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904 L. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. im neuen Reich durch Schule und Kirche, Kunst und Wissenschaft mühsam und schrittweise Vorbereitung fand, mit dem erheblichsten Kostenaufwand verknüpft. Die Zeit der Romantik ist in Sprache und Naturkunde, in Kunst und Alterthum, kurz in allen denjenigen Fächern groß geworden, welche mit dem wirklichen Leben nichts zu thun haben. Mit vollem Bewußtsein und folgerichtigem Ernst ward zwischen Schule und Leben von den hervorragendsten Vertretern der elfteren selbst eine undurchsichtige Scheidewand aufgerichtet, die fast ein halbes Jahrhun dert Bestand hatte. Mit der Würde deS Gelehrten war Abscheiden von dem offenen Markte des Lebens unabtrennbar verknüpft. Gleich nach den Befrei ungskriegen hielt Hegel seine Antrittsrede in Heidelberg, worin er als Haupt gewinn der opfcr- und siegreichen Kämpfe die für die deutsche Jugend neu eröff net Möglichkeit, in Ruhe Philosophie zu studiren, hinstcllte. Die Wissenschaft sollte nach einer berühmten Aeußerung Jacob Grimm's mit Nothwendigkeit den Schein des Unpraktischen mit sich führen. In diesem Gelehrten von umfas sendstem Wissen hatte überhaupt der Rückzug von Leben und Gegenwart die ausgeprägteste Gestalt gewonnen. Andererseits mußten Männer, die sich zu einer so vollständig durchgcführten Einseitigkeit der Lebensführung schwerer ent schließen konnten, dies mit Erfahrungen und Enttäuschungen von oft bitterer und verletzender Art bezahlen. Wir verweisen nur auf das, was wir von Schleicrmacher erwähnt haben. Aber auch ein Manu von so hervorragenden Verdiensten wie Wilhelm von Humboldt sah sich durch die Karlsbader Beschlüsse aus seiner politische» Wirksamkeit gänzlich herausgeworfen. An seinem Beispiele läßt sich nun freilich recht anschaulich machen, wie jene beklagenswcrthe Verdumpfung des öffentlichen Lebens der Wissenschaft zunächst zu statten kam. Der Ertrag der thcils erzwungenen, theils mit Bewußtsein und Resignation übernommenen Beschränkung der deutschen Gelehrsamkeit auf die Schreibstube, kündigte sich schon im Verlaufe der zwanziger Jahre als ein ganz enormer an. Damals eben breiteten sich allenthalben die großen Triumphe der Naturwissenschaften vor, von welchen die nächsten Deccnnien zu erzählen und zu rühmen haben sollten. Im vollen Flor aber stunden bereits die Geistes- wissenschasten. Seinen Lieblingsforschungcu zurückgegeben, suchte Wilhelm von Humboldt, wie wir später des Näheren erfahren werden, von den ein zelnen Sprachen nach dem Gesetze der Sprachbildung selbst vorzudciugen. Während gleichzeitig Karl Ritter den Zusammenhang der physikalischen Bedin gungen des Völkerlcbcns mit ihrer geistigen Entwickelung aufdeckte, trat nun mehr aus den dem Werden und Wachsen der Sprachen zugewandtcn Studie» die Gemeinsamkeit der arischen Volksstämme in ein ganz neues Licht, und wurde namenllich die Etymologie „aus einer Ergötzlichkeit des Wett-Rathens zu einer verlässigen Wissenschaft" erhoben. Es war im Grunde noch eine Erbschaft der Romantik, welche man damit antrat. Seitdem Friedrich Schlegel in seiner dilet tantischen Weise auf „Sprache und Weisheit der Indier" hingewiesc» st 808),