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Die indische Frage Indien ist eines der bedeutendsten Länder der Ende. Schon dem Altertum galt es als Wunderland, reich an Gold und Edel steinen, kostbaren Hölzern und Gewürzen, märcl-enhasten Pa lästen und Tempeln. Vielleicht lag dort das biblische Goldland Ophtr. Die weitverbreiteten Darstellungen von dem Märchen land Indien sind freilich übertrieben, tatsächlich aber ist Indien eines der Hauptgllcder des Britisches Weltreiches. Der Raum Indien gleicht einer Festung von genraltlgem Ausmasse. Durch einen unüberschreitbaren Wassergraben mit wenigen zur Schisfahrt geeigneten Küstenstrichen ist es im Westen, Osten und Süden — durch den Himaialza, das höchste Gebirge der Erde, doppelt so hoch und doppelt so lang wie die Alpen, ist es im Norden vor jedem Ueberfall geschützt. Jenseits des ragen den Gebirgsmalls liegen zum GrotztaLt weit« Strecken wert loser Länder mit unermetzlichen Wüsten, Steppen und Gebir gen. Eine Welt für sich konnte sich so entwickeln. Nutzer dem Zugang zur See, der infolge starker Brandung und ungeglie derter Flachküsten wenige günstige Anlegeplätze bletet, besitzt Indien nur zwei Zugänge von der Landseite her: einen schwie rigen Im Nordosten, durch den einst die mongolischen Äölker- gruppcn nach Bengalen kamen; einen kaum weniger beschwer« llä)en im Nordwesten, durch den die iranischen Eroberer — die Arier — Ihren Weg nach Indien nahmen. Dem mehr als 4)4 Millionen Quadratkilometer sd. l- mehr als zehnmal so grotz wie Schweden!) umfassenden, eine Bevölkerung von rund 350 Millionen sfast ein Fünftel aller lebenden Menschen) zählenden Britisch-Indien sehlt der gemein same geopolitische Mittelpunkt. Das große Land zerfällt schon von Natur in mehrere Kulturgebicte mit eigenen Mittelpunk ten — so Hlndostan und Bengalen. Eine gewisse Einheitlichkeit des Landes wird aber, abgesehen von der gemeinsamen Iso lierung, durch das Indische Klima geschaffen, — die charak teristische Dreiteilung der indischen Jahreszeiten: Die trocken kühle Winterzrit (November bis Februar), die trocken-heiße Zeit lMärz bis Juni), die feucht-heiße Zeit (Juni bis Oktober). Dieses Klima beherrscht ganz Indien. Sein Einsluh aus Leben und Wirtschaft darf nicht unterschätzt werden, denn er erklärt manches. Bedenken wir, daß die Minimaltemperaturen der heißen Zeit für die menschliche Arbeitskraft entscheidend sind und daß bei einer Iahrcsdurchschnittstemperatur von tl) Grad Celsius Wärme — der Durchschnittstemveratur aller Kraftzentren der Welt fBerlin, Paris, London, Newqork, To kio) — die höchsten menschlichen Leistungen erzielt werden. Bei 27 Grad Wärme aber wie in Indien, ist dauernde Arbeits leistung kaum möglich. Norbert Krebs, einer der besten deutschen Kenner der Geographie Vorderindiens und Eeylons, schreibt in seinem gründlichen und reichhaltigen Buche ..Vorder indien und Ceylon"') besonders ausführlich das Klima Indiens, das man bei der geopolitischen Beurteilung meist zuwenig be rücksichtigt. Die Glutwinde im Inneren und die feuchte Luft In den Flußniederungen schassen säst unerträgliche Bedingungen. Die letzten Wochen vor dein Sommer-Monsun sind menen der Be wölkung und Windstille fast erdrückend. Ter Monsun legt Handel und Wandel größtenteils still, viele Wege werden un gangbar. die Brücken halten den Fluten kaum stand, das Eisen verrostet in den Häusern, Lederzeng und Bücher überziehen sich mit Schimmel. Salz ivtrd zu Klumven. unzählige Insekten. Schlangen und Skorpione ziehen sich in die Häuser. Das Som merklima macht weichlich Dürren, Hungersnöte, Evidemien haben bis vor wenigen Jahrzehnten Millionen von Menschen hinwegacrafst. Die