Volltext Seite (XML)
„Färber-Akademie" einige Versuche angestellt, um festzustellen, ob eine solche Befürchtung durch die Thatsachen gerechtfertigt sei. Es wurden einige Baumwollensträhnen eine Stunde lang in heiße, starke Tanninlösung eingelegt, heraus- genommen, gut abgewunden, eine Stunde in eine mäßig concentrirte kalteBrechweinsteinlösung eingelegt, wieder abgewunden und in gewöhn licher Art mit Anilinfarben, Fuchsin, Methyl violett und Grün, ausgefärbt. Die gefärbten, sehr gut gespülten und ge trockneten Garne wurden nun zunächst, jede Farbe für sich, in 30' li. warmes destillirtes Wasser eingelegt; nach einer Stunde wurde die Probe zurückgezogen und das Wasser untersucht. Auf Zusatz von Schwefelwasserstoffwasser entstand kein Niederschlag, dagegen zeigte sich eine schwach gelbe Färbung der Flüssigkeit, die möglicher WeiseSchwefelantimonandeutenkonnte. Indessen ergab^die Flüssigkeit, in einen in Tätig keit befindlichen Wasserstoff-Apparat (Marshffche Probe) eingebracht, beim Anzünder, des Gases und Darüberhalten einer kalten Porzellanschale den bekannten Antimonspiegel. Bei Anilin farben ist eine Spur Arsenik nicht ausgeschlossen; die Spiegel wurden deshalb mit einer Lösung von unterchlorigsaurem Natron (Lau cksArrvölls) gewaschen. Sie erhielten sich indessen, waren also Antimonspiegel. Wurden die in warmem Wasser behandelten Garnsträhnen jede für sich mit destillirtem Wasser gekocht, und dann zurück gezogen, so konnte in dem Wasser nach Ein engen auf ein geringes Volumen deutlich Schwe felantimon durch Fällen mit Schwefelwasserstoff gas erhalten werden. Im Marsh'schen Apparat erzeugte dieseLösung starke Antimonspiegel, welche mit unterchlorig saurem Natron gewaschen, in voller Ausdehnung blieben, also Antimon bezeichnten. Auch durch die Reaction im Platinschälchen unter Anwen dung von Zink (vergl. Fresenius, quäl. Ana lyse Z 131, 8) wurde gleichfalls Antimon nach gewiesen. Mit Rücksicht auf obige Versuche halten wir die Verwendung von Brechweinstein in bisher üblicher Weise für ziemlich bedenklich. Nicht als ob wir glaubten, es werde Jemand, der einen damit gefärbten oder gedruckten Stoff trägt, in irgend einer Weise in seiner Gesund heit geschädigt werden. Die Mengen fixirten Antimons erscheinen dazu viel zu klein. In dessen ist die Sache bedenklich mit Rücksicht auf die im Publikum und besonders durch die in solchen Fragen unwissende und zu Sensations nachrichten so sehr geneigte Tagespreffe verbrei teten abenteuerlichen Ansichten über Vergiftung durch gefärbte Stoffe. Könnte nicht einmal eine Balldame durch irgend einen Zufall un wohl werden, der besorgte Irzt den Stoff ihres Kleides untersuchen lassen und der Analysenkun dige Apotheker Antimon finden? Die Brechwein- stein-Seeschlange wäre dann in bester Form geschaffen. Sind solche Nachrichten schon ge eignet, die Färberwelt und Farbenfabrication in Mißcredit zu bringen, auch wenn sie ganz grundlos sind; um wieviel mehr dürfte dies der Fall sein, wenn thatsächlich auf den Stoffen Antimon nachgewiesen werden könnte, die See schlange dadurch also einen fruchtbaren Boden zu ihrer Entwickelung fände. Darum möchten wir die Aufmerksamkeit unserer College,, hierauf hinlenken. Wir glauben übrigens nicht, daß der Brechweinstein in der Baumwollenfärberei unersetzlich ist, meinen viel mehr, daß irgend eine der bekannten Methoden ebenso gute Resultate giebt, als der Brechweinstein. Sollte aber dies wirklich nicht der Fall sein, so könnte man durch ein Honorar-Aus- schreiben demjenigen eine Belohnung zusichern, welcher ohne Brechweinstein und andere als acute Gifte bekannte Körper die Fixirung der Anilinfarben auf Baumwolle ermöglicht, und dadurch zu einer Methode kommen, welche zn den oben beregten Befürchtungen keinen Anlaß giebt. Wir halten die Sache durch diese Besprechung keineswegs für abgethan, sondern bitten alle unsere Leser und aufrichtigen Freunde des Färbereifaches die Angelegenheit durch Aeuße- rungen über ihre Ansichten und Erfahrungen nach Möglichkeit zu ventiliren.