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— 223 — Von den gesamten Versicherungsträgern bestehen zurzeit: a) Auf Grund des Gewerbe-Vcrsicherungsgesetzes 64 Berufs genossenschaften mit 677 904 Betrieben, — 8534171 durch schnittlich Versicherten oder 7 624749 Vollarbeitern; 63 staatliche Ausführungsbehörden mit 568189 durch schnittlich Versicherten oder 567 397 Vollarbeitern; b) auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forstwirtschaft: 48 Berufsgenossenschaften mit 543100 Betrieben und 17179000 durchschnittlich Versicherten; 55 staatliche Ausführungsbehörden mit 247 796 durch schnittlich Versicherten oder 68002 Vollarbeitern; o) auf Grund des Bau-Unfallversicherungsgesetzes: Berufsgenossenschaft mit 17 277 Betrieben und 306276 durchschnittlich Versicherten oder 172291 Vollarbeitern; 78 staatliche Ausführungsbehörden mit 51599 durch schnittlich Versicherten oder 32 987 Vollarbeitern; 331 kommunale Ausführungsbehörden mit 109 917 durch schnittlich Versicherten oder 70937 Vollarbeitern; 13 Versicherungsanstalten mit 76649 Vollarbeitern; ä) auf Grund des See-Unfallversicherungsgesetzes: 1 Berufsgenossenschaft mit 1643 Betrieben und 77 345 durchschnittlich Versicherten oder 71491 Vollarbeitern; 13 staatliche Ausführungsbehörden mit 850 durchschnitt lich Versicherten oder 749 Vollarbeitern; 1 Versicherungsanstalt. An dieser Stelle können wir nur im großen und ganzen einen Ueberblick über die zur Zeit bestehenden Bestimmungen des sogenannten Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes (vom 30. Juni 1900) geben. Die Träger der gewerblichen Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften, zu welcher der Betriebsunternehmer eines Industriezweiges oder mehrere verwandte Industriezweige nach Maßgabe der Uebereinstimmung ihre wirtschaftlichen Interessen für begrenzte Wirtschaftsgebiete oder für den ganzen Umfang des Reichs vereinigt werden. Spätere Veränderungen der Berufs genossenschaften sind zulässig. Auch können sie im Falle etwaiger Leistungsunfähigkeit aufgelöst werden. In diesem Falle muß, wenn die Zuteilung der der Berufsgenossenschaft angehörenden Betriebe zu einer anderen — leistungsfähigeren — Berufs genossenschaft nicht möglich oder nicht angängig ist, das Reich bezw. wenn die Betriebe der Berufsgenossenschaft über das Ge biet eines Bundesstaates nicht hinausgehen, letzterer die in der Berufsgenossenschaft entstandenen Verpflichtungen übernehmen. Die Berufsgenossenschaflen, die auch Sektionen errichten und Vertrauensmänner einsetzen können, beide mit statutarisch zu be grenzenden Befugnissen, haben volle Selbstverwaltung, die durch den Genossenschaftsvorstand und seine Organe, wie durch die Genossenschaftsversammlung ausgeübt wird. Sie unterstehen lediglich der Aufsicht durch das Reichs- oder Landesversicherungsamt. Die Berufsgenossenschaften leisten bei Betriebsunfällen, durch welche versicherte Personen getötet oder körperlich verletzt werden, dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen in der durch das Unfallversicherungsgesetz festgesetzten Weise Schadenersatz, ohne Rücksicht darauf, ob der Unfall durch Zufall oder irgend ein selbstgrobcs Verschulden der Verletzten oder eines anderen herbeigeführt wurde. Nur im Falle der Verletzte selbst den Unfall vorsätzlich veranlaßt hat, entstehen der Berufsgenossenschaft keine Verpflichtungen. Der Schadenersatz, der in einem Pausch quantum für die Beerdigungskosten (Sterbegeld), den Kosten der Heilung und in einer Rente besteht, wird von den Organen der Berufsgenossenschaft festgesetzt. Gegen die Feststellung können die Entschädigungsberechtigten bei-Berufung bei dem zuständigen Schiedsgericht oder gegen dessen Entscheidung in den schwereren Fällen den Rekurs bei dem Reichs- oder Landesversicherungs amt erheben. Die Auszahlung der Unfallentschädigungen erfolgt auf An weisung des Genossenschaftsvorstandes durch das für die Wohnung des Empfängers zuständige Postamt. Die Postverwaltungen schießen diese Beträge der Berufsgenossenschaft vor und liquidieren bei gezahlten Entschädigungen nach Ablauf des Kalenderjahres bei der Berufsgenossenschaft zur Rückerstattung. Seit dem 1. Januar 1910 können sie jedoch von den Berufsgenossen schaften einen der voraussichtlichen