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Echwankdichter kannte keine größere Freude, als arme Kinder zu beschenken. Ständig hatte er die Tasche voll Zehnpfennig, stücke. Tras er auf seinen Spaziergängen durch Görlitz irgendwo vor einem Bäckerladen ein ärmlich gekleidetes Kind, so drückte er ihm einen Nickel in die Hand und flüsterte ihm zu: „Geh' rein, kauf' Dir was." Ehe die Kleinen recht wußten, wie ihnen geschehen, war der alte freundliche Herr wieder verschwunden. In seinen letzten Lebensjahren wohnte Moser in Görlitz tElisabelh-Straße 16), wo er einige möblierte Zimmer bewohnte. Bon dort aus erschien er oft in der „Weinstube" von Bohland, wo er auch gern zu einem Kartensplelchen bereit war, allerdings mit weniger Glück. „Ich bin bar Geld für meine Freunde," pflegte er dabei oft scherzhaft zu Klagen. Auch im Cafö „Hand- schuh" war er ein gern gesehener Gast. Die ihn daselbst laut und feierlich begrüßenden Backfische bewirtete er mit Schokolade, Apfeltorte und Schlagsahne. Den Sinn für junge Schönheit hat sich Moser bis in seine letzten Tage bewahrt. Besonders schwärmte er für kleine Füße. Sein ständiges Geschenk für Benefiziantinnen usw. waren seidene Strümpfe. Zu den Besonderheiten seiner Wohnungsausstattung gehörte sein Stieselmuseum. Hören wir, was ein Besucher davon schreibt: „So vernehmen Sie denn, daß der ehemalige Offizier, der sein Cyargenpserd mit dem Pegasus vertauschte, nur drei Passionen hat. Die erste und die bekannteste ist die, für Hypochonder und lustige Leute sehr zuträgliche Lustspiele zu schreiben. Nummer zwei teilt er mit anderen Dichtern, wenn er sie auch nicht lyrisch besingt, wie der Kollege Goethe es mit Lilli, Friderike usw. tat. Die dritte Passion ist ihm allein e'gen. Ob sie sonst noch jemand hat, mögen Gott und der betreffende Schuster wissen, wenn nämlich ein Schuster dazu genügt. Jawohl, der liebenswürdige Verfasser des „Beilchenfresser" könnte sich als „Schuhsresser" bezeichnen. Zwar kaut er seine Stiefeln nicht — Kaviar und Austern zieht er, glaube ich, vor —, aber er sammelt Schuhwerk, wie andere Menschen Briefmarken, Steine und Münzen. Moser hat ein wahres „Stieselmuseum". Nach ungefährem Überschlag schätze ich es auf hundert Paare, die in wohlgeordneten Reihen auf und in allerlei Schränkchen und Gestelle» stehen. Vom hohen Kanonenrohr bis zum zierlichen, ausgeschnittenen Lackschuh, von der Schnürstieselette bis zum weichen Schlasschuh ist alles vertreten. Und dennoch hat der unglückliche Besitzer, wie er mir treuherzig klagte, nie etwas anzuziehen." Zu einer ganz besonders ausgiebigen Betrachtung könnten die I Beziehungen Mosers zum weiblichen Geschlecht anregen. So schreibt Paul Lindau, der ihm persönlich nahegestanden, von ihm: Bis in seine hohen Jahre bewahrte er sich dem weiblichen Geschlechte gegenüber eine goldige Naivität, die etwas geradezu Rührendes hatte. Er sah in jedem Weibe eine Griseldis und im Ballhause lauter Gretchen. Einige Aussprüche, die sich von Moser im „Görlitzer Dichter- heim" vorfinden, mögen seine Stellung zu den Frauen und damit zusammenhängende Lebenswahrheiten darlegen: „Einer Frau wird es leicht, ihren Mann zu betrügen, noch leichter einen Verehrer, aber am leichtesten betrügt sie sich selbst." „Treue Ist wertvoll für den, dem sie gehalten wird, aber noch wertvoller für den, der sie selbst hält." „Wenn Tu jung bist, glaube den Frauen, und Du wirst immer glücklich sein. Bist Du alt, zweifle immer, und Du kannst nie unglücklich werden." „Flüchtigkeit und Unbeständigkeit sind Geschwister, deren nächste Verwandte die Untreue." „Die erste und letzte Liebe gleichen