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I. Von Lampo Formio bis zum 18. Brumaire. 61 erblickte das Angesicht seines alten Freundes mit triefenden greisen Locken. Er rief laut: Caracciolo! und äußerte sich wie Macbeth bei Shakespeare. Cr wandte sich mit Entsetzen ab und fragte: „Was will derTodte?" Als Alles bestürzt schwieg, sagte der Kaplan: er bittet um ein christliches Bcgräbniß. „Das soll er haben", erwiderte Ferdinand und ging gedankenvoll in sein Gemach. Der Eindruck war aber vorübergehend; der König blieb, wie er von Kindes beinen an gewesen war". Man muß bei Coletta die Darstellung dieser Reactions- gräuel lesen, um einerseits mit Abscheu, andererseits mit Bewunderung erfüllt zu werden. Auf allen Märkten und freien Plätzen waren Henker und Blutrichter in ununterbrochener Thätigkeit. Ferdinand gründete einen „Verdienstorden" zur Belohnung derer, die sich bei dem Reactionswerk besonders hervorthatcn. Dem Fall der parthenopäischen Republik folgte die römische auf dem Fuße. A°m General Garnier, der mit geringen Besatzungsmannschaften von der Engelsburg V-m»ig. aus durch militärische Zucht und Kriegszustand den Kirchenstaat mehrere Wochen lang im Gehorsam hielt und die neapolitanische „Glaubensarmce", welche unter Radio und Fra Diavolo den früheren Raubzug wiederhole» wollte, über die Grenze zurückschlug, mußte endlich, als die Engländer die Küsten bedrohten und einzelne Streifcorps der verbündeten Armee bis an die Tiber vordrangen, eine Capitulation eingehen, welche den Franzosen und allen Republikanern, die ihnen 27. E-p«. folgen wollten, freien Abzug gewährte. Darauf nahm Ferdinand, da mittler-''" weile Papst Pius zu Valence in französischer Gefangenschaft gestorben war, 2s. Aug. einstweilen Besitz von dem Kirchenstaat und ernannte den Fürsten Naselli von Aragona zu seinem Stellvertreter und Vicekönig, in der stillen Hoffnung, das herrenlose Land für sich zu gewinnen. Das lag aber keineswegs in den Absichten des Wiener Cabinets, das bereits Ancona, Umbrien und die Marken unter worfen und ohne sich mit den übrigen Verbündeten zu verständigen, eigen mächtig eine provisorische Regierung eingesetzt hatte. Es trat immer deutlicher zu Tage, daß Oesterreich sich mit den Spolien der cisalpinischen Republik aus statten und insbesondere die lange begehrten päpstlichen Legationen als heim- gefallene Beute an sich ziehen wollte. Diese politischen Beweggründe übten bei der neuen Papstwahl einen unverkennbaren Einfluß. Pius VI. hatte vor seinem Ende verfügt, daß das Conclave da gehalten werden sollte, wo sich die meisten Lardinäle befänden. Demgemäß fand am 1. December in Venedig unter dem Schutze der Verbündeten eine Versammlung von Kirchcnhäuptern statt, der vier unddreißig Cardinäle anwohnten. Neben Oesterreich und Neapel waren damals Ketzer, Schismatiker und Ungläubige die Schirmherren des Stuhles Petri. Dank der diplomatischen Gewandtheit des Cardinals Consalvi erhielt nicht der von Oesterreich begünstigte Kandidat, der auf die Pläne Thuguts eingehen zu wollen schien, die Stimmenmehrheit, sondern Cardinal Chiaramonti, der sowohl die Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhles als das gesammte Gebiet des Kirchen staats zu erhalten entschlossen war. Der neue Papst führte den Namen seines