Zahlung entsprechenden und von dem Reichsversicherungsamt festzusetzenden Betriebsfonds im voraus verlangen. Die von den Postverwaltungen vorgeschossenen Beträge bezw. der von denselben verlangte Vorschuß, sowie die von der Berufsgenossenschaft aus eigener Kasse gezahlten Unfall entschädigungen, die Verwaltungskosten der Berufsgenossenschaft und der Sektionen, die Kosten der Feststellung der Unfall entschädigungen, der Unterhaltung der Schiedsgerichte, der Unfall verhütung und der bezüglichen Ueberwachung der Betriebe, sowie endlich die nicht unerheblichen Beträge zur Anlegung und Er gänzung des Reservefonds müssen nun von den Mitgliedern der einzelnen Berufsgenossenschaften, also den Betriebsunternehmern, der Genossenschaft erstattet werden. Dies geschieht im Wege der Umlage, indem jeder Unternehmer nach Verhältnis desjenigen Risikos, mit welchem er seine Berufsgenosscnschaft belastet, zu den Jahreslasten derselben beizutragen hat. Die Umlage erfolgt daher nach Maßgabe der in dem abgelaufenen Jahre von jedem einzelnen Unternehmer an seine versicherten Arbeiter usw. tat sächlich gezahlten Löhne und Gehälter, soweit sie für die Ent schädigung maßgebend werden, einerseits und nach dem Maße der Unfallgefahr anderseits, welches die Natur und die Ein richtungen seines Betriebes mit sich bringen. Dieses Maß der Unfallgefahr findet in Gefahrenklassen, in denen die Beiträge nach der Größe der Unfallgefahr und nach objektiven Merkmalen abgestuft sind, seinen Ausdruck. Die Verwaltung der Berufsgenossenschaft erfolgt lediglich durch ihre eigenen Mitglieder; die versicherten Arbeiter sind davon ausgeschlossen. Letztere nehmen nur teil an der Beratung und Begutachtung der Unfallverhütungsvorschriften und der Rechtsprechung in der Berufungs- und Rekursinstanz, und zwar alles durch gewählte Vertreter. Die Berufsgcnossenschaften haben eine ausgedehnte Straf gewalt gegen ihre Mitglieder hinsichtlich deren Verfehlungen gegen gesetzliche oder statutarische Verpflichtungen und hinsichtlich der Zuwiderhandlungen gegen die Unfallverhütungsvorschriften. Sie haben ferner das Recht, von den Betriebsunternehmern oder den Betriebsbeamten, falls diese den einzelnen Unfall durch Vor satz oder Fahrlässigkeit mit Außerachtlassung ihrer Berufspflicht herbeigeführt haben, alle ihre Aufwendungen aus dem Unfall erstattet zu verlangen. Rechts- und Gesetzeskunde. Unfall eines Maurerlchrlings bei Arbeiten in einer Mühle. Ein Maurermeister halte Arbeiten in einer Mühle übernommen, die infolge eines in der Mühle stattgefundenen Brandes not wendig geworden waren. Einmal, während der Mittagspause, begaben sich ein bei den Maurerarbeiten beschäftigter Geselle und ein Lehrling in den neben ihrer Arbeitsstelle gelegenen Turbinen raum; der noch nicht 15 Jahre alte Lehrling setzte sich auf Veranlassung des Gesellen auf das Turbinenrad, der Geselle zog die Schleuse an dem Turbinenkanal, und durch das Einströmen des Wassers wurde die Turbine in immer schnellere Bewegung gesetzt. Dabei geriet der Lehrling mit dem einen Arm in das Kammrad und erlitt dabei eine so schwere Verletzung, daß der Arm abgenommen werden mußte. Der Verunglückte strengte nun nicht bloß gegen den unvorsichtigen Gesellen, sondern auch gegen den Mühlenbesitzer die Schadenersatzklage an; letzterer, so behauptete der Kläger, sollte sich dadurch schuldig gemacht haben, daß er den Turbinenraum nicht verschlossen hielt, also das Be treten der Unglücksstätte überhaupt ermöglichte. Während das Landgericht die Klage gegen den Mühlenbcsitzer abwies, hatte das Oberlandesgericht den Antrag zu zwei Dritteln dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Indessen hat das Reichsgericht das erste Urteil wiederhergestellt, den Kläger also mit seinem Ansprüche gegen den Mühlenbesitzer abgewiesen. Es ist ja richtig, so heißt es in den Gründen, daß die Nichtabsperrung der Tür zum Turbinenraum eine Bedingung des Unfalls war, ohne die er mutmaßlich nicht eingetreten wäre. Sie war aber nicht die Ursache des Unfalls im Rechtssinne, denn die freie Zugänglichkeit des Raumes bot, solange der Kanal leer war, also auch am Unfallstage, keine Gefahr. Sollte selbst der Mühlenbesitzer die erforderliche Sorgfalt den Maurern gegenüber insofern verletzt