Volltext Seite (XML)
O^erlaositzer^Ieimatreitung 111 1^.5 allgemein und alle Fassung verloren. Es war fürwahr, als sollte das Unglück Hamburgs sich im Kleinen an einer Säch sischen Stadt wiederholen. Über 3000 Menschen wurden ob dachlos. Ein Bewohner von Camenz schrieb am Tage nach dem Brande: „Ein grenzenloser Jammer herrscht überall! Doch das Vertrauen zu Gott und zu der Hilfe guter Men schen gibt Muth." Und dieses Vertrauen hat auch die Un glücklichen nicht sinken lassen. Gott und gute Menschen halsen Eamenz wieder aufbauen. Viele Kinder, welche ohne Unter richt nmherirrten, fanden in benachbarten Städten bei Men schenfreunden Ausnahme, und selbst die.Lehrer begaben sich in die Städte, wo die meisten dieser Kinder untergebracht wor den waren, um sie dort zu unterrichten. — Das hauptsächlichste Gewerbe der Stadt ist die Tuch fabrikation, welche über 200 Tuchmacher, die Gesellen mit eingerechnet, beschäftigt. Sehenswerth ist die Haupt- oder St. Marienkirche. Zwölf Säulen tragen, in einer Höhe von 30 Ellen, das aus starken Granitmauern anhebende Gewölbe. Alte, werthvolle, vergol dete Standbilder, Personen der heiligen Geschichte darstellend, zieren den Altarplatz. Außerdem verdienen Erwähnung: die Kloster- und St. Annenkirche, in welcher der wendische Got tesdienst stattsindet, und die Katechismus- oder Jesuskirche, das älteste öffentliche Gebäude der Stadt, auf einem Vorsprunge des felsigen Burglehns gelegen. — Das Barmherzigkeitsstist wurde im Jahre 1824 durch einen Arzt, Dr. Bönisch, gegründet und erhielt den End zweck, arme Kranke aufzunehmen und zu verpflegen. Da der Begründer der Anstalt zugleich bestimmte, daß dieselbe den Namen des berühmten deutschen Dichters Gotthold Ephraim Lessing*), welcher am 2. Januar 1729 in Eamenz geboren wurde, tragen und „Lessingstist" genannt werden sollte; so flös sen Beiträge aus allen Ländern Deutschlands der Anstalt zu, die schon bis jetzt ein Segen für viele Unglückliche gewor den ist. — Wie die Oberlausitz überhaupt, so hatte auch Eamenz ini Hussitenkriege schwere Drangsale zu erdulden. Es war am 3. Oktober 1429, als die wüthenden, blutdürstigen Schaaren der Hussiten vor den Thoren der Stadt erschienen und Oeff- nen ihrer Thore forderten, das aber fest und männlich zurück gewiesen ward. Alle Bewohner von Camenz, die Greise, Wei ber und Kinder nicht ausgenommen, wurden damals zu muth- vollen Vertheidigern ihrer Vaterstadt und hielten drei Tage hindurch die Bestürmuna desselben glücklich ab. Leider aber öffnete Verrath in der Nacht zum 7. October dem Feinde die Burg, und nun war auch die Stadt in seinen Händen. Am nächsten Morgen bedeckten 1200 Leichen die Gasten dec Stadt. Auch im dreißigjährigen Kriege hatte die Stadt schwere Opfer zu bringen. Doch ersparte gerade am Ende jenes Kriegs ein kluger Bürger seinen Mitbürgern eine große Summe durch folgende List: Es erschien ein schwedisches Corps und der Anführer drohte, die Stadt niederbrennen zu lasten, wenn sic nicht eine bedeutende Summe Geld an ihn abliesern würde. Da vergoldete der Goldschmied Berger mit einem Aufwande von drei Ducaten eine starke messingene Kette und hing die selbe, als Geschenk, über den Nacken des Schwedischen An führers, welcher, damit wohl zufrieden, seiner Gesellschaft so gleich Ordre zum Abmarsche gab. *) Er war der Sohn eines