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Buchbesprechungen »An Kindesftatt." Roman von Helene Helbtg-Tränkner. Verlag H. G. Münchmayer. G. m. b. H., Dresden-Niedersedlitz. Helene Helbig-Tränkner ist wahrscheinlich die absolut meist- und relativ vielseitigstbeschäftigte Frau von Zittau. Ich spreche nur von wirklicher geleisteter Arbeit. Denn die verschiedenen anderen Damen, die angeblich auch niemals eine Minute Zeit übrig haben, kommen als werktätige Persönlichkeiten vielfach überhaupt nicht in Betracht. Trotzdem ist unsere Dichterin keineswegs eine Vielschreiberin in dem Sinne, wie man es der guten Charlotte Virch-Pfciffer mit der Neben absicht eines gewissen kritischen Borwurfs nachsagte; vielmehr bringt sie nur dann ein neues Werk vor das Forum der Öffentlichkeit, wenn sie uns wirklich etwas zu sagen hat. Für den neuen Roman hat mich gleich von den ersten Zeilen an die außerordentlich feine Schilderung des landschaftlichen Rahmens eingenommen, innerhalb dessen sich im wesentlichen das Geschehen der Dichtung abwickelt. In plastischer Deutlichkeit erkennen wir unsere Zittauer Bergwälder zwischen Oybin, Jonsdorf, Schanzendorf und Krombach. Den landschaftlichen Reizen unserer engeren und engsten Heimat ist die Dichterin so offenen Auges und liebevollen Herzens nachgegangen, daß wir den Roman recht wohl in den Begriff der Hcimatliteratur im besten Sinne des Wortes ein beziehen dürfen. Auch die Gestalten, die die Dichterin in dieses land schaftliche Milieu hineinstellt, tragen meist ausgeprägte Oberlausitzer Eigenart und die wurzelechten Charaktereigeniümlichkciten, sodaß wir der Meinung sind, die Urbilder persönlich kennen zu müssen. In dem einen Falle halten wir geradezu einen gelinden Schrecken, als wir bemerkten, wie haarscharf der Betreffende in seiner selbstgerechten Art und Weise charakterisiert und kritisiert wird. Das griinumrauschte Forsthaus Etchwald ist der Mittelpunkt, nach oem die Fäden der problemreichen Handlung immer wieder zurückführen. Helene tzelbig- Tränkner entwickelt uns in spannendem Ausbau und mit großem erzählerischen Geschick eine ganze Reihe von Menschenschicksalen, deren Träger uns trotz ihrer Fehler und Schwächen bis zuletzt sympathisch bleiben. Daß mitunter durch das seine Gewebe der vielverfchlungenen Handlung das Bocksfüßchcn der Emanzipations-Bestrebungen ganz allerliebst hindurchkokettiert, beeinträchtigt unsere Freude am Lesen in keiner Weise. Von dem Ganzen der Handlung fei nur der Kern flüchtig wiedergezeben, um den Leser zur Anschaffung des empfehlens werten Werkes anzuregen, ihm aber auch von den prächtigen Einzel heiten nichts vorweg zu nehmen. Die einsamen Förstersleute haben das Töchterchen einer später völlig verschollenen Jugendfreundin der Frau bei sich ausgenommen und schließlich adoptiert. Aber dieser Schritt hat für die Beiden nicht die erwünschte Wirkung gehabt ; tm Gegenteil sind sie sich innerlich immer fremder geworden. Ottmute Gildermeister, die Mutter der Kleinen, hatte sich aus eigener Kraft zu einer bedeutenden Malerin durchgerungen und war die Gattin ihres Dresdener Lehrmeisters geworden. Aber ihre Liebe zur Tochter, die sie um ihres eigenen künstlerischen Fortkommens willen hatte von sich geben müssen, kostet sie