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64 Europa unter Bonapartischem Einfluß. Kaisers starb. Kutaissow, früher Kalliiuerdieiier, dann Vertrauter Pauls, war bei einer Begrüßung von dem General verächtlich behandelt worden und hatte aus Rache seinem Gebieter hinterbracht, daß einige Kleinigkeiten des Heerdienstcs, die der Kaiser während des Krieges anbefohlen hatte, bei der Armee in Italien nicht beachtet worden seien. ^uwarow's Dem Charakter dieses Buches liegt die Beschreibung von Feldzügen und Kriegs- operationcn im Einzelnen fern. Rur der allgemeine Gang der militärischen Begebenheiten und die durch die Waffen erzielten Resultate können in Umrissen berichtet werden. Aus nahmsweise sei es gestattet, den Alpenübergang des russischen Feldherrn über den St. Gott hardt und die Bündtner Gebirge nach den bekannten Werken von Hausier und Clausewitz ausführlicher zu erzählen: Auf die russischen Truppen, die plötzlich aus den gesegneten Regionen Italiens in diese engen Felsschluchten der Alpen cintraten, um sich den Schnee- und Eisrcgionen des Gotthardt zu nähern, machte dieser rasche Uebergang aus der hei-, tersten Fruchtbarkeit in eine wilde, düstere Natur von riesenhaften Dimensionen den Ein druck, den das Gewaltige und Ungeheuere unwillkürlich erweckt. Sie fühlten sich beengt, beunruhigt und schwankten zum ersten Male in ihrem Vertrauen auf den siegreichen Feld herrn. Es kam zu Ausbrüchen deS Ungehorsams, die zu dämpfen cs der ganzen Gei stesgegenwart Suwarow's und seiner Kunst, die Menschen zu behandeln, bedurfte. Er ließ ein Grab für sich graben, Angesichts der Soldaten, um, wie er sagte, die Schmach eines zuchtlosen Heeres nicht zu überleben; es gelang ihm auch, die Truppen zum alten Vertrauen zurückzuführcn. Er selbst schien der Gleich? wie in den glücklichen Tagen; in seiner gewohnten leichten Kleidung, mit einem weißen Kamisol und weißen Beinklei dern angethan, ein dünnes Mäntelchen umgeworfen, ritt er unverdrossen auf seinem Kosakenpserd dahin und stählte den Muth der Mannschaft für die kommenden Mühen und Gefahren. — Am Morgen des 25. September war Suwarow an dem Urner Loch angelangt; seine Soldaten drängten vor, Hunderte fanden an dem geöffneten Abgrunde der Teufelsbrücke ihren Tod, und es schien nicht denkbar, selbst gegen die viel schwächere Zahl der Franzosen den Durchgang zu erzwingen, als die Russen den kühnen Entschluß wagten, mitten im Feuer des Feindes einzeln den steilen Rand der Reuß hinabzuklet tern, durch den wildschäumenden Fluß zu waten, und, indem sic am andern Ufer mühsam hinaufstiegcn, die Franzosen zu umgehen. So ward die Brücke gewonnen, der Uebergang über den gesprengten Bogen mit Brettern und Baumstämmen hergestellt. Am 26. September langte Suwarow zu Altorf an, wo die Gotthardtstraße in die Wellen des Vierwaldstätter Sees mündet und kein Fahrzeug bereit lag, ihn nach dem andern Ufer zu bringen. Eine unwegsame Gebirgsmasse trat ihm entgegen und streckte ihren nackten Felsenarm in das finstere Schächenthal hinaus wie ein riesiger Wegweiser des Schicksals. Rur auf den Hirten- und Jägerpfaden dieser engen Thalschlucht und der Bcrgübergänge im Hintergründe war es möglich zu wirthlichcrcn Gegenden zu ge langen, und selbst dies war zweifelhaft, wenn der Ausgang des Kampfes, der in den selben Stunden am Züricher See gefochtcn ward, den Feind in den Besitz dieser Alpen pässe brachte. Und in welchem Zustande war das Heer! Seit sechs Tagen zog es bergauf, bergab, mußte sich um Fußpfade und Brückensteige schlagen, die Reuß durch waten, steile Abhänge hinaufklimmen, mit kümmerlicher Nahrung, während strömende Regengüsse jeden Schritt erschwerten. Schon bildete der Zug der Armee von Airolo bis Altorf eine ununterbrochene gemischte Reihe von Lastthieren und Nachzüglern. Ohne den Truppen Ruhe und Rast zu gönnen, schlug der unerbittliche Feldherr am 27. September den Weg ins wilde Schächenthal ein, um von da über die steile Höhe des Kinzigkulm den Weg ins Thal der Muotta zu finden. Noch am Abend trafen die