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Gbertaufltzsr Helmatzeltung Är. 23 30S 2. offener Brief an Herrn Gberstudisnrat Professor Dr. K. Stuhl Würzburg Kohr geehrter Herr! hro Antwort auf meinen Brief vom 7. April djs. Is. in der Nr. 22 der „Gberlausitzer Heimatzeitung" zeigt mir, dass Sie garnicht verstanden haben oder nicht haben verstehen wollen, um was es sich handelt. Eis stellen abermals dis Ergebnisse Ihrer „Wissenschaft" als „neue, felsenfest begründete Erkenntnisse" hin. Ich must daher an dieser öffentlichen Stelle wiederholen, dast es sich hierbei um Ansichten handelt, denen die mit peinlichster Genauigkeit arbeitende deutsche Wissenschaft völlig fernsteht. Es sind Ihre Prwatansicktsn» dis Eie für „felsenfeste" Erkenntnisse halten. Dies bleibe Ihnen unbenommen. Solche Dings aber zu verbreiten und dies nun gar noch unter dem Hinweis auf dis Volkshochschule zu tun, ist absolut unzulässig. Das wissen Sie genau. Daher weichen Sie meiner Aufforderung zu einer rein sachlichen Debatte in einer wissenschaftlichen Zeitschrift aus, indem Sie mich persönlich angreifen. Obgleich Psrjonalia nicht in die Öffent lichkeit gehören, zwingen Sie mich sedoch hier zu einer Gegenwehr: Ich schrieb seinerzeit: „. . . Da Sie fast Keine Literatur an geben." Ich schrieb seinerzeit nicht: „. . . da Sie keine Literatur angeben." Trotzdem fallen Sie über den „angehenden Jugenderzieher" (der nebenbei dreist ig Klahrs alt ist und dessen Studium, die Prä historie, zunächst nichts mit Jugenderziehung zu tun hat), her, als hätte er letzteres gesagt. Sie versteigen sich sogar zu einem: „Das ist nicht wahr." Sur Gachsl Sie haben in dem Aothstein-ArtiKel weit über hundert Etymo logien ausgestellt. Diese sind meist völlig „neu", das ist wahr; denn noch niemand wagte es bisher, solche haarsträubende Dings zu schreiben, wie Sie es tun. Infolge der Neuheit dieser Ansichten wäre jede einzelne Etymologie literarisch zu belegen und dis bisherigen „falschen" Ansichten kritisch darzulsgsn gewesen. Weit über hundert Zitats wären nötig gewesen, Ihre wenigen fallen dabei garnicht ins Gewicht, da sie sich nur hier und da aus rein Philologisches beziehen. Nnd in Ihrem zweiten Artikel, den Sie vorsichtigerweise nicht mit zitieren, geben Sie gar Keine Literatur an äusser Hinweisen auf eigens Schriften und eins Zeitungsnotiz von vor ungefähr achtzig Jahren. Trotzdem Sie dies wissen, stellen Sie mein Verhältnis zur Wahrheit als ein schiefes hin. Ich sage Ihnen hierdurch nochmals: Ihre literarische Bezugnahme ist völlig ungenü gend, Sie geben fast Keine Literatur an! Weiterhin sprechen Sie von meinen „Auftraggebern". Nicht der leiseste Austrag ist mir in der Angelegenheit geworden. Vielmehr haben mich viele Wissenschaftler, mit denen ich über Ihre „felsen festen Erkenntnisse" sprach, gewarnt, gegen Sie vorzugshen. Man sagte mir mehrfach: „Tun Sie doch der Sachs nicht die Ehrs an, sich mit ihr abzugsben" und „es ist ja schade um Tinte und Papier". Trotzdem habe ich Sie in dis jachlich-wijssnschastlichen Schranken gefordert, weil ich es mir nicht gefallen lasse, dast in meiner Heimat solche Art von „Volksausklärung" getrieben wird. Sie sind dem Zweikampf ausgswichen und stellen sich mir nicht. Müsste es Ihnen, Herr Gberstudienrat, nicht ein Kinderspiel sein, einen Kandidaten mit wuchtigen Schlägen zu erledigen? Da verstecken Sie sich lieber gross mütig hinter persönlichen Angriffen. Da scheint mir etwas nicht zu stimmen! Sollte es sich etwa jo verhalten, dass wissenschaftliche Zeit schriften Ihrs „felsenfest begründeten Erkenntnisse" nicht aufnehmen ? Nnd worin bestehen diese? Für das LesepubliKum einige Bei spiele l Sie scheinen noch garnicht zu wissen, dass in der Gberlausitz Wenden wohnen, dis sich früher auch erlaubt haben, sich ortsnamen gebend zu betätigen. Der Ortsname Dolgowitz ist jlavijch. Trotzdem schreiben Sie d'Glgowitz. Wer gibt Ihnen das Lischt, ein anlau- tsndes d zu apostrophieren und dann zu streichen? Weiterhin geben Sie für Ossig ujw. solenne Liiten an. Liegt bei der Erklärung dieses Namens nicht das Slavijchs näher, in dem Ossig, jo wie es heute noch gebraucht wird, als Grenzverhau, Grenz? ujw. vorkommt? An die Mainwsnden haben Sie wohl garnicht gedacht? Diese Möglichkeit mussten Sie aber vor allem ins Auge fassen, da diese Leuts schon vor tausend Jahren dort bezeugt sind. (Hiermit verweise ich Sie aus G. Hey, Slavijchs Siedelungen usw. sowie aus P. Kühnel, Die slavischsn Orts- und Flurnamen der Ober lausitz im Neuen Laufitzischen Magazin 6b ff., in dem das „Wissen" nur für den „vergraben" ist, der nicht hinsinblickt.) Ihre Antwort in voriger Nummer der „Gberlausitzsr Heimat zeitung" wimmelt von Anrichtigksiten. Der Name LuKmanierj>ass bedeutet nach Ihnen ..Pass der Gssetzmännsr", er heisst jedoch ita lienisch lucomnKno, lateinisch lucus mnAnus, das deutet aber aus einen grossen Wald hin. Ist das „felsenfest begründete Erkenntnis"? Ferner sind dis Namen Lugano und Lucarno garnicht antik. Dis Bedeutung eines kurzen und langen u scheint Ihre Philologie nicht zu Kennen. Gpolische Lokrer und Lykamonier gibt es meines Wissens nicht, wohl aber ozoüjche Lokrer und LyKaonisrI Ist das „felsenfest begründete Erkenntnis"? Nein, Herr Gberstudienrat, es ist blühende Phantasie. Gis wirkt auf den Sachkenner zuerst erheiternd und dann nieder schmetternd. Ls ist ein Jammer, dass jo etwas, das an dis ersten Gehversuchs der FolKloristik vor hundert Jahren erinnert, in unjern Tagen noch gedruckt und — wie Ihr nach Würzburg pilgernder Jünger beweist — auch noch geglaubt wird. Aber nicht nur die Jugend urteilt jo über Sie, die Jugend, der Sie die Kompetenz hierzu abjprechen möchten! Ich habe die Ehre, Ihnen das Artsil eines Ihrer Altersgenossen nachstehend mitzutsilen. Damit Sie nicht etwa denken, der Herr sei mein „Auftraggeber", so teils ick Ihnen vorher mit, dass ich ihn erst am 30. Oktober 1S21 kennen lernte. Es ist Herr Professor Ernst Schwabs, der als Herausgeber des Putzgsrjchen Historischen Schul-Atlas auch in der Gberlausitz bekannt sein dürfte. Er schreibt: „Ich lehne derartige Sachen grundsätzlich ab und würde solche haltlose Behauptungen auf keinen Fall wissenschaftlich verwerte n." Ob Ihnen nun das Vorstehende genügt oder nicht, dem Leser der „Gberlausitzer Hsimatzsitung" wird Klar geworden jein, was er von Ihren „felsenfest begründeten Erkenntnissen" zu halten hat: Sie müssen von der Wissenschaft abgelshnt werden, sie sind Ihrs Privatanjicht, die mit der hohen deutschen Wissenschaft nichts zu tun hat. Hochachtungsvoll (gsz.) cnnck pnscl. Walter Frsnzsl. Oetzsch b. Leipzig, den 7. XI. 21. Nachschrift an den verehrten Leser: Ihnen möchte ich noch sagen, dass wir bezüglich der Pelasgsr, der Etrusker und der Hettiter heute noch sehr wenig wissen, die wahre Wissenschaft steht heute hier an der Grenze ihrer Erkenntnis, sie ist ehrlich genug, um zu jagen: Wie wissen es nicht, wer sie sind. Wir Können ihr Schrifttum noch gar nicht lesen, geschweige denn verstehen. Längere, wortgetreue Dilinguen (Inschriften in zwei Sprachen, von denen eine unbekannt sein Kann, dis man aber durch die anders übersetzt und sich jo über Grammatik und Wortschatz der unbekannten Sprache informiert) müssen erst noch gefunden werden. Bis dahin heisst es: Abwarten! Ferner ist es wohl möglich, aus der Verbreitung von Orts namen auf einstige Sprachgebiets gewisse ^Rückschlüsse zu machen. Aber dis Gnomatologie (Ortsnamenkunde) ist noch sehr zurück haltend mit ihren Ergebnissen, da sie wohl weiss, dass hier viels verdunkelnde Einflüsse vorliegen. Lu dem Streitfalls sendet mir Herr Prof. De. Braun, der früher Ordinarius für Germanistik an der Nniversität Petersburg war und der sich jetzt hier habilitierte, einen Bries, der sich auch auf das Buch „Nordlands Nntergang" des Herrn Gberstudisnrat Dr. Stuhl bezieht. Das Buch wurde seinerzeit auch in der „Gber lausitzsr Heimatzeitung" angekündigt (6. 234), wo auch eins Be sprechung durch Fachgelehrte angeregt wird. Der Brief lautet wörtlich: Leipzig, den 6. XI. 21. Lieber Herr Frenzel! Garn komme ich Ihrer Bitte nach. Ihnen meine Meinung über di« Berechtigung Ihres „Offenen Briefes an Herrn Gbsr- jtudienrat Dr. K. Stuhl" in Nr. S der „Gberlausitzer Heimatzeitung" (vom 1. Mai 1S21) und über dis in disjsr Zeitschrift veröffentlichten Artikel desselben Herrn zu jagen. Zufällig Habs ich vor einigen Tagen sein Schriftchsn „Nordlands Nntergang usw." (Psrlsbsrg 1S21) zur Ansicht erhalten und befinde mich also im Besitze genügenden Materials, um mir ein Nrteil bilden zu können. Hinsichtlich Ihres „offenen Briefes" muss ich gestehen, dass ich seinen scharfen Angriffston nicht gutheissen Kann; es wäre wohl besser gewesen. Sie hätten sich in Worten und Gsdankengang grösserer Mässigung beslsissigt. Freilich ist auch dis gereizte Abwehr Ihres Gegners in ihrer Ausdruckssorm wenig glücklich zu nennen. Was aber das Wesen Ihres Streites anbetrifft, so muss ich mich voll und ganz auf Ihre Seite stellen. Herrn Dr. Stuhls Aus- I Dis beiden zuletzt gerügten Fehler sind ein Verschulden unsrer jeits. Dis Schriftleitung.