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12 XXI. Jahrgang. „ELEKTROTECHNICHE RUNDSCHAU.“ No. 2. 1903/1904. die elektrische Energie ohne große Verluste sehr weit zu leiten; es können somit von dem ungünstigst gelegenen Krafthause aus viele weit verzweigte Bahnlinien gespeist werden. Natürlich wurde auch für den Betrieb der elektrischen Schnellwagen hochgespannter Dreh strom verwendet. Schon im Jahre 1900 berichtete Oberingenieur Dr. Ingenieur Walter Reichel, daß nach einer Besichtigung der von der Siemens u. Halske-Aktiengesellschaft in Groß-Liehterfelde angelegten Versuehsstrecke für elektrische Schnellbahnen seitens der Studien- gesellsehaft der Bau von zwei Fahrzeugen beschlossen wurde, deren eines die Siemens u. Halske-Aktiengesellschaft, das andere die All gemeine Elektrizitäts-Gesellschaft hinsichtlich des elektrischen Teiles auszuführen übernahm, während der mechanische Teil von der Firma van der Ziepen und Charlier in Köln hergestellt wurde. Ferner übernahm die Siemens u. Halske-Aktiengesellschaft die Er stellung der Fahrleitung zur Abnahme der elektrischen Kraft, während die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft dieser in ihrem Elektrizitäts werke Ober-Sehöneweide und die Erstellung der Speiseleitung von dort nach Marienfelde besorgte. In äußerst eingehender Weise berichtete sodann Reichel über die Schwierigkeiten, die schon zur Feststellung der ersten Grund lagen für die Versuche zu überwinden waren. Nach dem im Eisen bahnfahrbetrieb gesammelten Erfahrungen war von vornherein anzu nehmen, daß der Luftwiderstand, den das Fahrzeug beim Anfahren und in voller Fahrt zu überwinden hat, den Hauptteil des gesamten Bewegungswiderstandes ausmachen muß und es mußte daher versucht werden, über die Größe des Luftwiderstandes Unterlagen zu gewinnen. Es standen nur Formeln für die Berechnung des Luft widerstandes bis zu einer Fahrgeschwindigkeit bis zu 100 km zur Ver fügung, weshalb erst Versuche zur ungefähren Feststellung der Größe des Luftwiderstandes bei der ins Auge gefaßten Schnelligkeit der Fahrzeuge gemacht werden mußten, die überraschend gute und genaue Werte ergaben. Der ungeheure Luftdruck von 200 kg auf den Qüadratzentimeter machte sich bei den letzten Fahrten von ' 201 km besonders bemerkbar. Er äußerte sich darin, daß manche Gegenstände an die Stirnseite des Wagens förmlich anflogen. Mancher Sperling, der an den Puffern des Versuchswagens fest geklatscht ist, wird von einer solchen Probefahrt heimgebracht. In dem Wagen selbst war von dem Luftdrucke auch bei der letzten Fahrt nichts zu spüren. Der Wagen lief sehr ruhig und die Insassen waren imstande, stehend und sitzend Aufzeichnungen zu machen. Dabei ist zu beachten, daß dieser Luftdruck etwa 200 mal so groß, als der gewöhnliche ist. Die Bedingungen für den Bau der Wagen waren: Geschwindigkeit von 200 kmst., Raum für 50 Reisende im Wagenkasten inkl. des Führers und eines Schaffners. Der Wagen erhält zwei Drehgestelle von je drei Achsen und die Motoren sind für eine wohl weitaus genügende Gesamtleistung von 1100 PS. normal und 3000 PS. maximal zu bemessen. Der zur Verfügung stehende Betriebsstrom ist Drehstrom von 12,000 Volt bei 100 Wechseln, d. h. 50 Perioden. Die Gewichte der Wagen sollen tunlichst gering sein und keinesfalls 8 t pro' Rad