Ernährung der großen Bevölkerung ist nur in den Inhren günstigster Witterung gesichert. — Mittelernten führen bereits zu größten Schwierigkeiten. Tie Bevölkerung Ist daher zum überwiegenden Teil unterernährt. „Eine Volks dichte von 300 bis 500 je Quadratkilometer bedeutet selbst in Indien mit seinen leichten Lcbcnsbedinannaen und dem niedri gen Lebensstandard ein kaum noch zu überbietendes Ausmaß." (Krebs.) Indien ist ein Land üppige» Wachstums und rascher Fäulnis, des dauernde» Wechsels von Regenzeit und Dürre. Di« Bevölkerung. Indiens Bevölkerung ist In Ihrer rassischen, religiösen, sprachlichen und kulturellen Zusammensetzung erstaunlich man nigfaltig Die sog. Indischen Nolksstämme weisen bunte R a s s e z u s a m m e n s e tz u n g e n auf. Neben den Urbevöl kerungen, meist primitiven Völkern, finden wir z. B. indide Schichten. Dravida-Nölker, Mongolen. Mundnvölker und Indo arische Stämme Die strengen, uns beinahe unbegreisliciien Kastcnordnungrn der Inder sind ihrem Ursprünge nach Ver suche. Ralsemlschungcn zu verhindern. — Das Eindringen ari scher Völkerschaften war für Indien von größter Bedeutung. Arier waren es welche die führenden Religionen, die sozialen Formen, die geistige Haltung Indiens schufen. — Sprachlich ist das Land nicht minder buntscheckig. 1931 wurden dort SM Sprachen und Hunderte von Mundarten gezählt. Etwa 30 Sprachen gibt es von denen jede mehr als 1 Millian Menschen verbindet. Wir nennen nur die wichtigsten: die arischen Spra chen Maratbi s2> Millionen). Mestl. Hindi (71,5 Mill). Biliar« (28 Mill) Bengali (54 Mill): die Dravidischen Sprachen Ta mil (20 3 Mill), Tclegu (27 Mill): dir Tibet -Birmanischen (13 Mill). Viele Inder sind zweisprachig. Als Mittelsprache dienen Englisch und Westl. Hindi. — Die H a u p t r e l i g I o n e n sind der Hinduismus nud der Mohammedanismus (Islam). Der echte Buddhismus, mehr eine Philosophie als Religion, zählt nur eine halbe Million Anhänger. Der Hinduismus mit fast 240 Mill. Bekennern ist die eigentliche indische Volksreligion. Die 6 Mill. Christen. 110 000 Parsen (Anhänger Zarathustras), die etwa 25 Millionen Anhänger der primitiven Religionen fallen dem gegenüber kaum zahlenmäßig Ins Gewicht. Die 77 Millionen Mohammedaner Indiens bilden drei Zehntel aller Muslim. Wenn auch der Islam auf indischem Boden unter dem Elnsluß des Hinduismus viel von seiner Stoßkraft verloren hat, — beispielsweise zur Kastengliederung ttbergegangen ist. — so hat er doch in Indien eine viel größere Bedeutung, als man dem Iahlenverhältnts nach erwarten sollte. Durch feine innere Ge schlossenheit. klare Dogmatik und Sittenlehre, durch die Bin dung an eine religiöse Filhrerpersönlichkeit (den Propheten) und ein allen Gläubigen grundlegend wichtiges Buch (den Ko ran) ist der Islam dem vielgestaltigen, teilweise verworrenen Hinduismus überlegen. — Der Gegensatz zwischen Hinduismus und Mohammedanismus ist der größte Gegensatz, der sich in nerhalb der indischen Bevölkerung findet. — größer als alle rassifchen, sprachlichen und kulturellen Gegensätze. «Irischast. Das warme Klima ermöglicht doppelte und dreifache Ernten im Laufe des Jahres. Aber die Ueberbevölkerung, der durchschnittliche Zwergbesttz, die Zerstückelung der Felder in unzählige Parzellen, die Rücksichtslosigkeit der Zwischenhändler, die Armut und Verschuldung der Bevölkerung, die religiösen und sozialen Vorurteile') lähmen den wirtschaftlichen Aufstieg. Mehr als die Hälste aller Dorfbewohner sind verschuldet, die einfachsten Lcbensbedingungen ost gröblich vernachlässigt. Die «) 381 S. Sb,— Mk., Stuttgart ISSN, Engelhorn Spemann. — Dieses ungemein wertvoll« Buch Ist heute für sede Behandlung