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samten katholischen Wenbei. Hier bietet sich uns des Sonntags in hervorragendem Maße Gelegenheit, die ihre eigenartige Volks tracht noch treu bewahrenden Wendinnen beim Kirchgänge zu beobachten. 3m Dorse und dessen Nähe finden sich mehrere der in dieser Gegend noch zahlreich erhaltenen Steinkreuze vor, so deren eines an der Außenseite der Pfarrscheune. Die gegen wärtige Kirche ist ein schlichter Bau im Rokokostil aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ein Biertelstündchen süd lich des Dorfes ladet der große vorgeschichtliche Doppelwall von Kopschien zur Besichtigung ein. Ein Wiesenpfad, der eine flache Anhöhe überquert, führt uns dahin. Im Juni und Juli 1921 war diese Stätte ein Zielpunkt zahlloser Besucher von nah und fern, war doch daselbst eine wendische Freilichtbühne er richtet worden, auf welcher das fünfaktige Schauspiel „Auf der Schanze" von Lisinski eine mehrmalige ganz vorzügliche Auf führung erlebte. Die Darsteller desselben, deren Leistungen ge radezu mustergüliig waren, setzten sich ausnahmslos aus ein heimischen Kräften zusammen?) Im Anschluß an einen Besuch des Klosters Marienstern läßt sich ohne viel Anstrengung ein solcher des in halbstündiger Ent fernung am Klosterwasser talauswärts gelegenen Ortes Ostro ausführen, dem man in letzter Zeit infolge der aufsehenerregenden Ausgrabungen in seiner großen weithin sichtbaren „Doppel schanze" die Bezeichnung eines „Sächsischen Troja" beigelegt hat. Der Name stammtaus dem Jahre 1912, zu welcher Zeit Museums direktor Feyerabend aus Görlitz gemeinsam mit dem geschichts kundigen Ortspfarrer Zieschank wissenschaftliche Forschungen im östlichen Teile der achtunggebietenden vorgeschichtlichen An lage vornahm. Es konnte dabei festgestellt werden, daß die Lage der Mauerbalken innerhalb der Schanze, der Wall- und Zellenbau, die Tonröhren (Muffen), die wahrscheinlich zur Entlüftung der Vorratskammern gedient haben, und die Getreidegesäße mit Deckschüsseln darin, eine ausfallende Ähnlichkeit mit den Gegen ständen haben, die man bei den Schliemannschen Ausgrabungen der trojanischen Befestigungswerke an der Westküste Kleinasiens vorgefunden hat. Der dadurch zu einer Berühmtheit gelangte Wall ist durch Stufenanlagen bequem zugänglich gemacht worden. Bon der bis zu 15 Metern ansteigenden Krone des Hauptwalles bietet sich eine entzückende Rundsicht in die nähere und weitere Umgebung?) Am westlichen Ausgange des Dorfes befindet sich außerdem ein großes „Gräberfeld" unserer germanischen Vor fahren, dem wiederholt wertvolle Funde entnommen worden sind. Es befinden sich darunter Urnen, deren Herstellungsweise auf ein Alter von 3000 Iahreit schließen läßt. Im Pfarrhause sowie in der Gastwirtschaft von Scholze wird ein großer Teil derselben aufbewahrt. Wie in Crostwitz stammt auch die Ostroer katholische Pfarrkirche aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Den Weg von Marienstern nehme man durch die erwähnte „Lippe", von welcher aufwärts ein Wiesenpfad nach Cannewitz und von da ein ebensolcher nach Ostro leitet. Der Norden, dem wir uns nunmehr zuwenden, ist das Gebiet großer ausgedehnter Nadelwaldungen, denen Kiefer und Birke, die Charakterpflanzen der Heidelandschaft, chr eigenartiges Ge präge verleihen. Auf einsamen Wegen sinkt der Fuß des Wan derers tief in den lockeren Sand des Waldgrundes, kein „Laut der aufgeregten Zeit" dringt hier an unser Ohr, hoch über uns nur singt das Heer der Baumwipfel sein leises, nimmermüdes Lied. Fast ausschließlich in harzduftendem Kiefernforste hin wandern wir von Marienborn nordwärts nach dem reichlich Stunden entfernten wendischen Wallfahrtsorte Rosental, dem ein zigen dieser Art in der Oberlausitz wie überhaupt in ganz Sachsen. Tausende von Pilgern aus der Wendei, den katholischen Orten der deutschen Oberlausitz und dem nachbarlichen Böhmerlande besuchen zu gewissen Zeiten den Ort, um dem auf dem Hoch altäre der Kirche befindlichen „wundertätigen" Marienbilde „Unsere liebe Frau von der Linde" ihre Verehrung zu erweisen. Das Außere des Gebäudes wirkt durch die gefällige Gliederung durch lisenenartige Pfeiler über einem hohen Gurtsims. Die Kirche ist ein Werk des 18. Jahrhunderts, ebenso der achteckige mit glockenförmiger