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— 101 — Verschiedene Mitteilungen. Ein altes Verbot der Verwendung von Steinkohlen. Die Steinkohle ist das „tägliche Brot" der Industrie. Die gewaltige Zunahme der Industrie und des Verkehrs in den letzten Jahren wäre ohne diese riesige Steigerung der Kohlenproduktion ganz unmöglich gewesen. Wie es aber einmal eine Zeit gegeben Hatz in der sich Meinungen geltend machten, die auf ein Verbot des Eisenbahnenbaues hindrängten, so gab es auch wirklich einmal eine Zeit, in der ein obrigkeitliches Verbot gegen die Verwendung von Steinkohlen erlassen wurde und zwar geschah dies in Zwickau i. S., dem ersten deutschen Orte, wo Steinkohlen in größerer Menge gefunden wurden. In der Mitte des 14. Jahr hunderts setzte nämlich dort die Stadtobrigkeit fest, daß die Schmiede unter keinen Umständen Steinkohlen verwenden dürften, sondern nur Holzkohlen. Die Verordnung lautetete: „Das sollt Ihr wissen, daß alle Schmiede nicht sollen schmieden mit Stein kohlen, wer dabei getroffen wird (daß er Steinkohlen verbraucht), der muß zehn Schillinge Heller geben." Dieser stadträtliche Ukas konnte freilich noch nicht verhindern, daß der Wert der Steinkohle allgemein anerkannt wurde. Gegen die Rauchplage. In den letzten Jahren sind ver schiedentlich Untersuchungen veranstaltet worden, die darauf abzielten, die Rauchplage industrieller Unternehmungen usw. zu mindern. Wie der „Tägl. Korr." mitteilt, ist in der Rheinschiffahrts kommission jetzt ebenfalls über die Rauchplage der Dampfer auf dem Rhein verhandelt worden. Dabei führte der Ober präsident der Rheinprovinz aus, daß die Redereien, wenn sie ein polizeiliches Einschreiten für die Zukunft vermeiden wollen, selbst daran gehen müßten, die Plage der übermäßigen Rauch entwicklung auf den Rheindampfern zu vermindern. Zunächst soll an einem Schiffsdampfkessel eine Einrichtung probiert werden, die geeignet sein soll, eine erhebliche Herabsetzung der Rauch entwicklung herbeizuführen. Gewerblich-Soziales. Wieder Staat das Fleisch verteuert, darüber stellt die „Deutsche Fleischerzeitung" eine interessante Rechnung auf. Sie stellt die Unkosten zusammen, welche die Einfuhr eines lebenden Rindes aus Dänemark infolge des Zolles und der Grenzschikane verursacht: Quarantäne 16 Mk., Einspritzung 1,50 Mk., 3 Tage Futter geld 3 Mk., Versicherung gegen Reaktion 10 Mk., Fracht und Nachnahme 29,65 Mk., Zoll 40,80 Mk., Kommission 3 Mk., Schreibgeld, Diverses 8,60 Mk., Markt- und Trinkgeld 1,50 Mk., Versicherung gegen Tuberkulose 4 Mk., Wiegegeld 0,30 Mk., Porto und Agio 0,50 Mk., zusammen 118,85 Mk. Daß dadurch das Fleisch ganz erheblich verteuert werden muß, ist selbstverständlich. Die Regierung züchtigt also das Volk mit doppelter Rute, einmal durch die Grenzsperre selbst und dann durch die oben aufgeführten Unkosten. Sie ist also die Mit schuldige der Agrarier an der Ausbeutung der breiten Massen. Zur Regelung der Arbeitslosenversicherung durch die Bundes staaten oder durch das Reich. Es vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht in den Tageszeitungen lesen kann, in der Stadt N. haben die Stadtverordneten einen Antrag eingebracht, daß der Magistrat zum Problem der Arbeitslosenfürsorge Stellung nehmen solle. Ebenso findet man in Wochen- und Zeitschriften, die sozialfortschrittlich gesinnt sind, eifrige Erörterungen darüber, auf welche Weise man der Lösung dieses Problems näher komme. Die einen schlagen vor, das Kölner System einzuführen, die anderen wollen dem Genter System den Vorzug geben, und eine dritte Gruppe möchte es mit einer Kombination des Kölner und Genter System versuchen. Welchem System man auch den Vorzug geben mag, die Diskussion hierüber fördert die Sache der Arbeitslosenversicherung. Obwohl wir in dieser allgemeinen Diskussion an sich etwas Gutes sehen, so müssen wir uns doch im gegebenen Falle für das eine oder andere System entscheiden können. Es ist daher notwendig, in einigen Sätzen das Wesentliche dieser Systeme hervorzuheben. Die stadtkölnische Versicherung nimmt männliche Arbeiter auf, die 18 Jahre alt sind, ein halbes Jahr in der Stadtgemeinde Köln ihren Wohnsitz haben und nicht dauernd arbeitsunfähig sind. Der Zutritt ist freiwillig und Unterstützungen werden nur für den Winter gewährt. Der Beitrag beläuft sich für die ungelernten