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11' XXI. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 11. 1903/1904. das Gewicht der Lokomotive erst die Haltbarkeit des Oberbaues der Bahnstrecke erprobt werden mußte. Leider hat sich bei der ersten Fahrt ein unliebsamer Zwischenfall ereignet, als nämlich die Lokomotive auf den Göttinger Bahnhof zurückkehrte, stellte sieh heraus, daß das Lager an einer der Treibachsen während der Fahrt geschmolzen war. Die Lokomotive wurde sogleich in die Maschinen werkstätte geschleppt, wo der Schaden repariert wird. Bei der nächsten Probefahrt soll die Lokomotive mit 4 bis 5 D-Wagen belastet werden. Nachdem die Lokomotive, die wohl als die schnellste der Welt bezeichnet werden kann, auch auf der Militärbahn Berlin—Zossen ihre Probefahrten gemacht, wird sie von der Firma Henschel & Sohn in St. Louis ausgestellt. Liebetanz. Der elektrische Lichtbogen und seine Anwendungen. Von Jul. Bing, Dipl-Ingenieur, Cöln. Es giebt wohl kaum ein Gebiet der Elekrotechnik, welches in den letzten Jahren so vielseitige Neuerungen gefunden hat, wie das der Beleuchtungstechnik In erster Linie ist es das elektrische Bogenlicht, welches fast täglich in neuen Erscheinungen sich uns darbietet. Es dürfte sich deshalb der Mühe lohnen, die Entwicklung des Bogenlichts und seine neuesten Erfolge gleichzeitig mit den modernen Anwendungen des Lichtbogens überhaupt in kurzen Zügen einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Davy verband 1808 Holzkohlenstücke mit den Polen seiner Batterie von 2000 galvanischen • Elementen, brachte die Kohlen zum Kontakt und zog sie dann langsam auseinander. Es bildete sich zwischen denselben eine glänzende Lichterseheinung, der elektrische Lichtbogen. Eine ähnliche Erscheinung des Uebergancs des elek trischen Stromes durch eine Gasstrecke war schon viel früher in Form der Geißler’schen Röhre bekannt. Hierbei fand jedoch das Ueber- strömen auf größere Entfernung in einem gasverdünnten Raume statt und zwar unmittelbar nach Anlegen der entsprechend hohen Spannung, im Gegensatz zum Kohlenbogen unter atmosphärischem Druck, wo die Lichtbogenbildung erst durch gegenseitige Berührung der Elektro denenden eingeleitet werden mußte. Außer durch Berührung läßt sieh auch die Bogenbildung einleiten, wie Herschel und Daniell im Jahre 1840 gezeigt haben, durch Ueberschlagenlassen von elektrischen Funken zwischen den Kohlenspitzen. Diese Form des Entzündens hat jedoch nur theoretisches Interesse. Es sei hier zunächst die charakteristische Form eines zwischen vertikal übereinander stehenden Kohlen erzeugten Gleichstrombogens betrachtet. Der positive Pol befindet sicu hier, wie ge wöhnlich, oben angeordnet. Man wählt hierbei immer die Anode stärker als die Kathode, da sie schneller ' erzehrt wird als diese. Betrachtet man den Bogen (Fig. 1), so findet man an ihm 2 Zonen scharf unterschieden : einen violetten inneren Kern K, umgeben von einem äußeren Mantel M von grünlich weißem Lichte, der so genannten „Aureole.