Volltext Seite (XML)
Freitag, 1. November 1940 Sächsische Volkszeitung Nummer 257, Seite 9 Lop>k«,M d» Karl Köhtei « Ls* tvertin-tvchniaigenbvrs. lNachdruck verbeten.) Erstes Kapitel. Der einsame Reltsr aus der staubigen Landstrabe sah aben teuerlich genug aus. Die Äuana, den ärmellosen Umhang, trug er in malerischen Aalten über den Schultern Zamorras, lange, lederne Ueberhosen schützten ihn gegen überraschenden Tropen regen wie gegen Tierfchweltz. Als wollte er sein Gesicht ver hüllen, trug er den breitrandigen Sombrero ties in die Stirn gedrückt. Und doch befand sich kaum ein lebendes Wesen in seiner Nähe. Vereinzelte Inbos oder Neger, ble das Vieh betreuten ober neben den schwer beladenen Maultieren schweigsam her schritten. .... , .. . Der Weg wechselte. Jetzt verfolgte der Reiter einen schmalen Pfad, der in den Bambuswald elnbog. In anmutiger Neigung bewegten die schlanken Bäume sich im Hauch eines sanften Win des. Wirbel stössiges Gold stürzten durch das Gezweig und ver- goldetrn den Boden. Dann ging es wieder über lockeres Stein- geräll, und der gewohnte Paßgang des Tieres durchschüttelte Waller tüchtig. Unendlich fern tauchte in einer Lichtung der Schneekolotz aus, die silberne Silhouette des über künstausrndsechshunbert Meter hoben erloschenen Feuerberges Huila. Traumhaft schön und In vollkommener Klarheit standen die eigenartigen Zacken wie ein Hauch gegen die tiefe Bläue des Himmels. Mit hartem Ruck verhielt Waller den Gaul, starr blickte er, ohne bas wundervolle Bild zu sehen, ins Leere. Ein Ueberlegen kam ln seine Züge. Wollte er umkehren? „Nein!" Ganz laut sagte er es, als gebe er sich selbst einen Befehl. Nun gab er dem Gaul den Kopf frei und stieb ihm die Sporen heftig in die Wei chen, daß er sich ausbäumend fast überschlug, um im nächsten Augenblick wie der Blitz vorwärts zu sagen. Ein paarmal machte er kurz halt, beschattete die Augen mit der Hand gegen das blendende Licht und hielt suchend Umschau Endlich gewahrte er bas gesuchte Ziel. Inmitten weiter Potrerov (Weiden) lag weitzglänzenb die FInea Busius, von mächtigen Eeibas (Kapolbäumen) umschattet. Beim Näherkommen ver rieten eine wohltuende Ordnung, sorgsam gepflegte Wege, schnur gerade angelegte Beete ble Hand eines sachverständigen Besitzers Blitzsauber sah das weißgetünchte Gebäude aus, vor dessen grün gestrichenen Fenstern Drahtgitter Schuh vor den lästigen Mos mos boten. Um bas hölzerne Gitterwerk der Veranda rankte» sich in anmutiger Fülle lmmerblühende Bellissimo. Ein Indlodlener empfing den Reiter, der mit schneller Be- wegung aus dem Sattel glitt. ,M kein Herr zu Hause?" „Der Herr erwartet Mister", kauderwelschte der Braune. Wie einer, der den Weg kennt, schritt der Fremde ins Haus Sein Gang war langsam, als schleppe er eine unsichtbare Last. Das gebräunte Gesicht erschien — unter der Haut — fahl, die Züge düster verzerrt. Eine Tür öffnete sich. Blitzschnell veränderten sich die Züge dieses Gesichtes, bekamen einen verbindlichen Ausdruck. Ein liebenswürdiges Lächesn umspielte den unschönen Mund. Seine Gestalt straffte sich. Mit ruhiger Sicherheit betrat er den -eindrucksvollen Raum, bas Arbeitszimmer de» Hausherrn Gegen hell getönte Wände hoben sich die schlichten Linien der wenigen, wuchtigen Möbel aus Guayacan (Eisenholz) kräftig ab. Die Einrichtung pabte zu dem Mann, der sich beim Eintritt des Besuchers