6 .4. Europa un'ter Bonapartischem Einfluß. ging er bei allen Unternehmungen zu Werke, daß man zu dem Glauben berech tigt ist, die ganze wunderbare Herrscherlaufbahn sei dem Geiste des achlundzwan- zigjährigen Feldherr» schon ahnungsvoll vor der Seele gestanden. „Es ist als wäre der Weltherrschcr fertig aus der Wiege emporgestiegen, wie die geharnischte Mi nerva aus Jupiters Haupt". Die durch Bonaparte's politische und militärische Thätigkcit herbeigeführte Neugestaltung der europäischen Staatsverhültnisse war erst im Werden begriffen, als er seinen Plan eines orientalischen Feldzugs, der durch die Scheinvorbereitungen zu einer Landung in England verdeckt werden sollte, ins Werk setzte; er ließ somit eine große und schwierige Aufgabe der Dircctorialregierung zur Lösung zurück. Diese folgte seinem Beispiel, fügte aber der willkürlichen Eroberungspolitik des Generals noch die Derbheit und Rück sichtslosigkeit jacobinischcr Machthaber hinzu. In Italic» und in der Schweiz wurde die demokratisch-revolutionäre Umsturzpolitik mit derber Faust durch geführt; auf dem Rastatter Congreß der jämmerliche Zustand des deutschen Reichs zu Handlungen des Uebermuths und brutaler Willkür mißbraucht; in Irland der Bürgerkrieg gegen die englische Regierung entzündet und unterstützt und zugleich durch rigorose Gesetze ein vernichtender Schlag gegen den englischen Sechandel und die Rechte der neutralen Schiffahrt geführt. Der Krieg mußte den Krieg ernähren; das Aussaugen und Ausplündern der verbündeten und neutralen Völker sollte die Mittel zu neuen Unternehmungen und Vergewalti gungen gewähren, eine terroristische Seepolizei das gesammte Handelsleben in Fesseln schlagen. Diese Politik des Umsturzes und der Gewaltthäligkcit, welche das Direktorium und sein allmächtiger General befolgten, war eine Verhöhnung aller bestehenden und überlieferten Rechtsordnungen, die das europäische Staa tensystem in ein Chaos von Willkür und revolutionärer Anarchie stürzte; aber sie war eine Sturmfluth, die eine Menge verdorrter und abgestorbener Orga nismen mit fortriß und einen fruchtbaren Boden für neue lebensvolle Pflan zungen schuf. Dabei dauerte im Innern das Wilikürregiment fort. Hatte man am 18. Fructidor ' «au die Royalisten und die Männer der Mäßigung mit brutaler Hand ins Exil gestoßen, so beseitigte man „im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt" durch den Staatsstreich vom 1t.Mai 1798.22. Florcal mehr als sechzig Radicale, welche bei der Erneuerung des Drittels der Volksvertretung in den gesetzgebenden Körper gewählt worden waren, indem man eine Anzahl von Wahlen cassirte und die Abgeordneten der Minderheit als die rechtmäßigen Vertreter in die Versammlung berief. So suchte die Regierung zwischen den beiden feindlichen Parteien, den Anarchisten und Royalisten durchzusteuern und durch gesetz- und verfassungswidrige Willkürmaßregeln ihr Leben zu fristen. Die ganze Welt sehnte sich nach Befreiung von dieser charakterlosen und despotischen Gewaltherrschaft, aber der einzige Mann, von dem man die Rettung erwarten konnte, verließ gerade zu der selben Zeit den Boden der Heimath, um im fernen Orient einem Phantasiebild nach zujagen.