“ Die größte Hitze sendet der innere Kern K aus, er ist die eigentliche Strombahn. Durch seine Wärme vergast er die Kohle teilweise und die gebildeten Gase verbrennen unter dem Einfluß des Luftsauer stoffs in der Aureole. Die Maximaltemperatur an der Ansatzstelle R des Kerns K an der Anode. Diese Stelle bildet sich als eine kraterförmige Vertiefung aus und liefert vermöge der dorr herrschenden intensivsten Weißglut das meiste Licht. Bei der Kathode ist nur eine kleine Spitze S weißglühend. Von diesen hellglühenden Elek trodenspitzen aus nimmt die Hitze immer weiter ab. Der nur ganz dunkel glühende Teil P zeigt warzenartige Erhebungen, die wahr scheinlich aus in den Kohlen enthaltenen und in der Hitze zusammen gesinterten Verunreinigungen bestehen. Wie in neuester Zeit, die auf dem Gebiet des Gleiehstrombogens als Autorität geltende Frau Ayrton gezeigt hat, ist die Ausdehnung des Kraters und der Spitze S von der Stromstärke abhängig. Das eben beschriebene Bild zeigt sich nur bei einem Gleiehstrombogen, der mit einer Spannung von 40 bis 45 Volt brennt. Ist der Bogen kürzer, d. h. die Spannung kleiner, so bildet sich das Kathodenende zu einem sehr spitzen Kegel aus, dessen Spitze bei genügend kurzem Bogen in den Krater der Anode hinein ragt und so das oft beobachtete Zischen des Bogens verursacht. Ist die Spannung höher als der oben angegebene Wert, so findet das Ent gegengesetzte statt. Die Kathode erhält dann eine stumpfere Spitze. Gehen wir nun zur Betrachtung des Wech selstrombogens über. Bei ihm wechseln in ver schiedenen aufeinander folgenden Zeitmomenten die Elektroden fortwährend ihre Stromrichtung. Es wird hierdurch jede Kohle einmal zur Ka thode, das andere Mal zur Anode. Die Folge . davon ist, daß beide Spitzen das gleiche Aussehen erhalten, sie brennen stumpfkegelig zu (Fig. 2). Nach oben und unten fällt infolgedessen die gleiche Lichtmenge, die hauptsäch lich von den Flächen f t und f 2 ausgestrahlt wird. Da man nun meistens das Licht nach unten verteilt haben will, muß man über den Kohlenspitzen einen Reflektor anordnen, der das Licht der unteren Kohle nach unten reflektiert. Die Grundform des Kohlenbogens, der mehr oder weniger ab gestumpfte Kegel, rührt v >n dem seitlichen Angriff des Luftsauer stoffs her; denn da die Hitze nach den Stromübergangspunkten hin zanimmt, so muß auch proportional hiermit der Abbrand zunehmen, woraus sich die Kegelform ergibt. Daß dies tatsächlich der Fall ist, bestätigt der Lichtbogen der sogenannten Dauerbrandlampen. Es ist dies ein Bogen, der in einem an Sauerstoff armen Luftgemisehe brennt. Hierdurch verzögert sich der Abbrand und man kann so mit einem Kohlenpaar bis zu 250 Brennstunden erreichen, gegen 10 bis 16 beim offen brennenden Lichtbogen. Der Lichtbogen der Dauerbrandlampe hat das folgende Aussehen (Fig. 3), sowohl bei Gleich- als auch bei Wechselstrom Infolge des Luftmangels fällt der seiiliehe Abbrand der Kohlenenden fort; es können die Kohlen keine Spitze bilden und brennen flach zu. Ein Misstand des Lichtes der Dauerbrandlampe ist seine große Unruhe, die durch das „Wandern“ des Bogens an der äußeren Kante der Flächen f hervorgerufen wird. Es sucht sich hierdurch der Bogen immer die nächst kürzere Uebergangsstelle. Der Dauer brandbogen erfordert mindestens etwa die dop pelte Spannung wie ein offen brennender Bo gen ; sein Licht wird dadurch bläulicher und enthält mehr chemisch wirksame Strahlen, in folgedessen es sich sehr gut für photographische Zwecke eignet. auf die modernen Anschauungen über das Wesen des elektrischen Lichtbogens ein. Wie in jedem stromdurch flossenen Leiter, so nimmt man auch im Lichtbogen als Träger der elektrischen