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75 76 dungsstückes jetzt hauptsächlich in der möglichst dünnen und geschmeidigen Bearbeitung zu suchen ist. Um diese zu erreichen, muß bei jeder Art von sogenanntem Bei legen wohl beachtet werden, daß cS immer nur so weit geht, als es zur Befestigung eben nöthig ist; denn je der Uebersluß des Besatzes macht die Arbeit plump und unbeholfen, besonders in ganz feinen elastischen Stoffen, in denen sich die Leinwand leicht durch und durch aus zeichnet. Der aufmerksame Arbeiter wird auf diesen Umstand jederzeit Rücksicht nehmen. — Ein Hauptvcrdienst deS guten Arbeiters be steht aber in der genauen Bekanntschaft mit dem Schnitte des Meisters. Fast jeder Meister hat seine besonderen Eigenheiten im Zuschncidcn, und jeder andere Schnitt verlangt seine eigcnthümliche Behandlung. AuS diesem ! Grunde ist es leicht erklärlich, daß der Arbeiter ein richtig zugcschnittcnes Kleidungsstück so Herstellen kann, daß es paßt, aber auch, daß cs, so zu sagen, nicht paßt. — Möge man dagegen cinwenden, waS man wolle, die Zeiten sind vorüber, wo der Meister auf die pcrs hergestellt, sondern auf's Gcradewohl zugeschnilteik und oft erst durch mehr, als einmaliges Anprobiren znm Passen gebracht wird, ist ein Verständnis und ge naue Auffassung desselben von Seiten des Arbeiters kaum zu verlangen. Schnitte, welche mit der Natur des Körpers möglichst, übereinstimmcn, d. h. nach den Körpermaßen berichtigt wurden, sind dagegen dem Ar beiter bald, verständlich und zeigen ihm zum Thcil von selbst schon, den Weg, w'elcher einzuschlagcn sein wird. Jc.vorgcbogcncr z. B. der Wuchs eines Mannes ist, destoDöheroder länger wird der Arbeiter das Rücken- thcit im Vergleich zum Vorderthcilc finden, sobald näm lich 'beide richtig zugeschnitten sind. Das Achselstück dcö stLordertheils wckd kürzer erscheinen , die Sciten- naht.st^Folge des'gewölbten Rückens ovaler und die obere''Leitenspitze höher sein. Hieraus kann nun je der geübte Weiter sogleich bcurtheilcn, wie jeder ein zelne Dheil des vorliezdnden.Kleidungsstückes gchalren und zusammengesetzt sein will. — Je rundlicher und Unfehlbarkeit eines Schnittes pochen konnte; jetzt hängt* das Gelingen zugleich vom Arbeiter ab, umsomehr, da das Austreiben und Einbügeln gewisser Stellen dem Schnitte erst die eigentliche Körperform geben muß. Ohne dieses müßte der Schnitt entweder eine ganz ' andere, dem Körper nicht angemessene, Form erhalten, oder das Kleidungsstück könnte nicht im Entferntesten jene Eleganz und amnuthige Bequemlichkeit erlangen, i welche als Hauptlheile seiner vollendeten Schönheit zu betrachten sind. — Tie richtige Behandlung und Bearbeitung eines Schnittes setzt aber auch zugleich eine gewisse Kenntniß der verschiedenen Körpcrgestaltungew-voraus; denn der ! Rock eines vorgcbogencn Mannes verlangt eine ^ andere Behandlung, als der eines zi^rückgebvgcncn. Eine flache Brust will anders gehalten scin^ als die ovale; das Ansehen der Schöße muß anders gcschc- I hen, wenn die Hüften stark hervorstehcM und wie- > der anders, wenn sie flach sind. Bei starkentwickcltcn ^ Schulterblättern und gewölbtem Rücken wollen die Sei- tcniiähtc anders zusammengesetzt sein, als wenn der Rücken flach und wohl gar ei »gezogen ist, und noch anders, wenn sich ein hohles Kreuz bei starkem Gesäß vorfindet. Selbst das Einsetzen der Aermcl muß verschiedenartig geschehen, jcnachdem die Schultern zurück- oder vorgcbogcn sind und der Obcrarmknocken mehr oder weniger hervorstechend ist u. dcrgl. m. Ans diesem Grunde ist nun auch eine nähere Verständigung ^ des Meis ers oder Zuschneiders mit dem Arbeiter fast unumgäm lich, sobald die relative Vollkommenheit deS Kleidungsstücks erreicht werden soll. Die Kemuniß der Eigenheiten des Schnittes und die möglichst angemessene Bearbeitung sind für den Ar beiter um so schwieriger, je unsicherer die Zuschncidcrci des Meisters ist. Denn sobald der Schnitt nicht in möglichster Konformität mit den Verhältnissen deS Kör- pvalei^die Leilcnnähtc sind, desto völliger wird man das Hintertheil bci'mrZusamknensctzen derselben halten müssen, namentlich in der Gegend des^Schultcrblattes, weil der Rücken dcs?»orgcbogei>cn Wuchses langer und oval ist. Ist dagegen dje ^citcnnaht sehr flach geschnitten, so wird der aufmcicksamc Arbeiter leicht cr- rathen, daßZ>er Rücken des Mcknncs'glatt und die Schulterblätter nicht stark entwickelt sind, daher die Sei- " tcnuähte ziemlich glatt zusamnKimesctztlverden können. Ist der Wuchs, zurückgebogcn, ^ >o wirF'sich in allen Dimensionen des Schnittes gengu,das Gegenthcil der in Bezug auf den vorgcbogcnciz ckLucbA angeführten Verhältnisse vorsindcn, «daher auch die Behandlung des betreffenden Kleidungsstücks eine ganz andere sein müssen. Der Kragen kann in seiner Lange bei einer und derselben Obcrleibweite um 3 Ceiiym. varichen, jcnach dem die Haltung deS Körpers vor ^oder zurückgebogcn ist. ZölAt dies auch schon die Läckgc und Beschaffen heit des^richtig zugeschnittencnHalÄ-vcheö an, so kommt eö doch^allch sehr viel daraus an, Die der Kragen ans- . gesetzt, bearbeitet und gebügelt wird.W Während bei'm vorgeboeAvn Wüchse der Kragen ziemlich glatt, auch, wohl im?äußersten Falle straff ausgefetzt und der Bruch« dessclbenl möglichst kurz gehalten w^ckon muß, findet " ' " Geg ^ " bei'm znrückgcbvgenen Wuchs in Allem-das Gegenthcil statt. Die Körpergestaltnng kann demnach anf die Kra-' gcnform sie mächtigste Wirkung äußern; und da cs in den meist.erck Werkstätten dem Arbeiter icherlassin bleibt, sich die Keagcnpatrone selbst cinzurichtcn, so geht schon' daraus di« Nothwendigkcit hervor, daß der Meister , sich mit dem Arbeiter über die Eigenheiten seines Zu- j schnitteS izghsr- verständigt. — ' Ganz- dasselbe läßt sich von dem Ersetzen der Aer- ' mel sagen.W',. Web die Verschiedenheiten beobachtet, j welche bei «injgen abweichenden Körperconsvrmationcn, » namentlich vei hoch- oder ticfstehenden und ungewöhn- l lich starken Schultern, bei sehr hervorstehenden Ober- *