sich wie Morgen» und Abendröte — dieselben Farben vergolden den Himmel, nach der ersten Liebe folgt der Helle, schöne Tag — nach der letzten die dunkle Nacht. Der Unterschied ist doch sehr groß." Zuletzt schließlich einige kurze Sprüche und Worte unsercs Dichters, die uns noch besonders beachtenswert erscheinen: „Die Jugend ist «ine Addition von Illusionen, das Alter rin Ketlenbruch von Enttäuschungen, dazwischen liegt die Zeit, in der man vergeblich bemüht ist, Gleichungen zu lösen." „Geld kann man wohl zuviel ausgeben, aber Verstand unmöglich mehr, als man besitzt." „Sprechen lernt der Mensch verhältnismäßig früh — schweigen erst spät — manchmal garnicht." „Übung macht den Meister! Das gilt für jede Kunst, auch für die Kunst zu leben." „Liebenswürdigkeit ist die Grazie des Verstandes." „Wer nicht zuviel Verstand hat, kann seine Gedanken nur als Splitter geben." Literatur: »Vom Leutnant zum Lustspieldichter." Lebenserinnerungen von Gustav von Moser. 1908. „Görlitzer Dichlerheim". 1903. „Neues vom alten Moser." Don Theo Heinz Scholz, l und II. „Neuer Görlitzer Anzeiger. 1915, Nr. 232 und 238. »Ein schlesisches Idyll." „Gebirgssreund" lll, 1891, Nr. 17. „Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahr» Hunderts". Franz Brümmer. O. Schöne. Göda bei Bautzen Zu seinem 850jährigen Kirchenjubiläum am 13. September 1926 Don Siegfried Stürzner, Dresden er von Dresden mit der schlesischen Bahn nach Bautzen fährt, sieht kurz vor der wendischen Haupt stadt zur Linken eine stattliche doppeltürmige Kirche herübergrüßen, die von einem Hügel aus weit in die Lande schaut und gleichsam die ganze Pflege beherrscht. Es ist Göda, eine Hochburg des evangelischen Wenden- tu ms, eines der größten Kirchspiele der Oberlausitz. Am 13. September feiert man hier die 850 jährige Wieder- kehr des Tages, da im Jahre 1076 Bischof Benno, der bekannte Volkswirt und Wundertäter, zu Göda ein Kirchlein gründete, um von da aus das Christentum auch den Wenden zu predigen und zu kolonisieren. Nur drei Orte der Lausitz können sich rühmen, an Alter gleichehrwürdige Gotteshäuser zu besitzen: Bautzen, Lichtenberg b.Pulsnitz und Bischofs werda, von denen das letztgenannte, wie noch erinnerlich sein dürfte, vor wenigen Monaten ebenfalls das 850 jährige Kirchen jubiläum feierte. Die Sage erzählt, Bischof Bennos greise Mutter Bezela habe hier in Göda ihren Wohnsitz gehabt. Der Ort hieß da- mals Godiwo und war zu jener Zeit gleich dem benachbarten Settchen der Sitz einer Burgwardet, eines Verwaltungsbezirkes. Dadurch hat sich Göda im Laufe der Jahrhunderte zu einem Mittelpunkt der Gegend entwickelt. Heute macht der Ort mit seinen eng aneinander gebauten Häusern, den zahl- reichen Handwerkern und Läden, der für den ländlichen Be zirk großen Einwohnerzahl und den vielen stattlichen Gast- Höfen, von denen sich drei — Roß, Landgericht und Hirsch — an der alten Heerstraße nach Schlesien gegenüberliegen, eher den Eindruck eines Städtleins oder eines Marktfleckens als eines Dorfes. Und man muß einmal einen Sonntag Vormittag hier gewesen sein, wenn aus den zahlreichen Dörfern rings in der Runde, die alle nach Göda ins Kirchspiel gehören, die An dächtigen zu Fuß, zu Rad oder auch mit Geschirr in Scharen erscheinen. Dann herrscht hier ein Leben wie in einem viel besuchten Städtchen und der Volkskundler kann interessante Studien machen. An die einstige Bedeutung Gödas als Mittelpunkt der wen- bischen Pflege erinnert noch heute an dem stattlichen 1584 er bauten Gasthofe zum Landgericht eine Inschrift, die den meisten Vorübergehenden wohl rätselhaft bleiben dürfte. Wir lesen da die Buchstaben: