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— 62 — am 3. Mai, blies das auf 6 Atm. eingestellte Sicherheitsventil ab; durch die Dampfentnahme sank der Dampfdruck wieder auf zirka 5 Atm. Bei diesem Drucke erfolgte die Explosion. Eintreffen des Revisors am 4. Mai 1909, 91/2 Uhr morgens. Bei der Explosion wurden der erste, zweite und dritte Schuß des linken Flammrohrs zerstört. Das linke Flammrohr wurde in den ersten beiden Schüssen von oben zusammengedrückt, die Niete der oberen Hälfte der Rundnaht wurde zwischen dem ersten und zweiten Schüsse abgeschert und die Naht aufgerissen. Am dritten Schüsse zeigte sich eine sattelförmige Einbeulung. Am rechten Flamm rohre hat sich die Naht zwischen dem ersten und zweiten Schüsse etwas gelockert. Risse in den Blechen haben sich in keinem der Flammrohre gebildet. An den Ausrüstungsgegenständen erfolgte keine Zerstörung, jedoch wurde der Treppenrost zum Teil heraus geschleudert. Im Wasserstandsapparat, der vor der amtlichen Untersuchung vom Obersteiger abgenommen und untersucht worden war, soll sich eine gewisse Menge Schlamm vorgefunden haben. Auch bei der amtlichen Untersuchung war noch etwas Schlamm in ihm enthalten. Sonst fanden sich keine Mängel an den Aus rüstungsgegenständen. Der Hintere Teil der Kesseleinmauerung wurde zerstört, so daß die Hintere Kcsselstirnwand frei lag. Die durch kein Fenster verschlossene Lichtöffnung der Kesselhauswand wurde an der Hinterseite des Kessels auf etwa 2 m erweitert. Das der Feuerung gegenüberliegende Glasfenster wurde heraus gedrückt. — Ursache der Explosion ist Wassermangel infolge eines sogenannten scheinbaren Wasserstandes. Letzterer ist vermutlich durch ungenügende Wartung der Wasserstandsvorrichtung in Verbindung mit ungenügender Reinigung des Kesselwassers hervor- gerufen worden. — In Rolandseck a. Rh. ereignete sich am 19. Juli 1909, nachmittags kurz vor 5 Uhr, auf dem Dampfboot „Gutenberg" der Dampfschiffahrtgesellschaft für den Nieder- und Mittelrhein, Heimatshafen Düsseldorf eine Explosion. Es war ein liegender Zweiflammrohr-Feuerbuchskessel mit rückkehrenden Heizröhren und Dampfsammler, Schiffskcssel, von Gebr. Sachsenberg, G. m. b. H., Roßlau, 1900 erbaut und in Betrieb gesetzt. — Seine Ab messungen waren: — 3470, v — 2900, 8 — 17, vordere Rohrwand — 19, Hintere 8s — 18; der Flammrohre: 1 — 2400, ä — 949, 8 — 15,5; der Feuerbüchse: Höhe — 1900, ä — 2750, 8 — 13, 88 — 14; der Feuerbüchsrohrwand 8 — 19; des Dampfsammlers: L, — 1800, v — 1000, 8 — 8, 88 — 14; des Verbindungsstutzens: Ir — 200, ä — 400, 8 — 15; der 192 Heizrohre; 1 — 2400, ä — 76, 8 — 3; der 25 Ankerrohre 1 — 2400, ä — 76, s-7; 4 — 14,5 ohne Dampfsammler, ^m — 8,5. — Der Kesselmantel ist durch je zwei sechsreihig genietete Laschen verbunden; die Flammrohre sind geschweißt und mit einreihiger Nietnaht mit den Umbördelungen der vorderen und Hinteren Rohrwand vernietet. Der Dampfsammler ist in der Längsnaht doppelreihig, in den Rundnähten einreihig über lappt genietet. Die Decke der Rauchkammer ist durch zehn Steh anker versteift, der Hintere Kesselboden mit dem Kesselmantel durch drei Dreiecksanker verbunden. Die vordere Stirnwand ist durch einen Längsanker versteift. Die Feuerbüchsrückwand ist mit dem Hinteren Kcsselboden durch 141 Stehbolzen, die beiden Feuerbüchsseitenwände sind mit dem Kesselmantel durch je 20 Stehbolzen verbunden. Alle äußeren Stehbolzen sind 14/4", alle übrigen 14/8" stark. Die Siederöhren sind an beiden Enden umbördelt, die Ankerröhren und Stehbolzen an beiden Enden in die Rohrwände eingeschraubt und vernietet; die Nietung geschah hydraulisch. — Material: a.) Flußeisenfeuerblech von 34 bis 40 Lg Festigkeit und mindestens 25 0/0 Dehnung: alle Kesselbleche außer Mantel und Laschen; b) Flußeisen-Mantelblech II von 43 bis 48 Lg Festigkeit und mindestens 20 0/0 Dehnung: der Kessel mantel und die Laschen. Schweißeisen: die Stehbolzen. — Feuerung: Jnnenfeuerung für Steinkohle. Rostfläche — 3,74 gm, benetzte Heizfläche — 121,79 gm. — Speisung: Zur Speisung des Kessels dienten zwei Maschinenpumpen, eine Handpumpe und ein Injektor. Das Speisewasser, Rheinwasser (weich), wurde aus der Einspritzkondensation entnommen. Es enthielt wenig Kesselstein, bei hohem Wasserstande des Rheins auch Schlamm. Der Kessel wurde alle Monate einmal gereinigt, zuletzt am 13. Juli 1909. Dabei wurde er im Innern