der indischen Frage grundlegend und unentbehrlich, da es die geo graphischen Voraussetzungen der Indischen Frage onszeigt. Das eigent liche politisch« Problem Indien» wird allerding» in diesem umsang- reichen Werk« nur gestreift. Da» Buch Ist eine wissenlchastlich« Leistung ersten Ranges, stellt aber deshalb auch Hohr Ansorderungen an den Leser und setzt Kenntnisse voraus. Höhe der bäuerlichen Verschuldung wird auf 0 Milliarden Gold mark geschätzt. Unter den sür die Ausfuhr bestimmten Handelspflanzcn sind besonders zu nennen: Oelsaaten, Erd- und Kokosnüsse, Jute, Baumwolle. Gewürze, Tee und Kaffee. „In der Jute hat Indien eine Monopolstellung, in der Baumwolle behauptet es den zweiten Platz auf der Erde. Rund 10 Mill. Hektar sind ihr eingeräumt" (Krebs). Britisch-Indien ist der Tee garten der Welt, London ist dadurch der Teemarkt sür fast alle Völker geworden, — bis zu 200 Millionen Kilogramm Tee werden in Indien erzeugt. — Indien ist heute das wichtigste Industrieland der Tropen. Die ausnutzbaren Kohlen vorräte werden aus 20 Milliarden Tonnen geschätzt. Fast ein Viertel der Bergleute sind Frauen, die bei der Kohlenverladung schwere Arbeit seiften müssen; auch Kinderarbeit wird in An spruch genommen. Tschota-Nagpur und SUd-Bihar sind die wichtigsten Glimmerproduzenten der Welt. Ceylon und Süd indien sind reich an Graphit. Auch Bauxit steht reichlich zur Alumlniumgewinnung zur Verfügung. Hochwertige Eisencrz- und Manganerzlager sind vorhanden. Indien unter englischer Herrschast. Die bisherige politische Geschichte Indiens ist reich bewegt gewesen. Man kann sic in drei Hauptabschnitte gliedern: 1. Die Zeit von der arisch m Einwanderung (etwa zweite Hälfte des 2. Jahrtausend v. Ehr.) bis zum politischen Nieder gang der Hinduzeit (um 1200 n. Chr.); 2. die mohammedanisä)« Herrschaft (van 1206 n. Chr., Gründung des Sultanats von Delhi bis 17. Jahrhundert); 3. die Zeit vom Eindringen der europäischen Eroberer (Portugiesen, Holländer, Franzosen, Bri ten) von Vasco da Goma (1498) bis zur Vollendung der bri tischen Herrschaft. Begründer der britischen Herrschaft war Clive, der 1757 den Nabob von Bengalen besiegte. Warren Hastings war der erste Gouverneur Indiens, lieber ein Jahrhundert britischer Geschichte und Weltpolitik steht, wie Oncken sagt, im Dienste der „Sicherheit Indiens". Die Seewege nach Indien sind, ebenso wie der indische Ozean, noch in Großbritanniens Hand. Die Herrschaft im Lande stützt sich zum Gutteil auf die Er gebenheit der in mancher Weise bevorzugten Mohammedaner, deren Gegensatz gegen die Hindus die britische Politik stets als wichtigen Faktor ihres Schachspieles eingesetzt hat. Die Briten selbst sind in Bevölkerung. Armee. Verwaltung so gering ver treten. daß Lord Curzon sagen konnte: „Die Engländer sind nur ein Kitzchen Schaum auf dem unergründlich tiefen Ozean der indischen Bevölkerung". Nun hängt freilich das Verhalten der Mohammedaner auch ab von den Ereignissen in anderen islamitischen Ländern (z. B. Arabien, Palästina). Die Herr schaft Großbritanniens beruht, abgesehen von der Macht des Militärs und des Kapitals, auf einem raffinierten System des Lavierens — zu gut Deutsch: Des Eiertanzes, Hinschlängclns, Hinhaltens, Zeitgewinnens — und der Intrigen — zu gut Deutsch: des schlauen Ausspielens der Gegensätze, der Kniffe, Schliche, krummen Wege, Maulwurssarbeiten, Quertreibereien, des Luges und Truges. — Großbritannien schützt die uner meßlichen Reichtümer der rund 560 einheimischen Fürsten von Englands Gnaden, von denen 170 größere Territorien besitzen und von denen die Fürsten von Haidarabad, Maisur, Baroda sogar ansehnlich große Länder regieren. Jeder Fürst hat