schwer und massig hinter dem Schreibtisch erhob Hochaufgerichtet begrüßte er den Eintretenden ohne jegliche Ver bindlichkeit, streifte ihn mit einem kurzen prüfenden Blick und sagte kühl: „Was führt Sie zu mir?" Bär! dachte der andere, von dieser unumwundenen Art, aui ein Ziel lvszuakh«n,'ün<Menehm^derührt. Sein- Miene verriei nichts von, solchen Gedanken. Statt einer Antwort streckte er dem RiefeN etne schmale, wvhlgepsleate Hand entgegen, die in der mächtigen Franke be« anderen verschwand. „Ich freue mich. Sie so wohl anzutresfen, Herr Brusius", versicherte er lebhaft. „Danke." In Brusius starken Zügen zuckte ein kaum merk barer Spott, als er mit knapper Bewegung den Gast zum Sitzen ausforderte und ihm drei Zigarrenkisten zur Wahl zuschob. Scheinbar uninteressiert sah Brusius, wie Wallers, des Be suchers Hand, fahrig von einer Kiste zur andern grisf, um endlich, gedankenlos, eine Zigarre zu nehmen. Ihm entging das Zittern dieser langen, schmalen Hand ebensowenig, wie das wahllose, end liche Zugreifen, besten Grund ihm klar war: Der Mann will Zeit gewinnen. „Rauchen Sie neuerdings auch die verpönten schwarzen Gift- stengel, meine Leibmarke? Ich dachte, Ihr Herz...?" „In der Tat. Verzeihen Sie. Ich habe mich vergriffen", bemerkte Wallner seht seinen Irrtum, sah die schwarze Brasil in seiner Hand kopfschüttelnd an. „Darf ich?" Er legie sie in die Kiste zurück und nahm eine leichte Havanna, die er umständlich an zündete. Brusius drängte nicht. Der ihm gegenüber würde noch früh genug den Zweck feines Besuches erwähnen. Ruhig blies er den Rauch seiner Brasil in die Lust und beobachtete unauffällig sein Gegenüber. Waller rauchte gegen seine Gewohnheit hastig, ln unregel- mätzigen Zügen, mit abwesenden Gedanken beschäftigt. Zwischen- durch tupfte er mit dem eleganten Seidentuch nervös das Gesicht: „Ein heißer Ritt..." „I", Brusius schien zu keiner nichtigen Unterhaltung geneigt. Der Riese sitzt da wie eine Eteinsigurl Und raucht das Gist- kraut, als sei es eine Zigarette, fluchte Waller innerlich. Und mich dehanbelt er, als sei ich Lust. Wenn man sich nur dagegen wehren könnte! grübelte er. Brusius mutzte unauffällig geklingelt haben. Der Indio er schien und erhielt den Auftrag, Kaffee und eisgekühlten Verde, den grünen Schnaps, zu bringen. Bald daraus stand beides vor ihnen. Der Indio gotz ein, dann verschwand er geräuschlos auf einen kaum merkbaren Wink von Brusius. „Vorzüglich, der Verde." Waller schlürfte den Schnaps und begann ein hastiges Lob über den Vorzug eisgekühlter Getränke in den Tropen. Brusius trank schweigsam. Endlich unterbrach er den Redestrom: „Sie haben meine Frage von vorhin überhört. Was führt Eie heute zu mir, Waller? Der Angeredete stutzte. Etwas im Ton dieser Stimme warnte ihn. Keineswegs schien der Riese in guter Stimmung, und es wäre töricht, das zu übersehen. Doch Netz Waller sich nicht aus der Fassung bringen, sondern ging daran, sein Anliegen vorzu bringen. Immerhin, ein dumpfes Gefühl bedrückte ihn, als er mit etwas erzwungenem Gleichmut sagte: „Verzeihung, Herr Brusius. Sie haben recht und lieben den geraden Weg. Es handelt sich um eine fatale Angelegenheit. Ich bin in grötzter Verlegenheit und erbitte mir Ihre Hille." „Sie wollen wieder Geld?" Brusius Stirn furchte sich, fast berührten die mächtigen Brauen sich. „In." „Haben Sie wieder gespielt?" In Waller