vollständig gereinigt und ausgewaschen. Die Untersuchung ergab, daß zwei Steh bolzen ausgewechselt waren. — Der Kessel hatte 250 Arbeits tage zu 6 bis 12 Arbeitsstunden. Der Kesselwärter (1. Maschinist) war seit drei Jahren angestellt. Die Hauptverantwortung hatte der erste Maschinist, in dessen Abwesenheit der zweite. Es wurden für die zwei Kessel des Bootes vier Heizer beschäftigt, die ebenfalls mit den Sicherheitsvorrichtungen vertraut sind. Letzte äußere Revision am 11. März 1909, letzte innere am 26. März 1908, Mängel wurden nicht festgestellt. Außerdem beschäftigt die Gesellschaft einen Kesselschmied, dessen Aufgabe es ist, die Kessel sämtlicher Boote nachzusehen; dieser hat, wie er versichert, beide Kessel des Dampfers „Gutenberg" in der Zeit vom 31. Januar bis 19. Februar 1909 gründlich untersucht, insbesondere will er auch die Feuerbüchsstehbolzen durch Ab hämmern geprüft und keine Mängel daran entdeckt haben. Ferner hat der erste Maschinist den Kessel noch am 13. Juli befahren, ohne Schaden zu finden. Der Dampfer befand sich zur Zeit des Unglücks auf der Bergfahrt in fahrplanmäßigem Betrieb und hatte an der Landungsstclle Rolandseck festgemacht. Die Maschine stand still; ein Teil der Fahrgäste war ausgestiegen, neue im Einsteigen begriffen. Nach Angabe des Kapitäns und des ersten Maschinisten zeigten die über Deck befindlichen Manometer stark 8 Atm. Der höchst zulässige Druck beträgt 8 t/2 Atm. Die etwas früh abblasenden Sicherheitsventile bliesen leicht. Das Wasser im Kessel befand sich 10 bis 15 om über der Marke des niedrigsten Wafferstandes. Die Aschfalltüren waren geschlossen, die Rauchfangtüren dagegen geöffnet, um den Dampfdruck niedrig zu halten und eine Beunruhigung der Fahrgäste durch starkes Blasen der Sicherheitsventile zu vermeiden. Ein Heizer befand sich vor dem Kessel, der zweite Maschinist im Maschinenraume. Plötzlich ertönte ein schwächerer Knall, dem unmittelbar ein stärkerer folgte, dem Kesselraum entströmte eine heiße Wolke von Dampf, heißem Wasser und Feuerfunken, welch letztere das über Deck ausgespannte Sonnen zelt in Brand setzten. Der Revisor traf am folgenden Tage, den 20. Juli 1909 um 114/2 Uhr vormittags auf der Unglücksstätte ein. Nach den Ergeb nissen der Untersuchungen liegt eine Kesfelexplosion vor, obwohl der Kefselinhalt sich nur durch die infolge des Herausreißens von Stehbolzen aus dem Hinteren Boden und den Seitenwänden der Feuerbüchse entstandenen Orffnungen von rund 380 gom Quer schnitt — entsprechend einem Kreisquerschnitte von 22 om Durch messer — entleeren konnte; die Entleerung bezw. der Spannungs ausgleich jedoch innerhalb weniger Sekunden erfolgte. Die Nähte klafften an einigen Stellen, namentlich an den beiden Hinteren Ecken der Feuerbüchsdecke, haben jedoch nicht gelitten. Der Hintere Kesselboden erhielt links unten eine Beule von 250x500 min Ausdehnung und 15 nun Tiefe. Der vordere Kesselboden wölbte sich nach außen und bekam unterhalb der Krempe des linken Flammrohrs einen Riß von 220 nun Länge und 6 mm Breite; der am oberen Ende des Bodens befindliche Queranker drückte sich nach unten durch. Die Heizrohre haben im vorderen Boden alle dicht gehalten, obwohl der Boden seitlich von den Rohren vollständig abgezogen wurde. Der Kesselmantel war am vorderen Rande leicht aufgeweitet, ohne daß die erste Rundnaht Schaden genommen hätte. Mit Ausnahme der Steh bolzen hat sich demnach das Material des Kessels bei der ge waltsamen Belastungsprobe durch die Explosion gut bewährt. Das Material ist gutes Schweißeisen, da die Zerreißproben wie auch die Biege- und Kerbschlagprobe in jeder Hinsicht den Be dingungen genügten. Es konnte noch festgestcllt werden, daß zwei Stehbolzen in der Feuerbüchsrückwand ansgewcchselt waren, denn sie waren aus Flußeisen und von größerem Durchmesser. 30 der zur Versteifung der Feuerbüchsrückwand dienenden Steh bolzen, von denen 19 am oberen und mittleren Umfange des Ieuerbüchsbodens saßen, waren völlig durchgebrochen, aus dem Aussehen der bereits älteren und mit Kcffelstein überzogenen Bruchflächen muß gefolgert werden, daß hier der Beginn der Zerstörung einsctzte. Teilbrüche zeigten sich an 55 Bolzen der gestalt, daß jeder dieser Bolzen dicht vor dem Hinteren Kessel boden eine ringförmige Anbruchfläche zeigte, während im Innern nur noch ein schwacher Kern stehen geblieben war, der bei der