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SLÄk, W WW L^elmaikunöe Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Anthropologie und (Urgeschichte der Gbsrlausitz-Dautzsn, der Landesanstalt für Hsimatforschung im Mark- graftum Gbsrlausitz sDautzen, 6tisbsrjtra ps 3ö), des Vereins für Hsimatforjchung zu Crostau, Kirschau und Schirgiswalde. Schristleiiung und Geschäftsstelle m^Reichenau.Sa. Aennspeecher Nr.21A Gesck)ics)ie Dnucf u.Derlog.Alwin Marx (Inst.DstoDUarx) Süülaufttzer Nachrichten, Reichenau, Sa. Unbererhtigtel' MactidruoS vrrbo^en Hanptschriftlsitung, sowie für Geschichte, Vorgeschichte, Volkskunde, Sagen und Aberglauben Dr. Frsnzsl, Bautzen, Stiebsrftratzs 3ö; für Naturwissenschaften Dr. Hsinke, Aittau, Komturstraßs 5; für Kunstgeschichte und Kunstgswerbe Dr. (Reinhard Müller, Zittau, Stadtmuseum, Klostsrgasjs 1. Manuskripten ist Rückporto beizusügsn, da sonst ein Anspruch auf Rücksendung nicht besteht. Postscheckkonto: Leipzig Nr. 27534. Bankverbindung: Girokajse Reichenau Nr. tö. Privat- und Commerzbank A.-G., Zweigstelle Reichenau, 6a. Gswsrbsbank Reichenau, 6a. Nr. 13 Sonntag, 10. August (Ernting) 1924 5. Jahrgang Die empfindsame Zeit im Seifersdorfer Tal Bon Stud.-Ass. Herbert Sticht 1. Empfindsame Naturbetrachtung eutzutage bietet der Plauensche Grund bei Dresden mit seinen zur Stadt Freital vereinigten Fabrik orten das typische Bild einer industrieregen Land schaft. Zahlreiche qualmende Schlote breiten über das Tal beständig einen grauen, unfreundlichen Dunstschleier aus. Der scheint ven Dingen mehr oder minder die scharfen Umrißlinien zu nehmen und läßt alles recht düster und nüchtern wirken. Darunter leidet das gesamle Landschaftsbild, und selbst wo es noch natürliche Schönheiten birgt, ist es alles andere, nur nicht „romantisch". Man schüttelt bei derartigen Feststellungen zunächst un gläubig den Kopf, wenn man hört, daß vor 125 Jahren, rund um 1800, der Plauensche Grund als „romantisches" Tal sich geradezu einer Berühmtheit erfreuen durfte. Das war zu jener Zeit, da die Gefühlskullur sich weitererVolks- schichten, namentlich des Bürgertums in den großen Städten, zu bemächtigen begann,nachdem dieselbe imLaufedes 18.Iahr- hundcrts innerhalb der geistigen Aristokratie Deutschlands als notwendiger Gegenstoß auf die vorher herrschende All macht „vernunftgemäßer" Aufklärung hervorgebrochen war und nach und nach immer mehr an Boden gewonnen hatte. Ein Teil der neuen weltanschaulichen Richtung war das Bestreben, der Natur da draußen möglichst nahezukommen. Neutöner in der Dichtkunst hatten den Grundsatz verkündet, die Natur dürfe nicht mehr nur der mit Palmen oder Berg höhlen oder bunten Gartenblumen bemalte und mit was weiß ich für naturoortäuschenden Draperien behangeneKasten sein, in den man sonst die Figuren eingepackt habe, sondern sie müsse ein Symptom der seelischen Entwicklung und als Träger der Handlung zugleich Lebensboden werden. Das Publikum natürlich machte sich diese Forderung bald zu eigen und empfand mit einem Male den Drang hinaus ins Freie, fort aus der einschnürenden, drückenden Enge der Stadt. Die Dresdner entdeckten infolge dieser gesamtgeistigen Um stellung den „lieblichen" Schonergrund und fanden den Plauenschen Grund „romantisch"; vollends der leider jetzt durch Stetnbruchsbetrieb fast ganz seiner Naturreize ent kleidete Liebethaler Grund galt ihnen als „fremd und erhaben, wo die unendliche Schönheit einer lieblichen Natur prangte". Dagegen kannte man die Sächsische Schweiz, die das letzte Prädikat heute mit viel größerem Rechte für sich in Anspruch nehmen darf, damals noch nicht, ebensowenig die liebens werten Höhen, dunklen Wälder und abwechslungsreichen Täler des Erzgebirges. Statt dessen wurde das Rödertal nahe bei Seifersdorf, eine Wegstunde nordwestlich von Radeberg zu suchen, als Perle landschaftlicher Schönheit gepriesen. Die Röder hat sich hier durch die letzten, nach Westen hin ohne die Hülle eiszeitlichen Schottermantels bloßliegenden Ausläufer des Lausitzer Granitmassios hindurchsägen müssen. Dieses ihr Durchbruchstal hat vermöge seiner Abgeschieden, heil von größeren Berkehrsstraßen die ursprüngliche Lieblich keit und Anmut bis auf unsere Tage bewahrt und gewährt auch jetzt einem jeden, der ländliche Stille, Weltoerlorenheit und unverdorbene Natur sucht, hohen reinen Genuß. Um wieviel mehr mußte das nicht der Fall sein in einer Zeit, die mit Bewußtsein auf die Suche nach innerem Kon takt mit der Natur ausging! Da nimmt es nicht wunder, wenn bereits 1792 ein „Führer" durch das Seifersdorfer Tal erschien. Freilich war das entgegen dem, was wir heute unter einem Reiseführer verstehen, ein Prunkwerk von ziem lich beträchtlichem Volumen, mit 40 prächtigen Kupfern, dickem Goldschnitt und einer alleruntertänigsten Widmung an die Königin Frtderike von Preußen. Und der Berfasser