bas Leben. Auf einer winterlichen Besuchs reise nach dem einsamen Forsthause war sie kurz vor dem Ziele der Kälte erlegen. Nun treibt cs auch die junge Ottmute auf die künstle rische Laufbahn der Mutter, doch erst nach langem Hin und Wider erhält sie die Genehmigung der Eltern. Der Gatte ihrer wirklichen Mutter übernimmt sie nach anfänglichem Widerstreben als Schülerin und bildet sie zur ebenso bedeutenden Künstlerin aus. Ihr leiblicher Vater, der heimatliche Gutsherr, möchte soviel als möglich wieder gutmachen. Aber sein Legat zugunsten Ottmutes wird von seiner Stieftochter Aenne o. Bohlen unterschlagen. Diese persönliche Freundin Ottmutes hatte sie vorher schon um ihre tzerzensliebe, den Doktor Weither, bestohlen. Auch sonst erlebt Ottmute das Schwerste: um ihretwillen hat sich ein Kamerad erschossen, nachdem er sie um einen preisgekrönten Wettbewerb bestohlen halte. Schwerer noch traf sie es, als die Förstermutter den Galten endgültig verläßt und den Schwcstern- beruf ergreift. In diesem Augenblick fühlt sie sich völlig heimatlos. Endlich, am Sterbelager Aennes von Bohlen, finden sich die drei Menschen, die sich für den Rest ihres Lebens angehörcn, zusammen: Ottmute, Dr. Werther und die Mutter aus dem Forsthaus Eichwald. Bruno Reichard. * * * Dresden. Rudolf Gärtner-Hellerau hat neuerdings drei Oberlausitzer Mundartlieder — Text und Melodien — geschrieben: „'s Nudllied", „Dreschlied" und „Leinewaberlied", die von der rühmlichst bekannten Lautensängerin Frau Helga Petri- Dresden in ihr Programm ausgenommen worden sind. Das „Nudl lied" wurde von der Künstlerin, die jetzt als Hochschullehrerin für künstlerisches Lautenspiel am Konservatorium Dresden verpflichtet wurde, bereits mehrfach mit großem Erfolge vorgetragcn. Die „Dr. N. Nachr." schreiben über Helga Petris Liederabend vom 5. Februar d. 2.: „Palmengarten Dresden. Helga Petris Lautenabende haben eine besondere Note. Die Stimme ist nicht das Entscheidende, sondern die Wortprägung, das selbstverständliche Ersoffen eines Dialekts mit allen Feinheiten der Artikulation und der Sprechmelodie. Zwei Schweizer Kinderlieber nnd das „Nudllied" von Rudolf Gärtner in Oberlausitzer Mundart z. B. waren jedes in seiner Art so boden ständig echt, daß man Landschaft und Menschen leibhaftig zu sehen meinte." Dresden. Die „Freie Vereinigung für Volksbildung und Kunst- pflege, Hellerau" brachte am l. März in Klotzsche-Königswald den vieraktigen Künstlerschwank: „Die Schnuppisten" von dem Lausitzer Heimatschriftstellcr Rudolf Gärtner-Hellerau zur Ur aufführung. Das originelle Stück spielt iu Dresden und im Schiller garten Blasewitz. Drei Junggesellen — ein Schriftsteller, ein Musiker und ein Maler — mokieren sich über die Sucht, neue Kunstrich tungen, neue „Ismusse", in die Welt zu setzen. Sie beschließen einen Faschings-Vortragsabend, in dem sie mit einer neuen Richtung, den: „Schnuppismus", aufwartcn wollen. Im zweiten Akt sind wir Zeuge, wie sie dem Publikum die „neue Idee" verkünden, wie sie Proben einer total verrückten Kunst bieten. Das Publikum sättt zum Teil darauf hinein, vor allem ein Berliner Professor, der ihren Blödsinn für heiligen Ernst nimmt und ihn in eine Literatur- und Kunst geschichte verarbeitet. Als in dec Folge die drei