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Uhr auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin stattfinden. Der frühere KriegSmlnister Bronsart von Schellendorf ist -nm eommandirenden General des 1. Armeecorps an Stelle des General» von Kleist ernannt. Ma» erblickt hierin einen hohen Vertrauensbeweis des Kaisers. Ueber die letzten Stunden der Königin-Mutter von Baiern erfährt man folgende Einzelheiten: Bor der Messe sagte Ihre Majestät: „O, ich sterbe noch nicht, habt keine Anast!" während sie im Verlaufe derselben in Todesahnung mit großer Anstrengung sagte: „Vergebt mir, wie ich Euch vergebe!" Dabei reichte sie Graf Pappenheim die Hand. Nach kurzer Pause sagte Ihre Majestät, den „Münch. N.N." zufolge, mit leiser Stimme: „Gott segne Baiern, Gott segne Preußen!" Gräfin v. d. Mühle wollte noch fragen, ob die Sterbende noch einen Wunsch hege, allein diese drehte sich auf die rechte Seite. Eine barmher zige Schwester sah die Gefahr und hielt ein Ge fäß vor, weil Blut aus Mund und Nase hervor strömte. Aufseufzend siel die Königin wieder zurück und entschlief allmälig sanft, während die zweite Messe gelesen wurde. Die Umgebung kniete nieder und wartete betend die verhängniß- vollen Worte vr. Brands ab: „Ihre Majestät ist verschieden!" Schluchzen und Seufzen erfüllte das Gemach. Die Aufbahrung fand gegen 10 Uhr im Speisesaal statt. Etwas nach rechts geneigt, sitzt die Königin, die Hände um einen Rosenkranz gefaltet. Das weiße Nachtkleid ist von einer Smyrnadecke bis unter die Arme be deckt, der Kopf mit einem schwarz-weißen Häub chen. Auf der einen Seite, wohin der Kopf ge neigt, steht ein Betstuhl für den königlichen Hof, am Fußende ein solcher für die Geistlichkeit, links jener für das Gefolge und rechts der für die barmherzigen Schwestern. Am Kopfende erhebt sich aus Blumen und Pflanzen ein Kruzifix, von vier brennenden Kerzen umgeben. Zwei Gendar men halten stündlich abwechselnd die Ehrenwache — Bereits am Donnerstag wurde der Versuch gemacht, den geisteskranken König Otto von dem bevorstehenden Ableben der Königin-Mutter zu unterrichten. König Otto verblieb hierbei völlig theilnahmslos und zeigte, wie allerdings leider vorauszusehen war, kein Verständniß für die traurige Mittheilung. München, 20. Mai. Der Leichenbefund der Königin-Mutter ergab Krebs in der Unter leibshöhle und Magenwand mit verschiedenen Komplikationen und Wassersucht. Der Tod trat durch völlige Entkräftung ein. Der deutsche Reichstag fuhr am Sonn abend in der dritten Berathung des Alters- und Invaliditäts-Gesetzes fort. Auch der Reichskanzler Fürst Bismarck ergriff das Wort. Er leitete seine Rede in humoristischer Weise ein, indem er sagte, daß ihm neben der Leitung der auswärtigen Beziehungen und der inneren Politik in der Hauptsache auch die Aufgabe obliege, im Reichs tage Reden zu halten, von denen er ganz sicher sei, daß sie keine einzige Stimme in der defini tiven Abstimmung gewinnen werden. „Wenn ich auch," fuhr der Reichskanzler fort, „mit Engels zungen redete, die Herren wissen ja alle schon heute, wofür und wogegen sie stimmen wollen, und Alles, was hier an Beredtsamkeit ausgetauscht wird, selbst das, was an anscheinender Bitterkeit und Feindschaft ausgctauscht wird, ist doch für andere Gegenden berechnet und nicht für den Einfluß auf irgend Jemanden, der hier in diesem Saale stimmberechtigt ist. Es hat mich in keiner Weise überrascht, daß die