Camenzer Predigers. An Les sing sieht man recht, daß, was ein Häkchen werden will, sich zeitig krümmt. Einst sollte er nämlich als Knabe gemalt wer den. Der (Maler wollte ihn mit einem Vogelbauer darstellen. Nein, sagte Lessing, lieber mit einem großen Hausen Bücher. Er ward schon im 12. Jahre auf die Fürstenschule zu Meißen gebracht, wo er sich nicht einmal die Freistunden zu seiner Er holung gönnte, sondern dieselben aus Erlernung der Sprachen verwendete. Dabei war er nun auch ein sehr fähiger Kopf, und da ist's denn nicht zu verwundern, daß er viel lernte und ein sehr berühmter Mann wurde, dessen Name weit und breit mir Achtung genannt wurde und genannt wird. -^us cier Vergangenheit von Ksmenr Von Dr. Gerhard Stephan Ein Überblick. Die Geschichte der Sechs- und Lessingstadt Kamenz unter scheidet sich nicht wesentlich von der von Gemeinwesen ähnlich großer Art, in unserem Sachsenland, ja, alle Erscheinungen, die für eine Stadt im Mittelalter und in der Neuzeit kenn zeichnend sind, finden wir in mehr oder weniger starker Aus prägung auch in unserer Siedlung an der schwarzen Elster. Gegründet um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert blüht das Gemeinwesen im Zeitalter des Verfalls der rüttel alterlichen Kaisermacht bis zum 30jährigen Krieg mächtig cm por, um darnach nach den schweren Heimsuchungen dieses Religionskampfes sich nnr langsam und allmählich zu erholen. Einen zweiten Niedergang bringt der Kampf des großen Friedrich gegen Maria Theresia, einen dritten die Napolco irischen Feldzüge. Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts setzte ein neues Aufblühen ein, nachdem Bismarcks starke Hand den mächtigen Bau der Neichscinheit geschaffen hatte. Bis zum Weltkrieg bewegt sich die Linie wirtschaftlichen Ge deihens aufwärts, das furchtbare Ende des gewaltigen Völker ringens und Deutschlands Ohnmacht bedingen einen abermali gen Niedergang, den erst die jüngste Zeit der nationalsozia listischen Revolution zum Stillstand gebracht hat. Nachdem in schweren Kämpfen König Heinrich I., der Finkler 929, die (Mark (Meißen geschaffen und ihr 932 die Oberlausitz untertänig gemacht hatte, war der Grund zur deutschen Herrschaft gelegt worden. Deutscher Adel nahm all mählich die eroberten Lande in Verwaltung, so unfern Kamen zer Bezirk („Burgward") die Herren von Vesta aus einem alten thüringischen Adclsgeschlechte, das sich bald nach ihrem neuen Stammsitz: „von Kamenz" nannte. Es wird wohl eine W endensiedlung an der alten Furt durch die Schwarze Elster vorgefunden haben, denn die Gegend um Kamenz ist mindestens seit der Bronzezeit (2000—800 v. Ehr.) besiedelt. Um ihre Herrschaft zu festigen, riefen die Ritter deutsche Bauern und Bürger ins Land, und in einer Urkunde von 1 2 2 5, die erstmalig unserer Gegend Erwähnung tut, lesen wir von einer ganzen Reihe von Pfarreien und deutschen Waldhufendörfern neben den alten Mlendensiedlungenl. Um diese Zeit muß auch Kamenz Stadt mit M arktge- rechtigkeit geworden sein, vermutlich an dem uralten, später „Hohe Straße" genannten Verkehrsweg, der von Thü ringen durch Nordsachsen nach Schlesien führte. Zum Schwert des Kriegers und dem Pflug des Bauern und Städters gesellte sich bald das Kreuz der Kirche: 1248 legen die Herren von Kamenz den Grundstein zum heute noch bestehenden Kloster St. Marienstern.