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srischen, breiten Stricken einen leuchtenden Strauß auf den T'sch zu stellen. Es ist interessant zu beobachten, wie Heines Technik in den lebten Jahren an Gewandtheit bereichert worden ist. Sein „Damenbildnis" ist ein Porträt, das durch scharfen Ausdruck und glückliche Farbenkombination vornehme Wirkung schafft. Das andere, „Mutter", lenkt die Aufmerk samkeit durch dos Motivische auf sich. Ls stellt die Frucht- barkeit des Menschengeschlechts dar, was in der reichen Dar- stellung des Fleisches zum Ausdruck kommt. Den Mittel- punkt nimmt „die" Mutter ein, es ist die Urmutter, die nicht nur durch das Kind in ihren Armen, sondern auch durch die Gloriole, welche die ausgehende Sonne um ihr Haupt flicht, etwas von der Mutter Gottes in sich trägt. Das große Mädchen bringt „der" Mutter Verständnis entgegen und schmiegt sich ihr an, der Knabe träat als einstiger Lebens kämpfer Pfeil und Bogen in der Hand. Die abschließende Landschaft, das weite Meer der Unendlichkeit und Unaus- schöpfbarkeit, verliest den Gedanken. Als außerordentlich scharfer Beobachter mit großer Biel- seitigkeit erweist sich Karl R. tzaeser-Dresden in seinen zahlreichen Zeichnungen, und zwar in den Landschaften wie in den Darstellungen menschlicher Szenen. Während jene durch klaren Ausdruck gefallen, kehren diese in dem Dresdner Meister einen feinen, witzigen Karrikaturenmaler hervor. Die beiden „Genie und Mittelmaß" und „Die Exoteriker" find ein paar ganz prächtige Sachen. Weiter sind noch vertreten Paul Lroeder-Zittau mit drei interessanten Olbildniflen, Max Lang er-Niederoderwitz mit einer Reihe expressionistischer Aquarelle, hauptsächlich Motiven aus Mecklenburg, die rein dekorative Zwecke verfolgen und in ihrer Delikatesse den zielsicheren Künstler verraten, der weiterer Reife entgegengeht, Arthur Ringel-Bautzen mit bildnerisch wirkungsvollen Ansichten von Bautzen und Walter Schulze- Bautzen mit stimmungsvollen, sehr beachtlichen Aquarellen, die ihn als seinen Beobachter zeigen und als Künstler, der sich aus die Farbe versteht. Auch die Architektur ist vertreten und zwar hat man ihr diesmal einen breiteren Raum gewährt als sonst. Prof. Bruno Pa u l - Berlin, der bekannte Innenarchitekt, erweist sich in einer Reihe von Lichtbildern als großzügiger Künstler auch in der Außenarchitektur. Die Schöpfungen sind groß und massig, ihr Schwerpunkt liegt im Monumentalen. Mox Kreß-Bautzen, besten Name in Bautzen durch seine Arbeiten längst nicht mehr unbekannt ist, dringt zahlreiche ansprechende Entwurfsskizzen zur Bebauung eines S'ädteblocks, geschmackvolle Entwürfe zu Kletnbauten, eine interessant« Kleinstadtfoffade sowie Buntstift- zeicknungen, Aquarelle und Zeichnungen von seinen Reisen. Der Zittauer Architekt Richard Schiffner, der Erbauer des Ber- waltungsqebäudes der „Elektrizitätswerke Oberlaufitz" und des König Albert Museums, zeigt sich in mehreren Lichtbildern als klarer, vornehmer Meister. Ernst Eg er-Kamenz erweist sich in Zeichnungen für eine Krieoerehrung in Kamenz, in Perspektiven von Kriegergräbern in Belgien, je einer Perspektive vom Forst- hausneudau der Stadlgemeinde Kamenz und vom Wettbewerb Etadtbad Krimmittchau sowie in Zeichnungen der Straßenschau- seilen von der Bebauung des Steinweges in Jena als Archi tekt von großer Vielseitigkeit. Born aber im großen Bortragssoale ist das Allerheiligste der Kunst. Hier hat man den Großen in der Bereiniqung Raum gegeben. Hier sprechen Prof. Rudolf Sch ramm-München, ein geborener Zittauer, Prof. M. A. Stremel-Ulm, ebenfalls ein Zittauer Kind, und der in Bautzen geborene Loschwitzer Meister Prof. Hans Unger. Und ihre Sprache ist ernste, höchste Kunst, vor der wir schweigend stehn in andachttiesem Lauschen. Der Sesamteindruck, den man von der Ausstellung mit hinweg nimmt, läßt sich am besten in den Worten Vornehm- heil und Gediegenheit zusammenfoffen, denn diele beiden Eigen schaften teilen sich dem Beschauer immer und überall mit. Und das noch berührt angenehm: Man hat die erdrückende Stoff fülle vermieden, die leider so vielen Veranstaltungen den Anstrich des Dileitantenhaften schon äußerlich gibt. Weise Beschränkung hat man walten lasten und es zeigen sich auch hierin die Meister. Die „Vogelhochzeit" in der Oberlausitz Don O. Schöne UÄ^vsere Lausitz gehört zu den deutschen Landschaften, deren Bewohner, sowohl deutscher wie wendischer MNMl Abkunft, eine verbältnismäßiq große Anzahl alter Sitten und Gebräuche auf die Gegenwart vererbt KWW? haben. Zu den an einen ganz bestimmten Tag ge bundenen Volkssttten unserer Heimat, die wohl für jede von fernher sich bei uns niederlafsende Familie den Reiz der Neuheit besitzt, gestört die Gabenvsrtejlung zur sogenannten Vogelhochzeit am 25. Januar. Wie dasWeihnachtsfest die Kinderwelt so ganz von seinem Bann umfangen ha», so läßt auch der Tag der Vogelstockzeit die Herzen unsrer Kleinen höher schlagen; und ist der Weihnachtsboum mit seinem bunten Flitter auf die Seite geräumt, dann tritt der Gedanke an den nahenden Bogelhockzeitstag wie ein stiller Abglanz der Kerzen- schimmernden Weihnochtsbesckerung vor die junge Seele. Sei es. daß der für die Gaben bestimmte Teller bereits am Vor abend oder kn aller Morgenfrühe des betreffenden Tages ans das äußere Fensterbrett der elterlichen Wohnung gestellt wird, immer ist der kleine Bittsteller fest davon überzeugt, daß die Vögel auck ihn an ihrem großen Freudentage nicht vergessen werden. Und worin bestehen die Hochzeitsgaben seiner kleinen gefiederten Gönner? Muß auch zugegeben werden, daß die Sitte eine ganz besondere Art derselben nicht kennt, so ist es doch in erster Linie allerlei Backwerk, gleichwohl in der Form von Vögeln oder Eiern, Brezeln, Pfefferkuchen und anderen, das von sorglicher Mutterband heimlich auf den Teller gelegt und darauf von ihren Lieblingen mit einem dankbaren Blick zum Fenster hinaus in Empfang genommen wird. Als Verbreitungsgebiet dieses eigenartigen obsrlavfitzer Ge brauches ist vor allem die Bautzen-LöbauerGegend zu bezeichnen. Sein Ursprung ist jedenfalls slawisch und ist auf eine alte wendische Tiersage zurückzuführen, nach welcher sich am erwähnten Tage die Elster mit dem Roben unter der Beteiligung eines großen Gefolges von Vögeln vermählt. In einem hübschen wendischen Bolksliede ist uns dieselbe anschaulich überliefert worden. In eingehender Weise berichtet es uns von den Vorgängen bei dem Hochzeiisgelage. „Jeder Bogel erhält seinen Platz angewiesen," entweder als Gast oder als Bedienter; Dohle nnd Häherin sind Brautjungfern, Brach vogel und Star Brautführer, das Rebhuhn ist Koch, der Pirol Aufwäscher in der Küche. Während der Musik, bei welcher der Hänfling die Flöte, die Lerche Klarinette, die Schwalbe Geige und der Schneekönig den Dudelsack spielt, betrinken sich die Amsel nnd die Wachtel. Der Branntwein geht zu Ende, worüber der Reiher in großen Zorn gerät. Vergeblich mahnt di« Meise zum Frieden." Das Fest endigt schließlich mit einer allgemeinen Schlägerei. Wie spaßig die ganze Bogelhochzeit geschildert wird, dafür sei nur eine einzige Strophe der län- geren Volksdichtung als Beispiel in deutscher Übersetzung wiedergegeben: Den Brautjungfern bringt zu trinken Wiedehopf, das große Licht. Dock weil's pflegt um ihn zu stinken, woll'n sie mit ihm tanzen nicht. Die Vorstellung einer Bogelhochzeit ist übrigens nicht Allein- gut unserer Laufitzer Wenden. Auch bei den südslawischen Slowenen findet sie sich vor. „Bogelhochzeit" nennt sich ein aus der slowenischen Sprache übertragenes Gedicht des deutsch österreichischen Dichters Anastasius Grün. Es hebt an Vögel Hochzeit feiern Auf dem Feld im Freien. Fink ist der Neuvermählte, Finkin ist die Erwählte. Auch hier geht« überaus lustig zu, auch hier ereignen sich, wie bei der wendischen Darstellung, mancherlei Zwischenfälle, die zum Lachen herausfordern. Goethes Singspiel „Die Fischerin" enthält eine polabische Volksweise .,Brautlied", dem ebenfalls der Gedanke einer Vogelhochzei« zu Grunde liegt. Die ersten zwei der acht Strophen umfassenden Volksdichtung lauten: