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2le. 1 , ,' . Vderlaüfitzer Helmatzeltung' Fm Wartezimmer Von E. Ni« richs' - dem Weltkriege bei. Natürlich fehlen Flugzeuge und Zeppe-- line nicht.-- Neben römischen Söldnern sausen elegante Limousinen, neben wilden Tieren aus der Wüste fahren dampfende Eisdnbahnzüge modernster.Bpuarki Hoch am Berge dreht eine Windmühle ihre Flügel, unten am Bache klapst ein Hammerwerk, Lämmer weiden am Hangj bc- ladcne Esel holpern über den Steg. . Springende Ziegen, Wasserkünste, stapfende Pilger, butternde Bäuerinnen, betende Möpche, schusternde Lehrbuben, fädelnde Schneider-- gesellen, Wässcpfälle, Sägewerke, verliebte Müllerinnen: das alles drängt sich dem Beschauer in buntem Durch- einander'auf. Es flimmert einem nur so vor den Sinnen, wenn man die reichhaltige plastische Musterkarte betrachtet, zumal das Spiel dazu noch in dauernder Bewegung ist. Wie bescheiden verschwindet in solch vielgestaltetem breitem Mosaikrahmen der eigentliche Fern: die Krippe oon'Beth- lehem! Der Name Weihnachtskrippe! ist wohl aus früheren Zeittn her auf uns gekommen. Heute, sind es mechanische Hpiclwerke, zugkräftige Schaustellungen, die im ganzen wie im.einzelnen aus Effekt berechnet sind und denen man am .treffendsten wohl die sarbenkrüstigen Bilder zur Seite stellen könnte, welche die Bänkelsänger vergE^cncr Zeiten, aus ihren Fährten mitzusühren,pflegten. Und sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Mag man sie-auch sehn Jahre hintereinander besehen haben, man betrachtet sie immer wieder und hat seine Freude an ihnen. Oicl hundert schaulustige pilgern in der Zcidder «heiligen Zwölf" nach den bekannten Grippel-Orten im böhmischen.Niederlande. Ban Weihnachten bis zn Mariä Lichtmeß währt die Krippel- zci:. Numburg mit seiner künstlerisch-wertvollen Kloster krippe, Schluckcnau, dessen Panorama von Palästina nicht weniger als ein Dutzend Mrser im Geviert mißt, Schönlinde, Zeidler, Gcorgswalde, sHakÄspoch, Niemes: dort ist die Heimat der böhmischen Krippelbatzer. In manchen der Dörfer stehen zehn und mehr Krippel zur Schau. Früher saßen beim Kcrzenschimmer Eltern, Kinder und Nachbarn um die Krippen, sangen, plaudertest und freuten sich in frohem Wethnachtsfübcl. Heute kommen Gäste von nah und fern herbei find bewundern die reichen Krippenspiele, die in ihrer Eigenart einen.charakteristischen Kulturschatz Nordböhmens darstellen. Die Bischheimer Wiese bei Prietitz ' Bon Fr. Beruh. Sturz»er W^Lsur Prielitzer Flur bei dem Städtchen Elstra gehört eine ' Wiese, die man die Bischheimer Wiese nennt. Jener Name- ist noch eine Erinnerung an die Zeit der Fron- dienste. Aus diesek-Wiese bet Prietitz mußten die Be- wohner des DorsesBischheim als Untertanen der Herren v'on Ponikau Jahrhunderte hindurch Frondienste ver» richten. Sie hatten die betreffende Wiese zu räumen, zu mähen und abzuernten. Unter Hans Fabian von Ponikau, der ganz Esstra mit Rauschwitz, Kindisch, Taschendorf und Bocka, Prietitz mit Wehrsdorf. Rehnsdorf mit Gersdors, Wohla mit Weika, Boderitz, Ossel, Talpenderg undDobrig, Bischheim und seit 1617 auch Baselitz besaß, trat hierin eine Änderung ein. Hans Fabian von Ponikau, der in Bischheim «residierte", war im Juni 1632 gestorben. 3n seine Güter teilten sich nun am 4. Februar 1633 seine neun Söhne. Prietitz mit Wehrsdorf erhielt Johann Wolf oonPonikau, Bischheim Hans Otto von Ponikau. Infolge dieses Besitzwechsels waren die Bischheimer fernerhin nicht mehr geus- Ügl, Frondienste auswärts zu leisten, auch in Prietitz nicht. Doch der Raine für jene Wiese hat sich trotzdem bis auf den heutigen Tag erhalten. > . ' <<V^ie ost hört man nicht dis Klage, daß di? Seit immsr rascher enteile und di- Jahre schneller vergingen als früher. Wer aber se erfahren will, wie unendlich lang sine.Viertelstunde ist, wie tröge und langsam die Minuten schleichen, wer nur 5 'Minuten al» Suat empfinden will. der setze sich in d4s Wartezimmet eine» Arzte». Ich hatte einmal das Vergnügen, aus einer entlegenen Haltestelle in der Wendei-zweiundeinhalh Stunden aus einen-Sug warten zu müssen, und da nutzer mir nur noch zwei-in einem Kober sin- geschlossene Ferkel di- einzigen Wartenden waren, merkte ich deut lich, das)- die Seit plötzlich immer langsamer