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886 L. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolutiou. jcctiven Idealismus, Erscheinungen für uns, d. h. nachweisbar nur für unser Be wußtsein vorhanden, sondern sie gelten als Erscheinungen an sich, welche den Grund ihres SeinS nicht in sich, sondern im Absoluten haben. Auf die Entwickelung der realen Welt folgt endlich die des concretcn, in Recht, Sitte, Staat, Kunst, Religion und Wissenschaft sich bethätigenden Geistes, d. h. als dritter Theil des Systems die Geistesphilosophie, welche die Rückkehr aus jener Selbstentfremdung des Geistes dar stellt. Der Geist kommt zu sich selbst, wird wirklicher, sich wissender Gedanke, indem er jene Gegenständlichkeit als seine eigene erkennt und Kraft dieser Erkenntniß das An derssein der Natur aufhebt. Er hört mit Einem Wort auf Natur zu sein und wird Mensch. Der Zusammenhang dieser Gedankenwelt ist weniger abstrus, als die scholastische Sprache, in welche sie gekleidet war. Im ersten Theil erscheint das Absolute als ein fache, stofflose Dialektik des Begriffes; im zweiten als sein Gegentheil, als Natur; im dritten als Einheit beider, als Geist. Aus der Idee durch die Natur zum Menschen: das sind die Stationen des Prozesses, in welchem das Absolute auf dem Wege seiner Selbstverwirklichung ewig begriffen ist. In diesen drei Absähen kommt der Begriff des Geistes erst zur Vollziehung; darum stellen sie auch nur wieder die drei Momente der absoluten Methode dar. Wie im Einzelnen, so fällt auch im Ganzen und Großen das System wieder zusammen mit seiner Methode. Die ganze Logik Hegcl's beschreibt die Methode des seine eigenen Ideen aus sich herausarbeitenden Geistes; das Absolute aber ist weder in der Logik, noch in einer der beiden anderen Stationen gleichsam fixirt, sondern es ist nichts Anderes als der fortschreitende Prozeß des Geistes, wie er von den niedrigen zu den höheren Bcwußtseinsformen und durch Ueberwindung aller Gegensätze bis zur vollkommenen Selbstgewißheit, zum vollendeten Selbstbewußtsein gelangt. „Das Absolute — sagt Hegel — ist das Werden seiner Selbst; der Kreis, der sein Ende als seinen Zweck voraussctzt und zum Anfang hat und nur durch die Aus führung und sein Ende wirklich ist". CbamM? Fragen wir nun nach den Wirkungen, welche diese, das All aus dem Begriff r-r Syst-ms. herausspinnende und wieder in den Begriff auflösende, Philosophie auf die Zeitgenoffen ausgeübt hat, so sind zunächst sehr reale Verhältnisse und Interessen geltend zu machen, an welchen der graue Begriffsschematismus der absoluten Philosophie näher betheiligt ist, als man glauben sollte. Wir müssen an den allgemeinen Charakter der Restaura tionszeit, insonderheit an die durchaus konservative Stellung erinnern, welche die preu ßische Regierung eben damals, als Hegel nach Berlin berufen wurde, bereits eingenom men hatte. Wir werden sehen, wie die damals von Savigny in Berlin vertretene, historische Richtung innerhalb der Rechts- und Staatswiffenschasten, unbeschadet aller ihrer Verdienste, diesen rcstaurativen Zug der Zeit mächtig förderte. Ihm gleichsam die Weihe der Wissenschaft zu ertheilen war aber nicht minder auch Hegel beflissen, der übrigens mit jener Rcchtsschulc das Verdienst einer großen und würdigen Auffassung des Staates gegenüber dem „Gesellschaftsvertrage" Rousseau's, dem juristischen Ratio nalismus Kant's und der amerikanischen Utilitätstheorie thcilt. Nicht minder als Sa vigny war cs Hegel, welcher den Zeitgenossen begreiflich machte, daß der Staat nicht ein gemachtes oder machbares Kunststück, sondern etwas Gewordenes und stets werden des, daß er Geschichte sei. Ja die Weltgeschichte selbst ist für ihn wesentlich Staatsge- schlchte. Denn im Staat als der „Totalität aller sittlicher Zwecke" realisirt sich der ob jektive Geist. Der Staat erscheint ihm in einer an das antike Ideal erinnernden Weise als die Wirklichkeit der sittlichen Idee, als ein Göttliches auf Erden. Aber auch bei Hegel kehrt diese Lehre ihre Spitze nicht blos gegen die Aufstellung leerer politischer und socialer Ideale, gegen die Dichtungen, Staatsromane oder gegen