kochte der Zorn. Sein Hochmut begehrte gegen einen derartigen Ton auf. Was ging es dem Kolotz an, ob er spielte oder nicht spielte. Autzrrdem... Ein Räuspern warnte ihn vor nutzlosen Erwägungen. Er beherrschte seinen Zorn so schnell, wie er ihm ausgestiegen war. Ein leichtes, verlegenes Bedauern lag in seinen Zügen. Seine Stimme bebte: „Leider auch bas." Bei dem Geständnis senkte er reuig den Kops und betrachtete die tadellos manikürten Fingernägel. „Es war ein unglücklicher Zufall. Ein paar Kunden spielten das landesübliche „Tresilo". Sie kennen die Leidenschaft, mit der es betrieben wird. Unmöglich konnte ich mich ausschlietzen. Ich hatte überdies das Gefühl, datz ich gewinnen würde.. „Und verloren?" beendete Brusius den angefangenen Satz «ehr schrott. „Allerdings, ich mutzte aushören, weil mir der weitere Einsatz lehlte." „Und um mir das zu sagen, kommen Sie her? Hätten sich den Weg ersparen können", grollte Brusius. „Ihre Spielgeschich ten Interessieren mich nicht. Ich denke, das wissen Sie vom letztenmal her, als ich Ihnen aus der Verlegenheit half." Brusius wiederholte die Worte des anderen. ,Ia..." Tine Pause entstand. Noch immer klebte das Lächeln aus Wallers Zügen, aber seine Stimme klang tonlos, als er sortsuhr: „Wie dürste ich das je vergessen. Würde ich sonst wieder zu Ihnen kommen und den Mut haben, Ihre Güte aber- mals in Anspruch zu nehmen?" „Güte. In Anspruch nehmen..., lasten Sie die lächerlichen Phrasen. Ich hasse lo etwas. Wieviel brauchen Sie?" . Brusius trommelte hart und ungeduldig aus die Tischplatte. Währenddem überlegte Waller geschwind. Warum sollte er nicht eine höhere Summe nennen, als er brauchte? Wenn der Kolotz Eile mit dem Herausrücken hatte. Schaden konnte es keinesfalls, und herabmmbern lieb sich immer noch. Nur nicht zu bescheiden sein! Jener nahm es nicht vom Nöligen, erwog er. Nun?" drängte Brusius. . Dreitausend Dollar." Er sagte es sehr bestimmt und er schrak selbst über die Höhe der Summe. Sein scheuer Blick glitt von der Seite her zu Brusius und fuhr zurück, so surchtbar schien ihm die Verachtung in diesen Zügen. „Dreitausend Dollar, stimmt das?" ,Za." „Wie ist das möglich?" „Es handelt sich um geschäftliche Gelder, Herr Brusius. Inkassos. Wir verlausen seit der letzten Krise meist in fremde Währung. Ja..., und..., die Sache ist die", satzte er einen schnellen Entschlutz. „Tin Kunde aus Pereira hatte mir zu zahlen versprochen. Es handelt« sich um einen etwas höheren Betrag, mit dem ich bestimmt rechnete, und nun machte der Mann Pleite." „So..., und Sie spielen?" Brusius zwang Waller, ihn an- zusehen. Eine Sekunde hielt jener den Blick stand, dann geriet er ins Stottern, verlor den Faden und brach ab. Unruhig irrten leine Augen im Raum umher, nach einem Halt suchend. „Eie lügen." Mesterschars schnitt Brusius' Stimme in die Stille. „Herr...!" Waller fuhr von seinem Platz hoch. Unwill kürlich ballten sich seine Fäuste. Er sah surchtbar aus, bereit, sich auf den anderen zu stürzen, wie eine gereizte Wildkatze. Brusius sah ihn reglos — ohne Furcht an. Langsam und schwer befahl er: ,Setzen Sie sich, jetzt verlange ich die volle Wahrheit." Verdammt! Eine fliegende Erregung bebte in Waller. Was bedeutete das? Er verspürte die Macht eines eisernen Willens aber seinem, an dem der seine zerbrach. Was weih Brusius? Von wem? durchfuhr cs ihn. Un willkürlich gehorchte er und setzte sich. Irgendwie zufrieden wieder Li sitzen, denn die Knie schienen unter ihm einzuknicken. Sein Lästeln erlosch. Auf dem sahlgraucn Gesicht stand die feige Ängst. „Warum diele Scheingründe? Soll ich Ihnen die Wahr heit sagen, Herr?'