einen cnaliscken Residenten, der dem Vizeköniq regelmäßig zu „bc- richt-m" hat zur „Beratung". Die Erziehung und Vorschulung der Fürsten steht zudem ganz unter britischem Einfluß. Durch -) Kre l> s bietet dnsür zwei besonders bezeichnende Beispiele. Do Hochzcitsseiern dem Stande der Klosse oder Koste entsprechen müssen, kann die Verheiratung einer Tochter den Besitz sür Genera tionen in Schulden bringen, die bei den hohen Zinssätzen l24 bis 30 Prozent) zu danernder Zinsknechlschast führen. Der Kastenzwang ober nerwekrl. sich noch einem anderen Erwerb nmzusehen. — Aber gläubisch rebgiöle Vorurteile erlauben cs nicht, sich schädlicher Tiere, welche die Fluren plündern, oder auch nur des Ungeziefers zu ent ledigen. Alte und kranke Haustiere dürfe» nicht geschlachtet werden, so daß dos Vieh — ost der einzige Reichtum der Familie — die Vorräte nuszehrt. ohne Milch und Arbeit zu geben. Der Viehbestand ist grotz, aber nnndelwertig. Nach der Zeit der Zwölften oder Ranchnächte. in der die Sonn« nach Volksglauben stillstehl, um sich für ihre wieder be ginnende Bahn neue Kräste zu sammeln, wird die Machtentsal- tung des Tagcsgestirns und des wiedergedorenen Lichtes In einer Fülle von Volksbräuchen gefeiert, welclze die Ueberwin- dung der lebensseindlichcn Mächte des Winters sinnditdlich dar stellen sollen. Die Zeit dieser Brauchhandlungen liegt bald früher bald si-älcr, je nach Landschaft (Westdeutschland — Süd deutschland) oder bäuerlici-er Arbeiten. Ost beginnen sie schon zur Zeit der Wintersonnenwende oder an Lichtmeß, erreichen ihren Höhepunkt an Fastnacht oder Lätare und ziehen sich bis in die Maizeit und Pfingsten hinaus. Kern aller dieser Bräuche ist der Kamps des Frühlings oder des Sommers gegen die winter lichen Mächte mit all dem Dunklen. Erstarrten, Veralteten, Bösen, was sie im Gefolge hatten. Letzten Endes handelt es sich in diesem Brauchtum um die Wiederbelebung des Vegetations dämons. einer in der Menschenatnr liegenden Ahnung von einem Geheimnis des Sterbens und Auserstehens, das sich in den anti ken Mystcrienrelioionen immer neue Ausdruckssormen geschlis sen hat. So wurde zu Ehren des einheimisch» Gottes Sandan zu Tarsus in Cilicien beim jährlichen Scheiterhausenfest das Götterbild in prunkvollem Aufzug durch die Stadt gefahren und dann verbrannt, worauf in einer folgenden wüsten Lebensfeier die Auferstehung des Gottes begangen wurde. Unseren Vorfahren waren diese Frühlingsseiern und Früh- lingvbräuche fast immer vom Abwehr-, Eriveckungs- und Frucht- barkeitszauber, von Tanz und Schmausereien, Vermummungen, Umzügen und Sci-abernack aller Art begleitet, allgemeine Volks feiern nnd wertvoll wegen ihres Gehaltes an Hoffnung, Mah nung und Warnung. Bel diesen Frühlingselnzugsseicrn traf nämlich neben der Verurteilung des Winters und seiner Beglei ter auch die Menschen: zänkische Weiber, ewig Unzufrieden«, ganze Stände, Berufe und Behörden manches derbe Wort des Tadels, ebenso manche Sitten, Einrichtungen, die der Volksseele als „winterlich", veraltet und erneuerungvdedürftig galten. Es entsprachen diese Bräuche ganz der Geisteshaltung unserer Vor fahren. die aus der Einstellung ihrer Kampfesfreudigkeit auch in dem Ringen der Sonne mit dem Winter einen wirklichen Kamps erblickten. Die alten Eisriesen des germanischen Mythus kämpf ten schon in giganUschm Ringen mit den lichten Äsen, die unter Führung des die Sonne personifizierenden Batdur ihre Eisscste zu erstürmen suchten, wobei die Eiodämonen gewaltige Eisblöcke und Schncelmvinen gegen ihre Feinde schleuderten. Der Kamps entschied sich aber immer mit einem Siege der Lichtqestalt. Das Konkretlslerungsbedürsnis des Volkes und seine Un