socialdemokratische Partei gegen dieses Gesetz ist. Wenn eines der Mit glieder der freisinnigen Partei gesagt hat: daß wir die Socialdemokraten mit dieser Vorlage nicht gewinnen würden, das ginge aus deren Auftreten dagegen hervor, so möchte ich doch darauf erwidern, daß dieser Redner — ich glaube, es war der Abg. vr. Barth — zwei Dinge voll ständig verwechselt: das sind die socialdemokrati schen Führer und die sociäldemokratischen Massen." Der Canzler beleuchtete die feindselige Stellung der socialdemokratischen Führer und sagte: Bei Allem, was ihre Stärke zum Losschlagen, zur Erzeugung des Bürgerkrieges, zur Herstellung des Massentrittes der Arbeiterbataillone schädigen, hindern kann, thun sie natürlich nicht mit. Sie werden also auch jedem Entgegenkommen für die Leiden des gemeinen Mannes von Staatswegen entgegen sein. Denn das mindert die Unzufrieden heit, und diese brauchen sie. Ich habe mich auch nicht gewundert, daß die Freisinnigen Hegen da« Gesetz stimmen. Ich habe in einem Vierteljahr- Hundert und mehr von diesen Herren noch nie die Zustimmung zu irgend etwa« erfahren. (Leb hafter Widerspruch link».) Bor Jahr und Tay, die letzte Zustimmung zu der letzten Hand, die für da» laufend« Jahr bewilligten Budget« auf- «eist, hofft man, die Prüfung desselben bi« Mitte Juni vollenden zu könne«, so vaß dann bald darauf der SessionSschluß erfolgen könnte. So wohl die Monarchisten, wie die Intransigenten weiden aber alle» Mögliche aufbieten, um die Erledigung de» Budget« zu verzögern und sich nicht scheuen, den während der Weltausstellung verheißenen Waffenstillstand zu brechen. Der außerordentlich zahlreiche Besuch der Ausstellung übertrifft alle Erwartungen und tröstet die Re gierungsfreunde über die gesellschaftlichen Erfolge, welche Boulanger jetzt in den vornehmen Kreisen Englands erzielt. Obgleich verschiedene englische Blätter anfangs den entscheidenden Sieg des deutschen ReichScommissarS Wißmann über den arabischen Rebellenführer Buschin als ein für die Cultur erfreuliches Ereigniß darstellten, wurde dieser Zwischenfall dennoch am Donnerstag im euglischen Unterhause von der Opposition zum Gegenstand einer keineswegs deutschfreundlichen Interpellation gemacht. Der Unterstaatssecretär Fergusson er klärte dabei, daß der englischen Regierung von einem neuen Angriff Wißmanns gegen Buschiri nichts bekannt sei, daß ferner der stellvertretende englische Generalconsul kein Recht habe, sich irgendwie einzumischen, es sei denn, daß er von den unter britischem Schutz stehenden ostafrika- nischen Eingeborenen dazu aufgefordert werde. An dem Erfolg der nur zu Conversions- zwccken bestimmten neuen russischen Anleihe von über 300 Millionen Goldrubeln wird bei der jetzt in Rußland herrschenden friedlichen Stimmung nicht gezweifelt. Im schroffsten Gegen satz zu den zuversichtlichen Aeußerungen der Petersburger Presse stehen die Berichte englischer Blätter über die angebliche Entdeckung neuerer nihilistischer Attentatsversuche. Am russischen Hofe erwartet man die baldige Ankunft des Schahs von Persien, der am Mittwoch Nach mittag in Tiflis anlangte, dort feierlich empfangen wurde und im kaiserlichen Palais abstieg. Am Tage darauf traf der Schah in Wladikawkas ein, wo seiner ebenfalls ein festlicher Empfang harrte. Ueber die diesjährige Sommermeerfahrt des Kaisers sind jetzt schon sehr verschiedene Nach richten verbreitet. Es heißt gerüchtweise, der Kaiser wolle mit dem Besuch von England auch einen solchen der Regentin von Spanien ver binden und nach der Rückkehr aus dem Atlantischen Meere sollte dann in Kiel der Besuch des Kaisers von Rußland erfolgen. Berlin. Der Kaiser hat sich Sonnabend Abend nach Braunschweig begeben, wo er auf das Enthusiastischste ausgenommen wurde. Die Stadt war glänzend illuminirt und der Kaiser machte noch spät eine Umfahrt. Berlin, 20. Mai. