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II. Literatur u. Geistesleben im neunzehnten Jahrhundert. 911 scheu sucht Labanis zu beweise», das; Körper und Geist nicht nur in der innigsten Wechselwirkung stehen, sondern unbedingt Eins und dasselbe sind. „Die Ent wickelung der Körperorgane und die Entwickelung der Empfindungen und Lei denschaften entsprechen einander so genau und vollständig, daß Körperlehre, Er- * kenntnißlehre und Siltenlehre nur die drei verschiedenen Zweige der in sich einen und selben Wissenschaft, der eigentlichen allgemeinen Menschenlehrc sind". Doch lenkte Labanis bereits von der breiten Heerstraße des Materialismus ab, indem er über und in den Naturerscheinungen eine höchste Weisheit und einen auf die höchsten Zwecke gerichteten weisesten Willen anerkennt. Auf seinen Schultern steht Graf Destutt de Tracy, der seinen Jugendidcalen auch in den Tagen der Revolution, der Napolconischen Herrschaft und der Restauration treu blieb und noch als sechsundsiebenzigjähriger, fast erblindeter Greis auf die Barrikaden der Julirevolution stieg. In seinem Hauptwerk, Llsnasnts ä'IäeoloAie erscheint wie bei Cabanis die Wissenschaft vom menschlichen Geist wesentlich als ein Thcil der Naturgeschichte; Denken und Wollen gelten ihm nur als Nervenempfindung, ganz und gar in den Eindrücken und Bedingungen des Nervenlebens ausgehend. Nach Destutt's Hauptwerk pflegte Napoleon die ganze doktrinäre Opposition, die ihre Politik nach philosophischen Grundsätzen aus- bildete, als Ideologen zu bezeichnen. Wie Dupuis und Condorcet bekannte sich auch Graf Constantin Volney zu den materialistischen, allen überlieferten Glau-Boimy ben bekämpfenden Grundsätzen der Encyclopädisten. Durch gelehrte Studien. ' ^ durch einen längere» Aufenthalt in Syrien und Aegypten, durch politische Tä tigkeit während der Revolution und durch eine Reise nach Amerika mit vielseiti gen Kenntnissen und Erfahrungen ausgerüstet, hat er viele namhafte Werke poli tischen, geschichtlichen und philosophischen Inhalts verfaßt, unter denen das durch glänzende Rhetorik und phantasiereiche Darstellung ausgezeichnete histo rische Gemälde „die Ruinen" (Iss ruiiiss, ou nrsllitAtwiis sur Iss rsvolu- twQs äss Lmplrss) am berühmtesten ist. Ausgehend von dem Grundsatz der Materialisten, daß die Liebe des Menschen zu sich selbst und das Verlangen nach Wohlbefinden die Haupttriebfedcrn alles Strebens und Handelns seien, sucht Volney darzuthun, wie die richtige Anwendung dieser Lehre den Menschen aus seinem rohen Naturzustand herausgerisseu, ihn schöpferisch gemacht, ihn zur Gesellschaft, zur Wissenschaft, zur Kunst, zum Genuß geführt habe, dagegen Ucbcr- stürzung der Selbstliebe in blinde Regellosigkeit der Begierde und Unwissenheit die Quelle aller Uebel, welche die Welt verwüsteten, geworden sei. Die franzö sische Revolution gilt ihm als Versuch, die Vernunfthcrrschaft zu verwirklichen und die großen Prinzipien Gleichheit, Freiheit, Eigenthumsrecht ins Leben ein zuführen. Der monarchischen Zeit und ihrer Bildung gehören auch zwei Männer an, durch welche die französische Sprache, Kritik und Literatur eine große Ausbil dung und Bereicherung erfahren haben: Anton Rivarol und Jean Francois