fähigkeit abstrakten Denkens vergegenwärtigte sich diesen Kampf in greifbarer Form. So winden Winter und Sommer als vermummte Personen dargestcllt, die einen Kanws miteinander aufführten, oder es wurde eine Strohpuppe als Winter ver- kleidet herumqetragrn. im Wasser erfüllst, begrah» oder ver brannt und dabei gesungen: seine Organe übt Großbritannien die tatsächliche Oberhoheit über die Fürstentümer aus, — so konnte es beispielsweise dem Herrscher von Alwar „nahelegcn", sich außer Landes zu be geben. Von den 353 Millionen Indern wohnen übrigens nur 81 Mill., also kaum ein Drittel, in den Fürstentümern; alle übrigen, in den — auch wirtschaftlich unvergleich besser gestell ten — britischen Provinzen. Die indische Frage. Die britisch-indischen Spannungen haben sich seit dein Weltkriege und ganz besonders leit dem gegenwärtigen Kriege außerordentlich verschärft. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, stehen wir vor dem Entscheidungskampfe des indischen Natio nalismus gegen den britischen Imperialismus. Die britische Geschichte ist voll von Gewalttaten'), die in einer unersätt lichen Gier nach Reichtümern ihre Wurzel haben und ebenso reich an Beispielen von unerwünschter Einmischung in fremde Angelegenheiten Die wirtschaftliche Not der Inder ist durch die britischen Kolonisalionsmetboden nur gesteigert worden. In den Händen einiger hundert Engländer und einzelner Groß britannien getreu ergebener Inder liegen die gesamten Tee-, Jute-, Baumwoll-, Indigo-, Kohlen- und Eisenindustrien des Landes. Im Weltkriege sind 106 491 indische Soldaten zur größeren Ehre Großbritanniens gefallen oder verwundet — für ein Inselreich, das mehr als 10 000 Kilometer von Indien ent fernt ist! Die versprochene Freiheit in Gestalt einer Erhebung zum Dominion blieb aus — Vertagung ist ein Eckstein bri« ttscher Politik. — Verschärfung der Unterdrückungen nnd Er höhung der Steuern traten ein. Der indische Nationalismus, dessen Führer Mahathma Gandhi nnd Pandit Iawanarlal Nehru zu den bedeutend sten Persönlichkeiten der Gegenwart zählen steht seit 1919 im dauernden Kampfe mit Großbritannien. Gandhi mar es, der mit dem programmatischen Schlagwort der Non-Cooperation (Nicht-Zusammenarbeit) die Massen für den passiven Wider stand, Boykott britischer Waren, Bruch des Salzmonovols und dergleichen gewonnen hatte. Freilich gelang die Verstnndiaunq der Hindus mit den Mohammedanern nur teilweise. Großbri tannien lenkte ein wenig ein. Es fanden einige Round-Table- Konferenzen (Rundtisch-Konferenzen) in London statt, so die voni 7. September bis 1. Dezember 1931 unter Teilnahme Gandhis. Zu einer Elnlgnno kam cs indessen nickt. Das „Indische Weißbuch" non 1933 war nur ein Kompromißvor- scksag, ebenso die 1935 vom Unterhanse angenommene Ver- sassungsreform für Indien. Ans dem Be,bondlnnosweae Ist nicht viel erreicht worden. Am 24. November 1939 erklärte fick der Nationalkongreß für Gandhis Non-Cooperation mit den britischen Behörden in ganz Indien, falls Großbritannien dem indischen Volke die ge forderte Freiheit, die neue Verfassung und eine eigene Re gierung vorenthaste. Eine Besprech»»» zwischen dem britischen Vizekönig Lord Linlithgow und Gandhi Anfang Februar 1910 wurde von Gandhi als zweckkos abgebrochen Indien will sein Schicksal selbst entscheiden. Es ist zum Endkampf bereit. Dr. Abdur Rauf Malik sagte ani 26. Januar 1910 anläßlich einer Feier des Indischen Stndentcnvereins in Berlin: .Unter der Gewaltherrschaft der fremden Herrscher hat Indien in der Vergangenheit viel gelitten, und in dem langen Kampfe sür seine nationale Freiheit hat es nn'.