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Jahrg. 1886 Allgemeine Zeitschrift für Textil-Industrie. Seite 53 Oft erzielt man nur durch zweimaliges Auswaschen oder durch Verwendung grosser Mengen Seife und Salmiakgeist eine einigermaassen reine Waare, die aber meist gegen normal ausgewaschene Waare mit guten Farben zurücksteht. In der Rauherei macht sich der Uebelstand dann ebenfalls bemerkbar und zwar durch ungenügende Stapelbildung, leere Oberfläche der Waare und starkes Einflocken. Selbst dann, wenn die Waare einigermaassen frei von Oel- und Seifenrückständen ist, lassen sich durch nochmaliges Spülen nach dem Rauhen oder auch durch das vielfach gebräuchliche Einlegen in warmes Wasser, zwecks Entfernung der losen Schmutz- und Farb- rückstände, die von blutenden Farben herrührendeu Rück stände nicht völlig beseitigen, weil sie sich zum Theil immer wieder aus der Farbe selbst ergänzen. Mangel an Glätte und hartes Gefühl, die natürlichen Folgen des Uebelstands, haften der Waare durch alle weiteren Stadien der Appretur an und treten durch die Dekatur, ja selbst durch blosses Abdämpfen in verstärktem Maass auf. Das todte glanzlose Ansehen, die trüben Leisten und Schlag enden an Waare, deren Farbe in der Walke geblutet hat, sind keineswegs allein die Folge des Verlusts der Farbe an Glanz und Feuer resp. des Bescbmutzens durch Auslaufen, sondern in den meisten Fällen auch die Folgen mangelhafter Reinheit, durch das Bluten der Farbe direct hervorgerufeu. Fragt man sich nun, wie ist dem Uebelstand gründlich abzuhelfen, so ist die naturgemässe und einzig richtige Ant wort: Durch Vermeidung aller unechten Farben für Walk- waaren; denn alle jene event. empfohlenen Mittel, Verwendung neutraler Seife beim Walken, Behandlung der Waare nach dem Auswaschen in mit Salzsäure versetztem Wasser und dergleichen, verdienen doch nur in sehr beschränktem Maass das Prädikat probatum. Leider tauchen heutzutage fast täglich neue Farbstoffe, meist Kohlentheer-Produkte, auf, denen man, vielleicht einzig mit Ausnahme der Ali zarinfarben, unberechtigter weise das Prädikat „walkecht“ beilegt. Ich will nicht gerade behaupten, dass dies in betrügerischer Absicht geschieht, vielmehr handelt man vielfach in gutem Glauben. Man hat nämlich in gewissen Kreisen eigenartige Begriffe von dem Wort „walkecht“ und glaubt, wenn nur die Hand eines Walkers die Farbe berührt, ohne ihr zu schaden, so sei sie gegen die Walke gefeit, wenn mit derselben gefärbte Stoffe nur kurze Zeit auf der Loch walke oder der Waschmaschine mit Soda oder Walkerdelösung behandelt worden sei, ohne ihren Charakter zu verändern oder auszulaufen, so sei sie unter allen Umständen walkecht. — Auch unsere Fachgenossen jenseits des Kanals und des Oceans sind jetzt mit solchen walkechten Farben reich gesegnet, denn auch dort heisst es von den meisten derselben: Stands sunlight and milling. (D. H. im Deutschen Wollen-Gewei’be.) > T eues Wollwaschverfahren. Amerikanische Blätter — „Boston Daily Advertiser“ und „Manufacturers Review“ — besprechen ein neues Verfahren, beziehungsweise ein neues Mittel zum Waschen der Wolle, das neuerdings in Amerika, besonders in den Fabriken um Boston, vielfach Anwendung finden soll. Das Wesentlichste des bezüglichen Prozesses, den man nach dem Erfinder „Toppan'-Prozess nennt, ist nach dem „D. Wollen-Gew.