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I. Von Campo Formio bis zum 18. Brumairc. 71 begeisterten Glückwünschen der nach Erlösung seufzenden Nation. Das ganze Unternehmen mit dem erfolgreichen Ausgang, dessen Gelingen ans Wunderbare streifte, wirkte wie eine Zaubererscheinung auf die Phantasie der Zeitgenossen. Die Directorialregierung hatte alles Ansehen und alle Haltung verloren. Die ausübenden Direktoren, bei denen Sieyes den strengen Republikaner Rewbell'n P-'ris? erseht hatte, lagen mit der gesetzgebenden Versammlung der Fünfhundert iin 2»m ns«. Hader und waren unter sich selbst gespalten. Die Unfälle im Kriege, die Steuer- gcsetze, die Beschränkungen der Preßfreiheit durch Unterdrückung der Journale u. A. m. dienten der Opposition, an deren Spitze Napoleon's Brüder, Lucian und Joseph Bonaparte, standen, zu Angriffen gegen die Regierung. Die durch die sogenannte Revolution des 30. Prairial bewirkte gewaltsame Ausschließung i«. Juni, des wackcrn Lareveillere Lepeaux und zweier seiner Eollcgen und ihre Ersetzung durch drei unbedeutende Männer, Gohier, Monlins und Roger-Ducos, erhöhte die allgemeine Unzufriedenheit. In den Provinzen regten sich die Royalisten; in Paris hielten die Jacobiner Zusammenkünfte in der Reitschule, wo ehedem die Nationalversammlung getagt hatte, und erneuerten den alten Club unter an- dern Formen. Zu ihnen hielten sich die berühmtesten Feldherren, die in Europa zurückgeblieben waren: Augereau, der unruhige, ungestüme Held der militäri schen Demagogie, Jourdan, wie Augereau Mitglied der Fünfhundert, wo er sich durch das erwähnte Conscriptionsgcsetz um Frankreichs Heerwesen verdient gemacht, und Bernadotte, damals Kricgsministcr, ein Mann von hervorragender Thatkraft und feurigem Republikancrsinn. Ihr Ziel war die Herstellung einer revolutionären Dictatur. Das größte Ansehen besaß der gewandte ehrgeizige Abbe Sieyes. Zwischen den Parteien sich bewegend, an Geist und Menschen- kenntniß seinen Amtsgenossen überlegen und von dem Ruhm getragen, daß er als Gesandter in Berlin die Neutralität Preußens bewirkt habe, glaubte er sich zum Reformator der Verfassung berufen. Die orakelhafte Sprache, deren er sich be fleißigte, so urtheilt Lanfrey über den geistlichen Politiker, sein sarkastisches, hoch fahrendes Wesen, die Berühmtheit, die er einigen von der Revolution zum Axiom erhobenen Schlagwörtern verdankte, täuschten über seinen Mangel an politischen Zähigkeiten, während die anscheinende Einfachheit seiner Sitten und der ihm zu geschriebene stolze Ehrgeiz die Triebfedern verdeckten, welche diesen habsüchtigen Priester bewegten. Er war das Haupt einer großen malcontentcn Partei, die eine Acnderung der öffentlichen Dinge wünschte und anstrebte. Aber die kleinlichen Mittel der politischen Jntriguen, der Factionskünste, der Niederhaltung der öffent lichen Meinung, des Druckes auf den demokratischen und royalistischen Volksgeist, die Sieyes und seine Genossen ins Werk setzten, waren ohne Macht und Wir kung. Die Unfälle in Italien wurden der Abwesenheit Bonapartc's zugcschrie- ben, den das Direktorium aus Neid „deportirt" habe. Nirgends hatte die be stehende Regierung Freunde, und Jedermann war von der Nothwendigkcit einer Acnderung der Verfassung überzeugt, als die Kunde von Napoleon's Landung