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Der Ankauf der Lindnerschen Wiese ist das erste Beispiel für eine geschickte Kapitalsanlage des Gotteskastens. Doch kannten die Vorsteher auch noch andere Möglichkeiten, um die Geldmittel, die dem gemeinen Kasten zuflossen, sicher und gewinnbringend anzulegen. Dahin gehört, wie schon mehrfach ausgeführt, das Ausleihen von Geld auf Häuser, oder, wie wir heute sagen würden, die Begründung von Hypotheken. Die Zinsen, die die Hypotheken abwarsen, betrugen im allgemeinen 5 v. Hundert. Die Hauptschwierig keit für den, der eine Hypothek aufnehmen wollte, bestand in der Stellung von Bürgen und, wenn er den Kastenherren völlig unbekannt war, darin, daß sich jemand, am besten gleich einer von den Kastenherren selbst, seiner annahm und für ihn bat, ihm also seine Fürsprache angedeihen ließ. Ein Beispiel für das Gesagte ist fol. 120a, wo wir lesen: „Bartholomeus Schley Aufs vleyssig ersuchen vnnd bitten des Erbaren Herren Celestini Henninges sind Bartholomen Schleyen vom ge meinen Kasten gelihen worden funfftzig thaler ym 1561 th Iare aufs Michaelis, dauon sol Ierlich drittehalb (21/2) taler Interesse geben werden, vor welch geld sich obgedachter Herr yn bürgschafft eingelassen hat." Genau wie heute, stellte man an die Bürgen ganz be stimmte Anforderungen. Sie mußten Vermögen haben, das entweder in Liegenschaften, in Hypotheken, d.h.Erbegeldern, in Bargeld oder in sonstigen Sachwerten bestand. So findet sich NR.H2 vom Jahre 1550 folgender Vermerk: „Doroor Nicki Heyderich bürge der Sylberwerg vnnd Cleinodie ynne heldt." Sobald von Bürgen in den Kapitalienbüchern gesprochen wird, schlagen diese einen feierlichen Ton an und geben uns zugleich ein Bild, wie eine Verbürgung von statten ging. Offenbar wurde kein Bürgschastsschein ausgestellt, also kein schriftliches Bürgschaftsversprechen gegeben, sondern der Bürge erklärte sich durch feierliche mündliche Aussage und durch Aufheben der Hand zum Schwure bereit, für die ge nannte Schuld als wie für seine eigene zu haften. Das be weist uns am besten der Schlußsatz eines Vertrages in B 8: „Doroor als eygene schuldn George Keyser schneyder yn gnanter badergassen mit Hand vnnd mund gelübden yn burgeschafft mithafften sal." Natürlich konnte auch der Fall eintreten, daß jemand dringend Geld brauchte, aber keinen Menschen fand, der für ihn die Bürgschaft übernehmen wollte oder konnte. Dann gab cs nur den einen Ausweg: die betr. Person, die Geld geliehen haben wollte, mußte ihr gehörige Gegenstände den Kastenherren verpfänden. Das schönste Beispiel hierfür ist ein Satz in L, der lautet: „Dorvor ist ein kleyn sylbern paczen vnnd ein Choralle zu pffand eingelegeth." Die erborgte Summe konnte ganz nach Belieben vom Schuldner zurückgezahlt werden. Häufig blieb sie auch auf dem Hause stehen, ging mit dessen Verkauf auf den neuen Eigentümer über und wurde erst von diesem oder gar erst von seinem oder einem seiner Nachfolger zurückgezahlt. Freilich kam es auch vor, daß die Zinsen ein oder mehrere Fahre nicht gezahlt wurden. In diesem Falle werden sie „versessene Zinse", wohl auch „hinderstellige Zinse" genannt. Sie müssen später nachgezahlt werden, und zwar entweder im Ganzen oder so, daß sie auf eine Reihe der noch fälligen Zinsraten verteilt werden. Geraten die Zinszahlungen über haupt ins Stocken, so betreibt der Gläubiger, in diesem Falle also der Gotteskasten, einen Zwangsoerkauf oder