übersteigen, insgesamt also nicht 96 t des kompletten Wagens. Der Wagen muß sich wegen der gelegentlichen Ueber- führung über die Gleise der Staatsbahn innerhalb des Normal profils halten. Diese Bedingungen stellten den Konstrukteuren des elektrischen Teiles weitere schwierige Aufgaben, die sämtlich zur Zufriedenheit gelöst wurden. Nach einem Berichte im „Zentralblatte der Bau verwaltung“ über die letzten Sehnellfährten, hat auch die von Manchem recht mißtrauisch betrachtete Stromzuführung bei der 200 Kilometer-Fahrt nur vorübergehend zu Störungen Veranlassung geboten. Bei etwa 180 km Geschwindigkeit traten nämlich starke Schwankungen der Maste und Leitungsdrähte ein, die einige Brüche und Kurzschlüsse zur Folge hatten. Diese anfangs etwas bedroh lichen Erscheinungen haben sich aber durch Anbringung leichterer und besser gefederter Streifbügel und durch kleine Nachhülfearbeiten an der Fahrleitung rasch beseitigen lassen. Damit ist nun nachgewiesen, daß es ganz gut möglich ist, von einer Oberleitung bis zur Fahrgeschwindigkeit von 200 km/st. Strom abzunehmen. Was den Oberbau anlangt, so meint der Bericht, daß fortgesetzte Versuche erkennen ließen, daß es nicht ratsam gewesen wäre, auf dem alten Versuchsgeleise mit der Fahrgeschwindigkeit erheblich über 160 km/st. hinauszugehen. Die Wagen liefen bei dieser Geschwindigkeit schon recht unruhig, auch traten Verbiegungen in den Schienen und Risse in den eisernen Schwellen auf. Es wurde daher ein vollständiger Umbau der Versuchsstrecke in Aussicht ge nommen und mit wohlwollender Unterstützung der preußischen Eisen bahnverwaltung im letzten Sommer durch die Eisenbahnbrigade aus geführt. Dabei fand eine vollständige Erneuerung des alten Kies bettes statt, an dessen Stelle eine Unterbettung mit Basaltkleinschlag » getreten ist. Als Gestänge wurde der preußische schwere Oberbau für Schnellzugsstrecken verwendet, mit 12 m langen Stumpfstoß- sehienen von 41 kg/m und großen Hakenplatten auf 18 kiefernen Schwellen. Die Löcher der Schwellensehrauben sind mit Hartholz dübeln ausgefüttert. Mehr aus Vorsicht, als weil man von der Notwendigkeit über zeugt gewesen wäre, wurde eine besondere Schutzeinrichtung gegen Entgleisungen angebracht, die aus zwei wagereeht liegenden, die Fahrfläche mit der oberen Fußkante um 50 mm überhöhenden Schienensträngen besteht. Diese Streiehsehienen ruhen auf guß eisernen, mit den Schwellen verschraubten Stühlen und sind an dies en an jeder Schwelle mit je einer Schraube befestigt. Die so gebildeten Spurrillen haben eine Weite von 50 mm erhalten. Diese Anordnung ist auch durch den Bahnhof Rangsdorf unter Beseitigung der zu durchfahrenden Weichen durchgeführt. In Mahlow, wo die Weichen nicht entbehrt, werden können, und die Fahrgeschwindigkeit eine ge ringere ist, sind besondere, von denen der freien Strecke etwas ab weichenden, beweglichen Schutzvorrichtungen an den Weichen ange bracht. Soweit die bisherigen Wahrnehmungen reichen, sind die Streiehsehienen nicht in Wirksamkeit getreten. Damit ist also wohl der Nachweis erbracht, daß die gebräuchlichen Oberbauformen auch bei einer Fahrgeschwindigkeit von kOO km/st noch ausreishen und daß für die von manchen Seiten als notwendig erachteten, sogenannten .einsehienigen Oberbauarten kein Bedürfnis vorliegt. Außer dem Gleis sind auch die