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558 Europa unter Bonapartischcni Einfluß. Aurillnc unter gastfreundlichem Dache zu lauge auf, bis er erkannt und verhaftet ward. Mau wollte ihn vor ein Kriegsgericht unter dem Vorsitze Monccy's stellen. Aber dieser älteste der kaiserlichen Marschälle wies den Auftrag mit solcher Entschiedenheit und Energie zurück, daß er seiner Würde entsetzt und zu einer Gefängnißstrafe von drei Monaten verurtheilt ward. Auch die andern Beisitzer, meistens Waffcngcfährten Ney's, zeigten wenig Neigung zu dem pein lichen Verfahren gegen den „Tapfersten der Tapfer«". Sic stimmten der Auf fassung der Vertheidiger des Marschalls, Berrycr und Dupin bei, daß der Prozeß vor die Pairskammer gehöre. Und so geschah es. Wochenlang harrte die Welt mit großer Spannung der Entscheidung des zu einem Gerichtshöfe um- gewandeltcn hohen Hauses. Der Hauptzcuge war General Bourmont, der kurz vor der Schlacht von Ligny die kaiserliche Fahne verlassen hatte. Vergebens be riefen sich die Vertheidiger auf die Convention von St. Cloud, wonach Niemand seiner politischen Handlungen und Gesinnungen wegen verfolgt werden sollte; vergebens wurde der Herzog von Wellington, der Mitunterzeichner jener Con vention , von seinen eignen Landsleute» und von Ney's Gemahlin mit Bitten angegangen, der Stimme der Ehre und der Menschlichkeit Gehör zu geben und nicht zu dulden, daß der englische Name in dem tragischen Weltdrama auch noch mit dieser Schmach befleckt werde; der tapfere Lord blieb der Fürbitte ebenso unzugänglich wie König Ludwig kalt und ungerührt bei den Fußfällcn der Frauen. Der unversöhnliche Groll der Royalisten, von dem selbst der Minister- Präsident Richelieu bei Stellung der Anklage sich fortrcißcn ließ, forderte den Untergang des Feldherr», der die Kricgsehre Frankreichs durch so manche Tro phäe verherrlicht hatte. Den von seinem Vertheidiger erhobenen Einwand, Ney sei nach Abtretung seines Geburtsorts Saarlouis nicht mehr als Franzose zu be trachten, wies der Marschall selbst mit Unwillen zurück. Er wollte als Franzose leben und sterben. So erfolgte denn der verdammende Richtcrspruch der Pairs. Die Abstimmung ergab einhundertachtundzwanzig Stimmen für den Tod, sieb zehn für Deportation. Die Verurtheilung des ruhmgekrönten Fürsten von der Moskwa war ein Schandfleck, von dem sich die hohe Körperschaft nie zu reinigen 7. D-ibr. vermocht hat, und seine Erschießung an der Gartenmauer des Luxembourg, wobei er mit militärischem Geiste selbst commandirte, warf einen Makel auf Welling- ton's Namen. Die Welt stellte den Vorgang in eine Linie mit Nelson's Ver fahren gegen Caracciolo. Im nächsten Jahr wurden noch zwei andere Generale, welche für die Herstellung der kaiserlichen Herrschaft in Toulouse und Lyon thätig ls.suli i8io. gewesen, Chartran und Mouton-Duvernet, kriegsgerichtlich zum Tode verurtheilt und erschossen. 14. Au«. Mittlerweile war die Einberufung der Kammern nngcordnet worden. Man R-yaustisch^ ließ die Wahlkörper und die Wahlcollegicn der Bezirke bestehen, wie sic die Napoleonische Maivcrfassung festgestellt hatte. Da konnte man aber bald erken nen, welch ein Umschwung in der Gesinnung und Denkweise eingetreteu war.