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht den Wortlaut des Toastes, womit der Kaiser bei der gestrigen Galatafcl in Braun schweig daS Hoch des Prinzregenten auf den Kaiser erwiderte, darin heißt es: „Ich hoffe, daß mir von Gott vergönnt sein möge, das geeinte deutsche Vaterland in Frieden und Ruhe auf denjenigen Weg zu führen, den mein Herr Großvater uns vorgezeichnet und auf welchem das Braunschweigische Land so freudig den anderen vorangegangen ist. In einem Artikel über den Empfang der Bergarbeiter und Arbeitgeber seitens Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm sagt das „Wiener Fremden blatt", das Eingreifen des Kaifers und die poli tische Seite der ganzen großen Angelegenheit werde vor Allem denkwürdig bleiben. Zum ersten Male seit langer Zeit sei es geschehen, daß ein so großer Streik ohne Theilnahme, ja unter aus drücklicher Zurückweisung der Socialdemokraten vor sich gegangen sei. Die Bergleute hätten sich nicht an Bebel oder Liebknecht, sondern an den Kaiser gewandt, der nicht weniger Fürst der Armen als der Reichen sei. Der König von Preußen und deutsche Kaiser lasse sich nicht ein schließen in die flache Formel eines Königs, der herrscht, aber nicht regiert. Er stehe mitten im Leben, er empfange seine Impulse und gebe Im pulse. Sein arbeitsvolles Leben mache ihn zum obersten Vermittler und wahren Entscheider. Die Ankunft des Königs von Italien in Berlin wird nach den neuesten Bestimmungen heute Dienstag Vormittag 10 Uhr auf dem Anhalter Bahnhof erfolgt sein. Die Hauptstadt de« Deutschen Reiches prangt in glänzendem Schmuck, den hohen Freund des Schirmherrn der Nation, König Humbert von Italien zu empfangen. Die 'große Parade zu Ehren de» König» "von Italien wird am 22. Mai Vormittag« 8»/, an «nsere Wehrverfaffung ob sie da aus Liebe zum Reich und «WlWkr- ung ihrer Avnchgung gegen meine PeHMrgrstimmt haben, oder au» FractwMoHlaae . . .'. (Abg. Richter ruft: Mui!) MWßer geht auf die M« Sette des Hause» vor). Erlauben Sie mir; daß ich ganz offen spreche. Wer mtt zuruft: Pfui! ven nenne H unverschämt. WWm- mung rechts.) Sie mögen die Wahrheit picht hören, aber ich taffe mich nicht von Ihnen 'm- suliiren, dann insultire ich wieder. Ich betrachte diesen Rus al« einen allgemeinen Ausdruck de« Haffe«, dessen Gegenstand ich seit Jahren hier an Vieser Stelle von Seiten der Herren, di« dort sitzen, gewesen bin. (Sehr richtig.) Als Christ kann ich da« verzeihen, aber al« Canzler, solange ich hier stehe, kämpfe ich dagegen und lasse mir dergleichen nicht sagen, ohne darauf zu reagiren. Können Sie trotz Ihrer deutschfreisinnigen Zu stimmung zur Wehrvorlage irgend etwas an führen, irgend eine organische Bestimmung, von der Reichsverfassung angefangen bis zu der heu tigen Vorlage, bei der die freisinnige Partei, die frühere Fortschrittspartei der Regierung irgend wie entgegengekommen wäre und das Bestreben gezeigt hätte, sich zu fragen: „Ist diese Sache zum Nutzen des Reiches oder nicht?" Sie hat sich