sichert sich durch Eintrag ins Stadtbuch für den Fall, daß das belastete Grundstück verkauft wird, das Recht, vor allen anderen Schuldnern vom erzielten Kaufpreis die ausqelieheneSumme, mindestens aber zunächst die versessenen Zinsen abziehen zu dürfen. Ist die gesamte Schuld auf ordnungsgemäßem oder auf ebengenanntem Ausnahmewege vom Schuldner getilgt worden, so wird ins Schuldenregister der Vermerk ein getragen: „Die Hauptsumma ist erleget", oder auch „omniu cteclit", oder „omniu sunt 8olutu" und ähnliche Ausdrücke. Die Tage, an denen die Zinsraten fällig wurden, wählten die Parteien nach Vereinbarung. Am gebräuchlichsten sind Ostern, Pfingsten, Walpurgis, Martini und Weihnachten. Doch finden sich nicht selten auch andere Termine wie Donnerstag nach Oculi, Sonntag Laurentii, „auf negest oder schierst kommende zittisch Kirmes", „öffn kaltn ior margkt." Auch findet sich als Zeitpunkt, in dem jemand seine Schuld bezahlen will, angegeben: „wan er wirt sein bier gebrauen haben", oder „wan er wirt die mertzen vorthon hahn".^) An dieser Stelle mögen noch zweierlei Einnahmen gerin geren Umfanges ihren Platz finden, die wir K. I entnehmen. Seit 1568 wurden.in den Gasthöfen der Stadt Sammel büchsen für die Armen angebracht und drei Mal im Jahre entleert. Die Einnahmen waren freilich nicht allzu hoch; sie schwankten bei jeder Büchsenoisitation zwischen 2 und 3 Schock insgesamt. Das Handwerk der Rotlohgerber zahlte jährlich 6 Zitt. Mark an den Gotteskasten. Es schloß nämlich am 12. Noo. 1591 mit dem Scharfrichter unter Genehmigung des Rates einen Vertrag, wonach der Scharfrichter verpflichtet war, alle Häute vom gefallenen Vieh an die Rotlohgerberinnung zu verkaufen, wogegen sich diese verpflichtete, auf ewige Zeiten obengenannte Summe an den Gotteskasten abzu führen. In einem weiteren Abschnitte wenden wir uns nun noch mals zu den Einnahmen der Stiftung, doch nur, soweit sie nicht in Geldeinkünften bestehen. Die Absicht der Kasten herren, eine völlige Versorgung der Armen ins Leben zu rufen, legte bei mildtätigen Stiftern den Gedanken nahe, die Stiftung nicht nur mit Barvermögen und Schuld verschreibungen auszustatten, sondern ihr auch Kleider, Wäsche, Lebensmittel und noch zu verarbeitende Roh materialien zuzuwenden. Und wenn jemand selbst derartige Vorräte nicht besaß, das überwiesene Geld aber doch in dieser Weise angelegt wissen wollte, so nahm er in das Testament oder die Schenkungsurkunde dementsprechende Bestimmungen auf. So wünschte z. B. Dornspach, seine 300 Taler möchten ausgeliehen und von den Zinsen den Armen „holcz Korn speis vnd tranck gezeuget werden." Besonders NR. birgt auch in dieser Frage reichen Stoff, weshalb wir, meist unter Anführung des Urtextes, unsere Ausführungen aus ihm schöpfen wollen. Da lesen wir unter B 7. „Frau Barbara Hot am mitwoch post 388umption6m Marie ym 48sten (1548) 3 bellichen myttl leymet (Leine wand) onter die armen do es am meysten von nethen ist auszuteylen, zum gemeynen Kasten brengen lassen durch Johan von Hubergk." Und es folgt sofort dieser Vermerk: „Merten Stolle Hot den armen ein tuch gewant geschigt am Suntag Symonis vnnd Jude des 48 sol denen so yn der grösesten not sein, ausgeteilet werden." C 7: „Der wirdige her Caspar Heubl Prediger seliger gc- dechtnus hat geordnet vor seynem abescheyd von dieser wertet das den armen 21 scclebade vnnd iii (3) tuch gewant solln bestalt werden, montages noch Panthaleonis ym 49sten."