Energie kleinste Massenteilchen an, die Jonen. Diese werden durch die Wärmewirkung des Stromes an den Elektroden spitzen vom Elektrodenmaterial losgerissen und fliegen mit Elektrizität beladen von einer Elektrode zur andern. Sie bilden somit eine Brücke zur Ueberführum: des Stromes, bei deren Nichtvorhandensein auch kein Stromübergang erfolgen kann. Hierdurch erklärt sich auch, daß der Bogen erst nach vorhergehender Berührung der Elektroden zu Stande kommen kann; an der Berührungsstelle wird die Kohle stark erhitzt, teilweise verdampft, so daß sich Mas-eteilchen bilden, die dann den Strom überführen können. Ebenso wirkt die Hitze einer Funkenentladung zwischen den Elektroden, wie vorher sch n angegeben wurde. Ja, man kann sogar durch Anwärmung der Spitzen und der Luftstreeke mit einer Gasflamme den Str omübergang einleiten. Die Stetigkeit des Lichtes läßt sich vergrößern, wenn man die Elektroden mit einem leichter flüchtigen Kohlenmaterial versieht, und zwar füllt man hiermit einen Docht der Kohlen an. Bei Gleich strom ist die positive Kohle Doehtkohle, bei Wechselstrom alle beiden. Die Wirkung des Dochtes läßt sich nach Vorstehendem leicht ein- sehen; durch die größere Flüchtigkeit seines Materials unterstützt er die Jonenbildung, also auch den Stromübergang und erhöht so die Stetigkeit des Lichtes, Die größte Lichtmenge unserer gewöhnlichen Bogenlampen stammt, wie schon vorher angegeben, aus der in intensivster Weißglut befindlichen Kraterfläche der Anode. Der Lichtbogen selbst hat nur geringen Anteil an der Lichtausbeute. Der Krater des Gleich strombogens erzeugt allein gegen 85 pCt. der Gesamtlichtwirkung, 10 pCt. entfallen auf die kleine Spitze der Kathode und nur 5 pCt. auf den Lichtbogen. Es wurden deshalb schon sehr früh Versuche angestellt, um diese Verhältnisse zu verbessern. Man suchte die be deutende Lichtbogenhitze für die Lichtwirkung günstiger auszunützen. Im Jahre 1844 stellte Casselmann Lichtbögen her zwischen Kohlenstäben, die mit verschiedenen Zusätzen präpariert waren, so z. B. mit Chlornatrium, Strontiumnitrat, Aetzkali, Borax etc. Er fand hierbei, daß sich die Lichtausstrahlung wesentlich verbessert hatte; gleichzeitig änderte sich damit auch die Farbe des Lichtes, je nach der Art des Zusatzes. So fand er, daß der Bogen immer die Spektralfarbe des betreffenden Metalls annahm. In neuerer Zeit sind diese Versuche durch den Vorgang von Bremer (1898) zu praktischer Verwendung gelangt. Bremer setzt dem Kohlenmaterial 20—50 pCt. der verschiedensten Metallsalze zu. Hauptsächlich sind dies Kalium-, Magnesium-, Strontium-, Silicium- und Fluorverbin düngen. Die hier mit präparierten Kohlen sind Doehtkohlen, deren Docht sowie deren Mantel die Zusätze enthalten. Diese Kohlen werden fast ausschließlich in Lampen gebrannt, deren Kohlenspitzen schräg nach unten ge richtet sind, so daß der Lichtbogen folgender maßen aussieht (Fig. 4). Man erzielt durch diese Anordnung eine wesentlich höhere Lieht- ausbeute, da jetzt fast alles Licht nach unten fällt. Bei diesen Lichtbögen liegt der Haupt anteil der Lichtausstrahlung nicht mehr in den weißglühenden Kohlenenden, sondern im Licht bogen selbst. Auch haben sie eine bedeutend größere Länge als die im Maximum etwa 5 mm betragenden der gewöhnlichen Kohlen. Sie schwankt zwischen 10—25 mm. Das Aussehen dieser langen Bögen Fig. 4.