vielleicht gefragt, aber wie sie in ihrem In nern die Frage beantwortet hat, für welche Seite sie sich entscheiden solle, das überlasse ich dem Urtheile der Geschichte. Daß die Herren Welsen gegen das Gesetz sind, das geht aus anderen Gründen hervor, wie die Opposition der Fort schrittspartei. Die Fortschrittspartei — ich sage im Grunde nicht, daß sie das Reich schädigt, aber sie will das Reich nicht mit dieser Verfassung — würde noch weit weniger Opposition vertragen wie ich. Auch von conservativer Seite wird gegen das Gesetz eine Opposition geübt, die ich mit der Aufgabe der conservativen Partei nicht verträglich finde. Ich möchte jedem Conservativen, der hier gegen das Gesetz auftritt, mit dem Spruch des Dichters antworten: „Es thut mir lang schon weh, daß ich Dich in der Gesellschaft seh'." Es liegt ja sehr nahe, daß Hyperconser- vative sich, wenn sie zornig werden, im politischen Effect von den Socialdcmokraten nur mäßig unterscheiden. (Heiterkeit.) Ich bin betrübt ge wesen, aus einem conservativen Munde in unseren Gegnern das Zeugniß geliefert zu sehen, daß in dergleichen Sachen die Gutsinteressen, die localen, die persönlichen Interessen in erster Linie maß gebend sind, von den großen Reichsinteressen, von den nationalen, den christlichen aber gar nicht mehr die Rede ist. Das, meine Herren, ist kein conservatives Gebühren, und wer sich auf diese Seite der Kirchthurmspolitik, des Localpatriotis mus, des Provinzialpatriotismus, stellt, der, glaube ich, erfüllt die Aufgaben, die ein Mandat eines Reichstagsabgeordneten an ihn stellt, doch nur partiell, mit viel Schatten und wenig Licht." Sodann widerlegte der Canzler die Ausführungen des Abg. Holtz und verlangte das Gesetz in erster Linie als Quittung für die Bereitwilligkeit der Regierung, das im ganzen Reiche und im ganzen Lande gebilligte Programm der kaiserl. Botschaft auszuführen. Fürst Bismarck sagte ferner: „Ich spreche heute aus purer Angst (Bravo! rechts), ich könnte unter den bei allen künftigen Wahlen in einer nachtheiligen Situation befindlichen Leuten gefunden werden, die dies Gesetz abgelehnt haben. Ich möchte nicht, daß dieses Gesetz bei den Wahlen offen bleibe. Außerdem habe ich noch andere Gründe und ich möchte noch hier zu den Äußerungen des Herrn Holtz bemerken, daß, wenn später diese Bestimmungen auf die Wittwen und Waisen ausgedehnt werden sollen, wir doch erst mit dem weniger kostspieligen Beschluß einen Versuch machen müssen, wie sich das Ganze ge staltet. Ich habe lange genug in Frankreich ge lebt, um zu wissen, daß die Anhänglichkeit der meisten Franzosen an die Regierung wesentlich damit in Verbindung steht, daß die Franzosen Rentenempfänger vom Staate sind (Sehr richtig!), in kleinen, oft sehr kleinen Beträgen. Wenn wir 700,000 kleine Rentner, die vom Reiche ihre Renten beziehen, haben, so halte ich Has für einen außerordentlichen Vortheil. Ich glaube, daß, wenn Sic uns diese Wohlthat von mehr als einer halben Million kleiner Rentner im Reiche schaffen können, Sie auch den gemeine» Mann daS Reich als eine wohlthätige Institution anzüsehen lehren werden. Deshalb möchte ich die Sache nicht gern vom westpreußischen Stand punkte aus betrachten, sondern vom allgemein politischen. Ich richte an die conservativePartei al» ihr alter Herr, al» ihr ftüher^ MitHued die Bitte — jetzt gehöre ich ja keiner Partei an — in dieser Sache nicht apWMM Ksil Ich möchte die ConftVMW