Arbeiter auf 35 Pfg., für die gelernten auf 45 Pfg. pro Woche. Hierzu leistet die Stadt einen Zuschuß von 20 000 Mark jährlich, freiwillige Zuwendungen von Arbeit gebern und sogenannten Ehrenmitgliedern werden angenommen. Bezugsberechtigt sind die versicherten Arbeitslosen, die 34 Wochen beiträge geleistet haben. Im ganzen wird für 48 Tage Unter stützung, und zwar für die ersten 20 Tage 2 Mark, für die weiteren 28 Tage je 1 Mark, gezahlt. Diese Kasse hat keine nennenswerte Bedeutung erlangt, in der Hauptsache sind ihr nur Bauarbeiter beigetreten. Das Genter oder Straßburger System gewährt Zuschüsse an die Arbeiter- und Angestellten verbände, die sich der städtischen Versicherung anschließen. Es muß deshalb das Bestreben dieser Verbände sein, für dieses System einzutreten und seinen Ausbau zu betreiben. Wir kommen im folgenden noch näher darauf zurück. Um die Un organisierten nicht leer ausgchen zu lassen, hat man eine Ver bindung von Kölner und Straßburger System in der Weise vorgeschlagen, die Organisierten nach Straßburger, die Un organisierten nach Kölner Muster zu versichern. Auch hierauf werden wir bei der Besprechung der bayerischen Verhandlungen und der badischen Denkschrift noch näher eingehen. Soweit zurzeit Arbeitslosenversicherungen eingeführt werden, kommen eigentlich nur die größeren Städte in Betracht. Es genügt da, wenn man weiß, daß es für alle Organisierte nur eine Losung gibt, und die ist: Straßburger System. Die Vor teile sind, wie wir an anderer Stelle noch genauer auseinander setzen werden, so groß, daß gar keine Zweifel über seine Zweck mäßigkeit aufkommen können. Es sei aber gleich hier betont, daß auch die Einführung des Straßburger Systems durch die einzelnen Städte von den einzelnen Verbände nur als Abschlagszahlung betrachtet werden kann. Nicht nur aus versicherungstechnischen Gründen ist es besser, die Regelung durch die größeren Gemeinwesen, die Bundes staaten oder durch das Reich vorzunehmen, sondern auch aus Gründen, die die Verbände selbst betreffen. Wir wollen hier nur hervorheben, daß dann für die Arbeiter und Angestellten beim Umzug keine Schwierigkeiten mehr entstehen. Die sogenannte Karenzzeit (Wartezeit) kann ohne weiteres fallen. Weil wir der Ansicht sind, daß die Arbeitslosenversicherungen der Städte nur so lange zu erstreben sind, bis etwas Besseres geschaffen ist, so wollen wir einmal den Bestrebungen nachgehen, die auf eine reichs- oder bundesstaatliche Regelung hinauslaufen. Dabei werden wir das Unterstützungswesen der Organisierten streifen, zunächst möchten wir aber noch einiges allgemeiner Natur vorausschicken. In eine Versicherung können nur solche Personen einbezogen werden, die zur Zeit des Beginnes der Versicherung in Arbeit stehen. Der Arbeiter oder Angestellte muß seine bisherige Arbeitsstelle verloren und darf eine andere noch nicht gefunden haben. Dabei kann man drei Gruppen von Arbeitslosen unterscheiden: 1. solche, die es durch Mangel an Arbeits fähigkeit geworden sind, 2. solche, die aus moralischen Gründen und 3. die aus wirtschaftlichen Ursachen (Mangel an Arbeits gelegenheit) ihre Arbeit verloren haben. Daß diese Unter scheidungen wichtig sind, können wir an folgendem Beispiel sehen. Der Verlust der bisherigen Arbeitsstelle kann durch Krankheit hervorgerufen sein, dagegen ist die nach erfolgter Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bestehende Arbeitslosigkeit dem Mangel an Arbeitsgelegenheit zuzuschreiben. Danach wäre also der Fall prinzipiell von der Versicherung auszuscheiden, wo es sich um einen Mangel an Arbeitsfähigkeit (hierher gehört auch Invalidität) handelt. Ebenso können die nicht von der Versicherung unter stützt werden, gegen die moralische Bedenken vorliegen. Wer nicht arbeiten will, kann doch wahrhaftig nicht verlangen, daß er vor den Folgen der Arbeitslosigkeit geschützt werde. Ebenso verhält es sich mit dem, der etwa wegen andauernder Trunk sucht oder ähnlicher Dinge immer wieder seine Arbeit verliert. Der Vollständigkeit halber sei hier vermerkt, daß es auch eine Arbeitslosigkeit geben kann, die ihre Ursache in der technischen Disqualifikation hat. Wir kommen auf diese Arbeitslosigkeit noch in anderem Zusammenhänge zurück. Nach alledem wäre die Frage, welche Arbeitslosigkeit in eine Versicherung einbezogen werden soll, leicht zu beantworten.