“ die Verwendung eines neuen Agens, welches angeblich aus Petroleum gewonnen wird. Das eigentliche Wesen oder die Zusammen setzung dieses Waschmittels scheint Geheimniss zu sein; wenigstens erfährt man vorläufig nur so viel darüber, dass es die Canton Manufacturing Co. in Boston unter dem Namen „Canton wool scouring compound“ in den Handel bringt. „Manufacturers Review“ schreibt darüber: Das Toppan’sche Wollwaschverfahren basirt, wie das Toppan’sche Bleichverfahren auf der Verwendung eines gewissen aus Petroleum gewonnenen Stoffes. Wie aus Flachs und Baumwolle die harzigen und farbigen Theile, so entfernt man durch dasselbe beim Waschprozess alle fremden Substanzen aus der Wolle, ohne dabei einen wahrnehmbaren Verlust am Gewicht oder an der Haltbarkeit der Faser befürchten zu müssen. Die in beiden Prozessen zur Verwendung kommenden Stoffe sind zwar nicht identisch mit einander, haben aber gewisse Eigenschaften gemein: Zum Waschen der Wolle genügt eine sehr geringe Menge der Composition, ungefähr '/ ä Unze auf eine Gallone Wasser. Die Temperatur des Bades soll niemals 130° F. übersteigen; in den meisten Fällen genügen jedoch schon 120—123°. Bei dem alten Verfahren verliert die Wolle durch die Wirkung des Alkalis, durch hohe Tem peratur und längeres Verweilen in der Waschlauge an Gewicht und Lebenskraft. Ein Beweis hierfür ist die verminderte Elastizität der Faser der nach alter Methode gewaschenen, gegenüber der nach dem Toppan’schen Verfahren behandelten Wolle. Drückt man von letzterer eine zuvor getrocknete Probe in der Hand zusammen, so fällt sofort die hervorragende Spannkraft und Elasticität in die Augen. Diese Erscheinung tritt in gleicher Weise an der nassen Wolle zu Tage. Bei kürzlich angestellten Versuchen, gelegentlich deren man beide Verfahren neben einander an Wolle von gleicher Güte und gleichem Gewichte anwandte, zeigte die nach der neuen Methode gewaschene Wolle nach dem Herausnehmen aus der Wasch lauge ein bedeutend grösseres Volumen, als die mit Alkali behandelte Wolle, ein Zeichen, dass erstere weit mehr von ihrer ursprünglichen Elasticität beibehalten hatte. Die hervorragendsten Vortheile des neuen Verfahrens sind nach „M. R.“ 1. Ersparniss an Zeit. 5 — 8 Minuten sollen vollkommen genügen, um die Wolle vollständig schweissfrei und weiss zu machen. Die schmutzigsten Wollen werden in dieser Zeit reiner und weisser als mit Alkali behandelt in dem doppelten und dreifachen Zeitraum. — 2. Kein Verlust an der Faser selbst. Während die gewöhnlichen Handelswollen nach dem alten Verfahren durchschnittlich 54 Proc. reine Wolle ergeben, soll man mittelst des Toppan-Verfahrens einen Rein ertrag von 61 Proc. erzielen. Australische Fliesse, besonders feinere Loose, geben einen Mehrertrag von 13 Proc. an reiner Wolle. (Dies klingt nun doch etwas fabelhaft, resp. nach echt amerikanischem Humbug, und dürfte sich wohl nur gegenüber einer gänzlich unrationellen Behandlung der Wolle im Alkalibad bewahrheiten.) — 3. Reinere und weissere Wolle. Besonders wird das Gelbwerden gewaschener Wollen beim Lagern und beim überseeischen Transport vermieden. Die Wollen bleiben vollständig weiss, selbst nach längerem Lagern. — 4. Die Wolle zeigt mehr Affinität für Beizen und Farbstoffe. — 5. Die Faser wird nicht im Geringsten angegriffen, sondern behält ihre volle Kraft und Elasticität, was ein weicheres Gefühl der fertigen Waare zur Folge hat. — 6. Das Waschen kann, ohne Gefahr für die Wolle befürchten zu müssen, selbst von weniger geschulten Leuten ausgeführt werden. — 7. Bessere Wollen lassen sich 1—2 Nummern feiner spinnen; dabei tritt noch