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Die Gründung des Zittauer Gotteskastens Bo» stuä jur. Wolfgang Mitter (Fortsetzung) B 1: „Byrnbaum ist schuldig lx (60) marg Zittisch die er geben sal von wegen des alden Gerstenhans, welches scheune zu negest dem Böhmischen thor er yn besytzung Hot onnd gnant gelt Anno ym Xlsten (1540), weyl es zuuor langest testiert ist worden, Hot ein erbar rath verordnet, daß Byrn baum vff ii (2) termin ytzlichen ii inarg geben sal so lang gelt weret. Dorzu wir beym Kasten ein kerbholtz haben." Hier ist die Lage ähnlich wie unter A 4, nur scheint es sich um ein regelrechtes Vermächtnis zu handeln: d. h. erst nach dem Tode des Gerstenhans, der seine Scheune an Birnbaum verkauft hat, und zwar mit der Eröffnung des Gerstenhans- schen Testaments wurde bekannt, daß der Gotteskasten der Gläubiger des Birnbaum werden solle. Damit nun der Schuldner die Schuld nicht ableugnen könne, hat sich Gersten hans ein Kerbholz, auch Kerb oder Kerbstock genannt, das die Stelle des heutigen Schuldscheins vertritt, ausstellen lassen, dos mit der Testamentseröffnung an den Gotteskasten über geht, wenn dieser die Erbschaft bezw. das Vermächtnis an nehmen will. Ein gleiches Kerbholz besitzt der Schuldner. In jedes von beiden sind soviel Kerben eingeschnitten, als Zahlungstermine vorhanden sind, im vorliegenden Falle also 30 Kerben, und da Birnbaum auf jeden Termin 2 Mark zu erlegen hat, so ist die Schuld in 15 Jahren abgetragen. Bon diesem Zeitpunkte an „weret gelt" nicht mehr. Als Quittung für eine geleistete Terminzahlung wird bei der Zahlung von beiden Kerbhölzern je eine Kerbe abqeschnitten, sodaß die beiden Hölzer stets die gleiche Anzahl Kerben auf weisen müssen. Don Vermerken, die sich auf das Kerbholz beziehen und in NR. zu finden sind, seien nur noch die fol genden erwähnt: obberuerte marcken sein vffm Kerbholz ab geschnitten, oder: eß seind noch XVI (l6) marck am kerp, oder C2: vnser (so. das Kerbholz des Gotteskastens) ist verloren worden. B 2: „Bartel Christel organista, des magistri Oßwaldi Pergamer is) vnnd Ioannis Zachariae Discipulus ist vor schieden czu Behmen zum Brandt eysen ") hot den armen gemeines Kastens IX marg bescheiden wie mir Joannes fuchs geeichtes Diener am Dornestag noch Lucie in kegenwertigkett Bartl Behnisch angetzeyget Hot. Im Xlllsten (1542)." Der in Brandeis an der Elbe verstorbene Organist Bartel Christel hat also dem Gotteskasten ein Vermächtnis aus gesetzt, aber nicht so, daß die Vermächinissumme wie in B 1 als Hypothek auf einem Grundstücke lastet und der Gottes kasten mit Annahme des Vermächtnisses Gläubiger des Grundstückseigentümers wird, sondern das Vermächtnis ist offenbar aus dem Barvermögen des Verstorbenen zu be streiten. Der Gotteskasten wird also Gläubiger der Erben des Verstorbenen bezw. derer, die seinen Nachlaß verwalten. Die Nachricht von dem Vermächtnis überbringt der Kasten verwaltung — in Frage kommt durch das Wörtchen „mir" Johann von Huberg — der Gerichtsdiener. Wir haben uns die Lage wohl so zu denken, daß der Rat von Brandeis den Erbfall an den Rat bezw. an die Stadtgerichte von Zittau melden ließ, die nun ihrerseits durch den Gerichtsdiener dem Gotteskasten von dem ihm zugefallenen Vermächtnis Mit teilung machen. Der Gerichtsdiener wurde aber auch sehr häufig als Zeuge bei