ählige Opfer gebracht. In dien ist auch weiterhin bereit, Opfer zu bringen bis es den endgültigen Sieg errungen und den Feind zurückgeschlaaen hat, denn nur dann kann Indien seine große Mission der Genwlt- sosigkeit und des Friedens In der Welt erfüllen." Diese Worte sind Millionen von Indern aus den Herzen gesprochen. D«r bewußt national gesinnte Inder weiß, daß Im gegenwärtigen Kriege zwischen Deutschland nnd Großbritannien auch über das Schicksal feines Landes die Entscheidung köll». ') Wir erinnern an die brutalen Erekulionen von Peshawar (1857). die z. B Lord Roberts In einem Briese vom 11. Juni 1857 beschreibt. Wir zitieren wörtlich einige Stellen: „Die Todesart. die den meisten Eindruck zu machen scheint. Ist die, vor die Mündung einer Kanone gebunden und weggcschosten zu werden. Es ist »in ziemlich grausiger Anblick, aber in dielen Zeiten können wir nicht empsindsam sein." — Mrs. Eoopland beschreibt In „A ladn's elcave srom Gwalior" »ine solche Exekution: „Eine Kanone war überladen, und der arme Wicht wurde buchstäblich in Atome zerrissen, während die Zuschauer mit Blut- und Fleisckstiicken bedeckt wurden. Der Kops eines dieser Verurteilten siel aus einen Zuschauer und verwundet« ihn.» „Nun treiben wir den Tod aus. Den alten Weibern in das Haus, Den Reich» in den Kastcn, Heut ist Mittfasten " Auch in ritterlicher Form des Zweikampfes wurde der Streit zwischen Winter und Frühling ausgctragcn, oder im Pro« zeßspiel mit Verlesung eines Sündenregisters Verurteilung und Hinrichtung aufgeführt. Literarische Formen von Streitgesprä chen bei diesen Anlässen sind nns noch erhallen Wie am Fun- kcnsonntaq am ersten Fastensonntng wurden auch bei diesem Brauch von Burschen nnd Mädchen Stroh, Reisig und Holz ge sammelt und unter Absingen von Heischeliedcrn Fencr abge brannt. um rings die Saaten nnd Felder zu srnchl'narein Leben zu wecken. Am häufigsten geschah dieses Winteraustreiben, auch Tod austragen genannt, am Sonntag Lätare, an dem Tage an dem die Kirche die Trauer der Fastenzeit unterbricht, daher dieser Sonntag auch mancherorts Totensonntag genannt wird Schon Sebastian Franck erzählt in seinem „Weltbuch" (Tübingen 1533) von diesem Brauch: „An diesem Tag (Lätare) hat man auch an etlichen Orten «in spil, daß die bueben an langen ruotten brcz- len hcrumbtragen in der staüt und ziven angethane mann, einer in syngrün oder epheu, der heißt der summer. der ander mit gemuoß angelegt, der heißt der Winter: dise streiten mit einan der, da siqt der summer ob und erschient den winter, darnach gehet man darauf zum wem." H«ute hat sich der Brauch des Winteraustreibens in vielen Gegenden Deutschlands, der Schweiz und Tirol erhallen So werden in Zürich am Nachmittag des ersten Montags nach der Frühlingsgteichc von den Zünften Umzüge durch die Stadt ge halten, auf freiem Platz unter allgemeiner Volksbelustigung und Musik «ine Figur verbrannt als Verkörperung des Winters. Punkt sechs Uhr, beim Sächscläuten. Zum vollständigen Winteraustreiben gehört das Sommer- einhoicn oder Eomm«rsingen. bei dem der Sommer als ein mit bunten Bändern. Kuchen, Brezeln, blumcngcschmiickies Bäum chen herumgetragcn wird, während die Kinder singen: „Den Tod haben wir hinansgetricben, Den Sommer bringen wir wieder. Des Sommers und der 'Mairn, Des wollen wir uns Irenen. Sommerland. Sommerland! Der Tod hat sich von dir gewandt, Er Ist ans die Flur verbannt." Ein wahres Volksfest im besten Sinn« des Wortes und ein ErePnis «sür die Kinderwelt ist der sogen. „Sommergewinn" in der Georgenvorstadt in Eisenach. Urkundlich ist das Fest bereits im Jahre 1286 rrivähnt, wo unter Leitung der Mönche des be nachbarten Hcrsseld das Volk in Prozession den Winter als ans- Vorn Winter- oder Todnustreiben