Haube gedeckte „Marienbrunnen", dessen Wasser sich besonderer Wirkung erfreuen soll: schon oft soll sich seine Wunderkraft bei schweren körperlichen Leiden bewährt haben. Ein reicher Legendenkranz umrankt die Gründung und Ver- gangenheit der Wallfahrtsstätte. Mit einem Blick auf den ge fälligen altlausitzer Bau der „Administratur" scheiden wir von dem in das frische Grün der umgebenden Wiesen und Frucht felder gebetteten Orte der Andacht?) Eine gleiche Entfernung wie Rosental hat das nordwestlich von Marienborn gelegene Piskowitz, das rings von Wald umschlossen ist. Der Weg dahin führt durch das bereits 1280 ur- kundlich genannte „Lugholz". Sein dem 18. Jahrhundert ent stammendes, schlichtes Herrenhaus ist seit 1916 zu einem „Heim der Nordlausitzer Krankenkassen" umgestaltet worden. Setzen wir unsere Wanderung in westlicher Richtung fort, so gelangen wir nach annähernd einer halben Stunde nach Deutsch baselitz. Hier lernen wir in dem sich nordwärts er streckenden sogenannten Großteiche den größten Teich Sachsens kennen, dessen eigenartige Uferflora und Tierwelt jeden Freund heimischer Natur in hohem Grade fesseln muß. Außerordentlich anziehend ist vom westlichen Uferrande aus der Blick auf die breite, waldumsäumte Wasserfläche, die einen Umfang von 110 Hektar aufweist und aus deren Mitte sich eine Insel mit dichtem Laubholzbestand erhebt. Starkstämmige Eichen und wetterharte Kiefern verleihen jenen Uferwegen einen ganz besonderen Reiz. Dem Freunde der Pflanzenwelt möchten wir eine Anzahl Kinder der Flora nennen, denen die sumpfigen Teichufer eine sichere Heimstatt gewähren: SaAitturiu snAittikoliu (spitzes Pfeilkraut), Iri8?86uäucoru8 (Wasserschwertlilie), Uol^Aonum umptiibium (Wasserknöterich), Uariunculu8 aquutilm (Wasserhahnensuß), biottonia palu8tri8 (weiße Wasserfeder), Lricu Tstrulix (Sumpf heide), ^Ii8mu UlnntgAv (Wegerichfroschlöffel), Liutine ksxsn- cirn (sechsmänniger Tunnel), U^tkrum l1^88opikoliu (Hsop- blätiriger Weiderich), Uirv^ckosporu tu8cu (braune Moorbinse). Den Bogelfreund wird sicher der reiche Bestand an Wasservögeln fesseln, welche den Teich und seine Gestade beleben. Hier ist der Ort, eines hervorragenden deutschen Malers zu gedenken. Dem hochgeschätzten Dresdener Tiermaler, Professor Emanuel Hegenbarth ist lange Jahre hindurch Deulschbaselitz und seine reizvolle Umgebung eine bevorzugte Schaffensstätte gewesen und in vielen unvergänglichen kraftvollen Werken offenbart uns der Künstler in Tier- und Landschaftsbildern die Schönheit und Eigenart jener Gegend. Einen langen Zeitraum hindurch wan derte Hegenbarth allsommerlich mit seinen Schülern hinaus nach Deulschbaselitz, um in unendlich viel Gemälden, Studien und Zeichnungen das Dorf und seine Umgebung auf Papier und Leinwand zu bannen. Emanuel Hegenbarth gilt mit Recht gegenwärtig als der bedeutendste Tiermaler Deutschlands. Den Rückweg nach unserm Bade nimmt man am besten über Wendisch- baselitz und Dorf Schmeckwitz. Wohl jeder Badegast von Marienborn wird, sofern er nicht selbst Kamenzer ist oder die freundliche Lausitzstadt schon näher kennt, der alten Sechsstadt wenigstens einen einmaligen Besuch widmen. Auf ihre zahlreichen Sehenswürdigkeiten, unter welchen an erster Stelle die altehrwürdige Pfarrkirche mit ihren hoch- bede ttenden Kunstaltertümern steht, können wir hier nicht näher eingehen?) Der etwa zweistündige Weg nach Kamenz berührt die Dörfer Schmeckwitz, Wendischbaselitz und Nebelschütz. In letzterem Orte erregt die von einer Anhöhe grüßende schöne katholische Pfarrkirche unsere Aufmerksamkeit, die der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angehört. Sie enthält u. a. ein Altarbild von der Hand der Prinzessin Mathilde von Sachsen, den heiligen Martin darstellend. Zwischen Nebelschütz und Ka menz verläuft unser Weg am sogenannten „Spittelforst" entlang, in dem sich der Forstsestplatz befindet, das ist der Schauplatz jenes alljährlich in der Bartholomäuswoche stattfindenden weit bekannten und vielbesuchten Kamenzer Schulfestes, das eine Dauer von vier Tagen hat. Kein Besucher der Stadt wird es Unterlasten, den reichlich 90 Meter über dem Orte sich erhebenden Hutberg mit seinem prächtigen Berghause und den eine vorzüg liche Fernsicht bietenden „Lessingturm" zu ersteigen. Der Berg