/ sagte die harte Stimme eiskalt und verächtlich. „Herr Brusius...", keine Spur von Hochmut liang in diesem Ton. „Ich will Ihnen alles sagen, die volle Wahrheit, nur helfen Eie mir, bitte, dieses eine Mal noch. Sic sind Deutscher... und ... und... ich arbeite für einen Deutschen ..." „Es ist nicht das erstemal, datz ich Ihnen helfen soll Ent sinnen Sie sich dessen, Mann? Dort liegt der Beweis", er zeigte auf den Geldschrank. „Damals habe ich Ihnen um das An sehen Ihres Namens willen geholfen. Aber glauben Sie nicht, ich arbeite hart und unentwegt, um Ihr grotzspuriges Leben zu bezahlen. Ihre Schulden. Ihre Spielsucht. Ihre Meiberge- fchichten. Ich denke nicht daran. Damals versprachen Sie mir, ein neues Leben anzufangen..." „Ich habe hart gearbeitet..." ,Ich weitz bas. Um so erbärmlicher ist es, wenn ein Mann mit Ihren Fähigkeiten seine Kräfte vergeudet wie sein Geld. Und nun kommen Sie und sagen ganz einfach: Helsen Sic mir... Be greifen Sie die Niedrigkeit Ihrer Denkweise überhaupt nicht? Be sitzen Sie keine Scham? Es ist traurig, wenn ein Mensch in Not um einen Centavos bettelt, Menschen, die hungern, wie viele in diesem Land«. Sie aber betteln aleick um drcilaulend Dollar." 'Forneszana wial.i Der Astronom und das Weinfaß Johann Kepler, der große Astronom, hat es In seinem Le ben sehr schwer gehabt, er mutzte sich mühselig durchschlagen, aber er achtete des Leibes Bedürfnisse gering um seiner Ster nensehnsucht willen. Dabei war er ein heiteres Schwabcngemüt. einem fröhlichen Lebensgenutz nicht abgeneigt und auch für den .Wein nicht unempfänglich. Als er schließlich als Lehrer an der Landschaftsschul« In Linz gelandet war und sich in etwas behag licheren Verhältnissen befand, da faßte er den grohen Entschluß, sicheln ganzes Fatz Wein in den Keller zu legen, um stets einen guten Trunk zur Hand zu haben. Das umfängliche Fatz rollte heran, und der große Gelehrte betrachtete cs mit wohlgefälliger Aufmerksamkeit. Da aber wurde sein mathematischer Sinn von ber Tonnenform gefesselt, rechnerische Formen traten vor sein geistiges Auge, und er begann im Anblick des Falles eifrig Be rechnungen anzustellcn. So iveilte er immer wieder und lange Zelt vor seinem Faß, und das Ergebnis war schließlich eine lateinifck geschriebene mathematische Untersuchung über den Rauminhalt der Weinfässer, die mich deutsch unter dein Titel „Rechnung der hohlen wrfässer und Weinfässer" erschien. Bon ber Berechnung der Tonnenform des Falles kam er darin zu den Unidrehungsgedilden überhaupt und zeigte bereits ein hohes Verständnis kiir das unendlich Kleine, so datz er zu den ersten Begründern dieser Rechnunasart aeräblt wird. All.' diese bedeutungsvollen Folgen hatten die Anschaffung des Meinfas- fes durch Keoler, nur die für jeden andern nächstliegende batte sie nickt — über der Betracktung und Berecknung seines Wein fastes vergaß der große Gelehrte, es auszutrinken! Augentgleisungen schnell beseitigt Auf dem Mailänder Hauptbahnhos wunde ein Apparat mit gutem Erfolg erprobt, der es gestattet, Eisenbahnwagen und besonders Lokomotiven, die entgleist sind, schnell