das „Kind" ab schwören und dem Professor plausibel machen, daß das ganze ein Fastnachtsscherz war, müssen sie sich von ihm sagen lassen, „daß sie selbst noch nicht reif sind, ihre eigenen Ideen zu verstehen". Zum Schluffe empfehlen sich drei glückliche Paare und der Professor, der sich seinerseits mit dem „Schnuppismus" verlobt. Reicher Beifall und stürmische Heiterkeit — ost bei offener Szene — lohnten den Ver fasser, der, vor die Rampe gerufen, mit Lorbeer und Blumen bedacht wurde. Aus dem Gachsenlande Bautzen. Alte Lausitzer Bolksbräuche wurden hier am Ostersonntag treulich gepflegt. Bemerkenswert ist zunächst die starke Teilnahme am Osterwasserholen. Am Gesundbrunnen, dessen Wasser ohnehin besonders heilkräftig gilt, hatten sich in der Frühe des Ostertages Hunderte von Personen mit Kannen, Flaschen und Krügen eingefundcn, um vor Sonnenaufgang schweigend ihr Osterwasser zu schöpfen. In Radibor, Kloster Marienstern und Wittichenau wurde unter starker Beteiligung das althergebrachte Ost erretten abgehalten, und in Bautzen selbst wurde unter einer noch nie dagewesenen Massenbeteiligung die alte Sitte des Eier schiebens auf dem Proitschenberge wieder ausgenommen, die durch die Kriegs- und anderen Nöte neun Jahre unterbrochen war. Die Scharen der Besucher, die zum Teil mit Auto und Motorrad herbeigekommen waren, zählten nach Tausenden und aber Tausenden. Auch die Kinderschar, die unter den fortwährenden Rufen: Eier — Aplasina! (Apfelsinen) den etwa 30 Meter hohen Hang zum Spree- tale bevölkerte, war diesmal bedeutend größer und bezifferte sich auf 600 bis 800 Jungen und Mädchen aller Schichten. Die Waren mengen, die hier am Berge hinabgeworfen wurden, rechnen nach Zentnern, und die Kinder dürsten eine selten reiche Beute gehabt haben. Gespendet wurden vor allem Apfelsinen und Apfel, dann aber auch runde Bäckerkuchen, die in großem Bogen durch die Luft geschleudert wurden, Pfefferkuchen und andere Bäckcrwarcn, auch gekochte Eier wurden den Berg hinabgekugelt. Das lustige Treiben währte bis in die Abendstunden. Die zahlreichen Verkaufs stände, die auf lustiger Bergeshöhe errichtet waren, hatten wieder holt ausoerkauft und mußten immer neue Vorräte heranbringen. Meißen. Zurückgewinnung eines 300 Jahre alten Kunstwerkes. Die Stadtkirche zu Meißen hat dieser Tage ihren früheren Altar von 1510 wiedererhalten. Das wertvolle Kunstwerk, eins der reifsten und edelsten gotischer Holzschnitzerei, ist 1839 an das Dresdner Altertumsmuseum leihweise abgegeben worden. Der Kirchenvorstand hat es jetzt zurückgewonncn und an der alten Stelle wieder ausstellen lassen. Die Stadtkirche ist damit um eines der bedeutendsten Kunstwerke bereichert worden, die sich in Meißen finden. Zugleich hat der berühmte, ehrwürdige alte Kirchturm, den Ludwig Richter so oft gezeichnet und unter dessen Eindruck Otto Ludwig seine Erzählung „Zwischen Himmel und Erde" geschrieben hat, ein neues Geläut erhalten, nachdem das alte dem Kriege zum Opfer gefallen war, und zwar ein großes Stahl geläut von vier Glocken in 6, cl, k, A aus Bochumer Gußstahl. Im Verlage der „Oberlausitzer Heimat-Zeitung" erschien soeben: Sie MlskeluvrllA und üle MenWk M Zollsvors. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Preis —,50zEoldm»rk.