verstrich und das Räder- werk der Well zu streiken schien. So kam es*,daß, als dqnn doch, dec-Zug kam. ich sämtliche Plakate auswendig kannte uttd ich des Nachts noch von den schreiend rotsgeFarbeN trSumte.und in Schweiß gebadet erwachte, als der Bergmann-dec IljebrikettO mir mit dem Hammer aus'den Kops schlug. Daß aber die Seit vollständig still zu stehen scheint, das Habs ich erst in sjnem Wartezimmer eine» Arztes gemerkt. Das Dienstmädchen össnet mit einem leisen »Ditte" die weiße Flügeltür, die. sich- bald hinter mir schließt. Ich bin in cinem'sremden Raume allein-, denn dieser Anders wird nur als Inventar empsunden: denn hier hat ruemand Lust-zu einem Ge spräche, und wenn -zehn dasitzen, dis' stumm ihr« Schmerzen zur Schau tragen, ich bin doch allein. Zunächst suhlt man sich behaglich in dem weichen Politerstuhle. belrachtst_die Dilder an den-Wänden und di- Porzrllanfigursn aus dem Spiegeltischchen. Dann entdeckt man. daß die Nhr sieht. Za wahrhaftig, sie steht, darum die Stills. - Ich ziehe meine Nhr heraus. - was erst süns Minuten bin ich hier ? Steht etwa meine Nhr auch?. Nein, sie geh!. Der Sicher heit kalber ziehe ich sie aus. Nun beginnt schon die nähere und kritischere Betrachtung der einzelnen Gegenstände. Man entdeckt, daß das Bild, Fredrich der Große noch der Schlacht bei Kolin, nur ein Vldruck ist. und zwar ein ziemlich schlechter. Der Pörzellan- sigur dort sehlt eins Hand, sie liegt in dem.Aschebecher, den ein plumper Frosch über seinen Kops, hält. Nberhaupt ein häßliche» - Grün, so sieht nie ein Frosch aus. Ich entdecke,'daß ich schon das süasts Mal nach her Nhr gesehen habe, und weiß doch, daß sie steht. Gb meine noch gecht^ Himmel und Hölle! Sehn Minuten, daß ich reist bin. Das ijkxnicht möglich. Da ein fernes Schlagen der Turmuhr, das ganz gedämpft in diese Wartszimmersinsamkeit dringt. Ich zähle. Herrgott,-/geht das langsam. Dio scheint auch bald stehen blejben zu woljen Es stimmt, meins Taschenuhr geht richtig. Da Schritte auf dem Gangs! Ich werde nervöser, meine Pulse schlagen lebhafter^ Lins Türe schlägt zi». und — Stille nah und fern. Ich sinke zurück in dumpfes Brüten. Di« dümmsten Gedanken, kommen mir ein, ich berechne, wie groß der Schaden -wohl jein würde, wenn ich alle dis kleinen Figuren und Vasen zerschlagen würde. Jetzt unterziehe ich die Tapete -einer genaueren Bslrach- » tung. Swar war mir schon vorhin ausgefallen,, daß bei der einen blaßblauen Dlume in dem ziemlich altmodischen Muster eia Dlüten- blatt zu wenig ist. ein Druckfehler, dort-üst ein Loch im Muster entstanden, vielleicht war sie deshalb billiger, aber ich habe ja Seit und mache diese Entdeckung zum oisrundzwantzigsten Mal«. Ich zähle dis Sahl der Dlumen aus den langen und auf den Guerreihsa multiplizier« dis Sahl und weiß so die Anzahl der Dlumen aus der ganzen Wand. Hurra l Lins neue Entdeckung. . Dort das kleine Dild hängt schief. Db ich es gleichrich!« ? Ich. will es tun. Doch unbeweglich bleibe ich sitzen, ich merke, mein Körper scheint sich vom Geiste losgelöst zu haben, scheint den Gehorsam zu verweigern. Seit wann sitze ich hier, war ich schon jemals wo anders? Seil . undenklicher'Ssit — halt! Ein durch mehrere Türen gedämpfter Schrei dringt au» dem Sprechzimmer zu mir. Mif^Tränen der -Rührung könnte ich dem unbekannten Schreier dänkerm ec hat mich- errettet. Mein Geist kehrt in den Körper zurück, ich fang« zrn, . wieder das Tapetenmuster zu zählen, diesmal einzeln. Hier liegt ja ein Duch l In roter Saide eingebunden, .mit Goldschnitt, «in Roma« voN — Marlitt. Trotzdem, ich sang an zu lesen. Ja was ist da»? Fünf Seiten habe ich gelesen, regelrecht physisch gelesen, und weiß doch kein Wort mehr davon. Di« Augenlinsen, der Geist war bei der Tapete. Richtig, ich hatte mich ja doch verzählt, hier unten ist dec Streifen nur halb. Da —, dis Tür chrt sich aus, der Arzt winkt mir freundlichst, zu folgen. Geisnn/zermartert und' bereit» seelisch operiert schwankte ich hinter ihm-chlrr. - Nach zehn Minuten bin ich wieder aus dec Straße, atme frische Luft, sehe Menschen, richtige Menschen, Und entdecke, daß ich nur fünfzig Minuten -beim Arzt war. Ich hatte einmal einen Dekanaten aurgelacht, al» « mir «r^lhlte. daß er au» dem Wartezimmer «ine» Sahnarzkr» a>»-