wieder auf die Gleise zu heben. Bisher war es bet den schweren Ge wichten immer ein mühevoller und langsamer Prozeß,, mit dem von dem Hauptinspektar Marcelli konstruierten Apparat gelingt es dagegen, die Störung mit wenig Mann und in kurzer Zeit zu beseitigen. Man hatte eine schwere Lokomotive künstlich zur Entgleisung gebracht und mit Anwendung des Apparates, der mit hndraulischen Winden arbeitet, war es möglich, in genau fünf Minuten die Lokomotive aus die Schienen zurückzu bringen Der letzte Wunsch des alten Tänzers Der heiße Wunsch eines altem Tänzers, der Tod möchte ihn überraschen, während er gerade seinen Lieblingswalzer „An der schönen blauen Donau" tanzte, ist nahezu in Erfüllung ge gangen. Mneent Bradley Johnson, eine sehr bekannte Persön lichkeit In allen Vergnügungsstätten von Pasadena, war bereits 70 Jahre alt geworden, aber er war immer noch der unermüd liche Tänzer, und alle genossen das Schauspiel seiner über raschenden Beweglichkeit und der tadellosen Eleganz seiner Be wegungen. Er gab den alten Tänzen den Vorzug, wenn er auch gelegentlich zeigte, datz er auch in einem „Rumba" oder einem andern höchst modernen Tanz seinen Mann stellen konnte. Das Höchste aber für ihn war der Walzer „An der schönen blauen Donau", und wenn das Schicksal ihm seinen Wunsch, bei die sem Tanze zu sterben, nicht voll erfüllt hat, so ist er jetzt dock) während des Tanzes an einem Herzschlag verschieden, und zwar auch bei einem der geliebten alten Tänze, einer Mazurka. Dsr Llefantenpflug Während bei den Landarbeiten im allgemeinen die Ma- chinen die Tiere verdrängt haben, hat es Matthew Ferguson n Camden in Süd-Karolina vorgezogen, einen prächtigen indi- chen Elefanten statt eines Traktors zu nehme». Er hatte sich nach Fort Londcrdoele begeben, um einen Motorpflug zu kau fen. aber als er nach Cpmden zurückkehrte, sahen sein« Mitbür ger mit Erstaunen, daß er Alex, «inen gelehrigen Dickhäuter, den er im Zoologischen Garten gekauft hatte, mitbrachte Ale; soll nun seine ausgedehnten Felder pflügen, und Feranlnn be hauptet, daß er bei weitem besser arbeitet als eme Malchine. Eine Schwierigkeit ist jedoch dabei: sic geht von den Nackcharn aus, die sehr wenig davon entzückt sind, einen Elefanten in der Nähe ihrer Wohnhäuser zu haben, und die daher flammende Proteste beim Bürgermeister eingelegt haben. Lin Verleumder bestraft sich selbst Vor dem Gericht in Istanbul mutzte ein gewisser Ali Fa- har erscheinen, weil er wegen Aierlernndung verklagt war. Vor der Gerichtssitzung kam er jedoch zu dem Verleumdeten und übergab ihm eine kleine Sckmchtel, in der dieser zu seinem Ent setzen eine menschliche Zunge fand — der reuige Verleumder halte sie sich selbst abgrschnittcn, um sie seinem Opfer als Sühne zu überbringen Auge um Ein drollige kleine Szene spielte sich kürzlich in einem Turiner Kasscehaus ab Sitzen da an einem Ecktisch auf dem Plttschsofa um die Mittagszeit zwei Herren, der eine eifrig beschäftigt, während er von Zeit zu Zeit an seinem Glas Wer mut nippt, einen langen Brief zu schreiben, der andere im strahlend neuen grauen Anzug augenscheinlich etwas nervös, da er sichtlich jemand erwartet. Der Briefschreiber ist völlig vertieft in seine Aufgabe, taucht immer wieder die Feder in das groß« Tintcnfatz vor ihm, das bis an den Rand gefüllt ist und sucht nach den passendsten Worten, während die Um welt