Testamentserrichtungen zugezogen, wie wir das auch aus B 8 ei kennen können: „Christina Scholczin Hot ircn letzten willen gemacht mit bewußt her Wolffgang Posseltes vnnd guter frunde Ioannis gerichtsdiners etc man sie todeshalben abeginge So füllen die vorsorger des gemcynen Kastens auff der Äpotecke noch dem rathe armen leuten zu nutz acht zittisch marg fordern vnndeynmahnen. Actum 1533 in diepentecostes(Pfingsten.)" Wir haben es hier wiederum mit der Abtretung einer Hypothekenforderung in einem Testament zu tun. 1545 scheint Christina Scholz gestorben zu sein, und als man nun an die Vollstreckung des Testaments gehen wollte, fanden sich Unrichtigkeiten; denn wir lesen: „Im Xlvsten (1545) montages vor Kiliani bin ich Johan Huberg mit Joanne Rotochsen vor einem Erbarn rache gewesen, ist gedachtem testament ein vffschueb genohmen den es war yrrtg." C 3: „Christofs Werner vorm srauen thor vnnd sein weyb habn beyde mit reyffn rothe vnnd guitcr vornunfft bewilliget, man eines onter yhn des andern todt erlebt das selbig sol vnnd wil arm vnnd reich zu gutte yn gemeynen kastn den armen V (5) marg einlegen onnd vberaittworten." Auch diese Form einer Zuwendung war sehr üblich. Sie ist gleichfalls eine Zuwendung auf den Todesfall, nur daß es nicht feststeht, wer von mehreren Personen — hier sind es zwei Eheleute — das Vermächtnis wird auszahlen müssen. Die Abmachung datiert vom Mittwoch nach Felicis und Adoucti 1545. Ein interessanter Beitrag ist auch folgender Vermerk unter G 2: „Greger Prockisch von wegen Simon Prassens, denen er erstochen am montag nach Concepcionis Marie ym 46 (1546) vffm rothause vor gerichten II (2) schog yn gemeynen Kasten H (Herrn) Michel Gcysselern gegeben." V 3: „Wolffgange kopperschmyde beym behmischen thor ist junge Melchior tuchmachcr vor ein pfferd viii (8) polnische marg schuldig vorblieben, nachdem er solch gelt zugeben vn- oormögend, Hot er sich bewilliget wei» (wenn) sein Hauff vor kaufst wird, sollen die Vorsteher gemeines Kastens beruerth geldt den armen zu gutte einmahncn." Das Zuwendungsverhältnis, das V 3 zugrunde liegt, ist eines der seltensten. Es besteht hier darin, daß Wolfgang Kupferschmied von dem Tuchmacher 8 polnische Mark zu fordern hat, die er offenbar dem Gotteskasten schenken wollte, sodaß er also seinen Herausgabean'pruch, den er gegen den Tuchmacher hat, an den Gottcskasten abtritt. Da der Tuch macher zufällig in diesem Falle nicht zahlen kann, so ent wickelt sich aus der Kausschuld eine Art Hypothekenschuld. Deshalb bringt V 2 diese Zuwendungsart vielleicht noch besser zum Ausdruck: „Balten röscher tuchmacher ist schuldig gewest peter reicheln, görlitzer genant, vi (6) schog, welche gedachter Görlitzer den vorstehern gemeynes Kastens eingcreumet, das sie gnant gelt den armen zu gut einmahnen ond onter sie auß teylen sollen. Gescheen freitagis vor Trinitatis im 46sten (1546)." Hier wird das zu D 3 schon Angedeutete ganz Klar- Reichel, der von Roscher noch 6 Schock zu fordern hat, ver zichtet auf sie zugunsten des Gotteskastens, nicht aber so, daß er die Schuld selbst einhöbe und sie dann dem Gottes kasten überwiese, sondern er tritt dem Gotteskasten einfach den Herausgabeanspruch gegen Roscher ab, was wohl seinen äußeren Ausdruck in der Übergabe des Kerbholzes von Reichel an die Kastenoerwaltung gesunden haben wird.