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Anmerkungen. Wie bei fast jeder mathematischen Disciplin lassen sich auch in der Entwickelung der Algebra zwei Perioden unter scheiden: eine naive und eine kritische. Als das Jahr, in welchem die Algebra von der ungebundenen Productionsweise, die mehr auf Erweiterung als auf feste Sicherung des Besitzes bedacht ist und in der statt strenger, scharfer Beweise auch bisweilen das Hypothetische, welches dem Autor selbst oft nicht klar zum Bewusstsein kommt, eine Eolle spielt, in ein reiferes Stadium übertrat, kann wohl mit Recht das Jahr 1799, in welchem die Dissertation von G. F. Gauss (1777—1855) erschien, angesehen werden. Die Gauss’sahe Arbeit (abge- druckt in Heft 14 der Klassiker) stellt die Algebra zuerst auf sichere und einwandsfreie Grundlage, indem sie einen strengen und exacten Beweis für den Fundamentalsatz, dass jede alge braische Gleichung wenigstens eine Wurzel besitzt, liefert. A. a. 0. im § 9 (p. 20 der Ausgabe der Klassiker) stellt Gauss auch bereits anlässlich der kritischen Besprechung der Beweise seiner Vorgänger die Auflösung der allgemeinen Gleichung fünften Grades als ungemein unwahrscheinlich hin. Unter Auflösung versteht Gauss hierbei eine algebraische, d. h. eine Darstellung der Wurzeln der vorgelegten Gleichung durch eine endliche Anzahl von Wurzelzeichen oder Radicalen, also eine Zurückführung der vorgelegten Gleichung auf reine Gleichungen (x n = a). Der erste einwandsfreie Beweis für die Thatsache, dass Gauss mit seiner Behauptung recht hatte, wurde von N. H. Abel (1802—1829) in seiner 1826 erschienenen Arbeit: Demonstration de l’impossibilite de la rdsolution algdbrique des öquations gdndrales qui passent le quatrieme degrd« er bracht (1. Band des ßrelfe’schen Journals f. d. r. und ang. Math. = Oeuvres*), p. 66). Vorher hatte sich schon Paolo Ruffmi *! Unter den Oeuvres von Abel sollen im Folgenden die Oeuvres completes de Niels Henrik Abel, nouvelle ddition publide par L. Sylow et S. Lie (1881) verstanden werden.