für ihn nicht vorhanden zu sein scheint. Plötzlich fühlt er, wie der Herr in Grau Ihn leicht am Arm berührt. „Wür den Sie mir bitt« den Halter geben?" sagt der Herr und zeigt auf «inen Halter mit Zeitungen, der neben dem andern auf dem Sofa liegt. „Sehr gern," sagt der Briefschreiber, der ganz in den Wolken schwebt, nimmt das Tintenfaß und seht es vor seinen Nachbarn hin. „Aber nein! Ich bat doch um die Zet- tungl" sagt der andere etwas ungeduldig. Und nun entschul digt sich der Briefschreiber, will schnell sein Versehen wieder aut machen, greift hastig nach dem Zeitungshalter und schiebt ihn dem Herrn zu, aber so ungeschickt, daß er das Tintenfaß von der Tischplatte fegt und sich «in dicker schwarzer Strom auf die schönen grauen Hosen neben ihm ergietzt. „Zum Teufel, was haben Sie denn im Kopf, Ei« Schwachkopf?" schreit der Herr in Grau wütend. „Sehen Sie her: dies« Hosen habe ich heut« -um ersten Male an! Gleich wird jemand kommen, vor dem ich mich wegen Ihres Schwachsinns nun so zeigen muß!" „Aber, aber!" sagt der andere völlig ruhig, „regen Sie sich doch nicht so auf! Ich weitz schon, was sich gehört, und werde Ihnen den Schaden ersetzen, den ich doch ohne Absicht gemacht Habel Statt so zu schreien, geben Sie mir Ihre Anschrift, und ich ga rantiere Ihnen, in einem Tage werden Sie den Schaden ersetzt habenl" „Wieso in.einem Tage?" antwortet der Begossene, immer noch außer sich. „Ich kenne Sie ja nicht, und ich weiß Auge. . . nicht, , ob ich Ihnen trauen kann. Meine Hosen kosten 200 Lire, und ich bestehe darauf, datz Sie sie mir auf der Stelle bezahlen!" Ohne ein« Miene zu verziehen, nimmt der Angegriffene seine Brieftasche und legt zwei Hundertltresckieine vor den an dern hin, der sie «instcckt und sich nun anschickt, fortzugehen. „Entschuldigen Eie," sagt nun der erste höflich und hält ihn fest, „aber jetzt gehören die Hosen mir, nachdem ich sie Ihnen bezahlt l)abc. Haben Sie die Güte, sie mir zu geben." „Na türlich," erwidert der andere etwas gereizt. „Sic werden Sie In einer Stunde haben." „Aber nicht doch! Warum soll ich denn mehr Vertrauen aus Ste haben? Ich kenne Sic doch auch nicht! Ich verlange, datz Sie mtr die Hosen augenblick lich geben!" Inzwischen sind die Gäste des Kaffeehauses aus die Szene aufmerksam geworden, und es hat sich eine Gruppe von Neu gierigen um die Streitenden gebildet. Der Fall wird eifrig er örtert, allen lachen, geben aber dem zerstreuten Herrn recht, der das Unheil angerlchtet hat, und erklären mit schlecht ver hehlter Schadenfreude, datz der Herr in Grau tun müsse, was von ihm verlangt werde. Man hätte sich gern noch lange herumgestritten, aber der Besitzer des Lokals, dem dle Szene zu aufgeregt zu werden schien, l-atte einen Hüter des Gesetzes von der Straße hercinholen lassen, und dieser hörte sich die Sache an, glaubte aber, sie nicht selbst entscheiden zu können, und lud die beiden Streitenden ein, ihn zum Polizcibüro zu begleiten. Hier entschied der Kommissar den Fall, indem er darauf hinwies, daß mit einem guten Fleckwasser der ganze Schaden behoben werden könnte und daß der Herr tn Grau nach erfolgter Reinigung eine Rechnung darüber vorlegen sollte. „Aber, Herr Kommissar," schloß der andere lachend, „ich schwöre Ihne», daß ich mehr als LOO Lire bezahlt haben würde, um den Anblick zu genießen, wie der Herr in Unterhosen hätte abziehen müssen!^