren Räumlichkeiten immer dringender hervor. Der Vorstand faßte daher mehrere Gebäude, welche verkäuflich waren, ins Auge, besichtigte dieselben, frug nach dem Kaufpreis, mußte sich aber immer wieder sagen, daß der Ankauf eines Hauses und der dabei nöthige Umbau desselben, für die Zwecke der Heimath mit großen Kosten verbunden sei. So wurde denn auch in der letzten Generalversammlung vom 12. December 1888 diese Angelegenheit be sprochen, der Bau oder Ankauf eines Hauses für nothwendig erachtet und sogar eine Bau deputation erwählt, welche diese Frage näher er örtern sollte. Auch zwei Mitglieder stellten, wenn es zu einem Neubau kommen sollte, unverzins liche Darlehne von ein- und dreitausend Mark auf 10 Jahre sofort zur Verfügung. Die De putation ging nun ernstlich an ihre Arbeit, be sichtigte mehrere Gebäude in der Stadt, entschloß sich aber einstimmig für einen Neubau. Bei der Wahl des Bauplatzes war man endlich auch zu der Ueberzeugung gelangt, daß sich hierzu am Besten der Wähner'sche Garten an der Bautzner Straße eigne und daher von der De putation für 1800 Mark angekauft worden war. Zugleich hatte dieselbe von hiesigen geprüften Baumeistern Baupläne und Kostenanschläge an fertigen lassen, welche heute zur Ansicht auslagen. Das Bedenken vieler Mitglieder, daß der Verein, da er juristische Person sei, solidarische Haft habe und daher jedes Mitglied bei etwaigen Verlusten mit seinem Vermögen haften müsse, widerlegte der Herr Vorsitzende damit, daß nach 8 6 der Statuten die Mitglieder außer dem Jahresbei trag von 50 Pfg. zu weiteren Geldzahlungen nicht veranlaßt werden könnten. Nachdem nun noch der Herr Vorsitzende mittheilte, welche Mittel der Verein zum Bau zur Verfügung habe und daß es nur noch eines verzinslichen Darlehus von 9000 Mark bedürfe, um den Neubau aus zuführen, wurde die Debatte eröffnet. In der selben sprachen sich mehrere Mitglieder für einen Neubau aus und zwar um so mehr, als Herr Stadtrath Kind nachwies, daß ein Neubau sogar billiger als der Ankauf eines Hauses sei; allein auch Herr Grohmann legte seine Gründe dar, welche ihn bestimmten, für den Ankauf eines Hauses mitten in der Stadt zu sprechen. Derselbe erwartet, wenn die Herberge zur Heimath in der Stadt sich be findet, einen größeren Geschäftsbetrieb, namentlich im Bier, eine nicht wegzuleugnende größere Be quemlichkeit der Reisenden und eine größere Be nutzung derselben von Seiten des hies. Publikums und da in der Kamenzer Straße jetzt ein Grund stück verkäuflich sei, welches sich auch nach seiner Ansicht ganz für die Zwecke der Heimath eigne, so sprach sich derselbe für den Ankauf dieses Grundstückes aus. Der Herr Vorsitzende suchte die namhaft gemachten Gründe zu widerlegen und wies namentlich darauf hin, daß ein Umbau eines älteren Hauses mit vielen Kosten verbunden sei, der vorgeschlagene Bauplatz ebenfalls eine treff liche Lage habe und das neu zu erbauende Grundstück gewiß auch größere Einnahmen als zeither erzielen werde. Auch Herr Ad. Täubrich legte seine Gründe dar, welche ihn veranlaßten, ebenfalls für Neubau zu stimmen und das Be denken, welches auftauchte, daß die Mitglieder, welche unverzinsliche Darlehne versprochen, durch außerordentliche Verhältnisse oder Todesfälle ge- nöthigt werden könnten, ihre Capitalien zeitiger als nach 10 Jahren zurückzuziehen, wurde durch den Herrn Vorsitzenden dadurch erledigt, daß derselbe erklärte, die betreffenden Herren würden dafür sorgen, daß dieser Fall nicht eintrete und sogar in ihrem Testament darüber Bestimmung treffe». Auf Wunsch der Versammlung wurden nun noch die Statuten vorgelesen, wodurch sich dieselbe überzeugte, daß nur allein 8 6 von den Beiträgen handle und nirgends von solidarischer Haft in denselben die Rede sei. Nachdem man sich nun über diesen Gegenstand in jeder Weise ausgesprochen, ging der Herr Vorsitzende zur Abstimmung über, die auf Beschluß der Versamm lung durch Acclamation geschehen sollte. Zuerst stellte derselbe die Frage: „Genehmigt die heutige Generalversammlung den Ankauf deS Wähner- scheie-GartenS für 1800 Mark?" Diese Frage