Drehgestelle einem gründlichen Umbau unter worfen worden, wobei der Radstand von 3,5 auf 5 m vergrößert, der Mittelzapfen seitlich verschiebbar gemacht und an Stelle der die Federn zum Teil verdeckenden Rahmen andere gesetzt wurden, die die genaue Besichtigung dieser für die Sicherheit sehr wesentlichen Teile gestatten. Ferner wurde eine gleichmäßigere Verteilung der Wagenlast auf die einzelnen Räder erreicht, so daß die Wagen jetzt so ruhig laufen, wie bei einer Geschwindigkeit von 130—140 km. Ein Mitfahrender sagt, daß wenn man in die Ferne aus dem Wagen hinaus sah, so überkam einem ordentlich ein behagliehes Gefühl. Nur auf ganz nahe Gegenstände durfte man nicht blicken, da wirbelte einem alles vor den Augen durcheinander. Die verwendete Spannung betrug jetzt 14 000 Volt, die Höchst geschwindigkeit wurde auf der 5 km langen Strecke Mahlow-Dahlow- Rangsdorf erreicht, die in 1 x / 2 Minuten durchfahren wurde. Die Gesamtstrecke (23 km) wurde mehreremale in je acht Minuten durchfahren. Mit der erzielten Durchschnittsgeschwindigkeit von 175 km/st. könnte man die 577 km. Berlin—Köln in 3 1 / 4 Stunden durchfahren, anstatt jetzt im günstigsten Falle in 9 Stunden. Natürlich wird es noch vieler Versuche und großer Kosten be dürfen, ehe die elektrischen Schnellfahrten reif für die allgemeine Einführung sind, aber stolz können wir sein, daß es Deutschland ist, von dem eine neue glänzende Perspektive in der Verkehrsteehnik eröffnet wird, und daß sich auch in diesem Falle wieder einmal, wie so oft, die geniale Ueberlegenheit der deutschen Ingenieure und die Kühnheit des deutschen Unternehmungsgeistes bewiesen hat. Silesius. Elektromagnetische Hebezenge. In verschiedenen großen Industriewerken des amerikanischen Westens kommt der Elektromagnet seit kurzem für eine neue Verwendungsart in Betracht, die in dem Heben und Transportieren von eisernen Gegenständen besteht, und zwar werden die bisher gebräuchlichen Haken und Ketten durch einen Elektro magneten ersetzt, dessen Größe im Verhältnis zur Verwendungsavt steht. Dieser Magnet ist mit einer Dynamo durch Leitungsdrähte verbunden, besitzt einen Anschlußpol möglichst im Zentrum und 2 außenseitige Pole, die miteinander im Kontakt sind und eine zeitweilige Stromausschaltung ermöglichen. Der übrige Teil des Mechanismus ist im allgemeinen derselbe wie bei sonstigen Kran winden ; al3 Zugabe kommt ein Sehaltbrett zur Kontrolle des Elektromagneten in Betracht. Wenn ein Stoß Stahl- oder Eisenplatten fortbewegt werden soll, so hat man nur die Laufkatze des Krans auf sie hinabzusenken und die Kette oder Transport von Eisenblöcken mittelst Elektro-Magnet. Kabel mit dem Magnet in Verbindung zu bringen. Sobald der Elektromagnet in Kontakt mit der zu transportierenden Eisen- oder Stahlmenge, erhält er’durch Stromeinschaltung sofort die nötige Energie, um die Eisenmasse festhalten zu können. Die Vorteile dieser neuen Anordnung treten klar zu Tage, wenn man bedenkt, wieviel Schwierigkeiten häufig die Umladungen und Transporte von schweren Eisengewichten verursachen, meistens müssen sie von Dutzenden von Arbeitern gehoben und mit Ketten zusammengefügt werden, um das Abgleiten der einzelnen Stücke zu vermeiden. Der Magnet indessen leistot die Arbeit des Anhängens unter Zuhilfenahme von nur einem Mann, das gleiche ist der