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IV. Umsturz und Neubau. 553 tischer Begeisterung mit einer Hofdame der russischen Kaiserin schon in Wien die Aufmerksamkeit Alexanders auf sich zu lenken gewußt, die ihn dann in Heidelberg durch einen persönlichen Besuch zu ungewöhnlicher Stunde überrascht hatte und ihm später nach Paris gefolgt war, schmeichelte ihm mit der Vorstellung, er sei von der Vorsehung auserkoren, die religiös-christliche Weltordnung, wie sie Franz Bader zur Heilung der verführten und verirrten Menschheit in Schriften und Briefen dargelegt und empfohlen, als die neue Staatskunst der Zukunft zu begründen. Die Reden und Mahnworte der zum Wunderbaren und Phanta stischen hinneigenden Frau machten um so mehr Eindruck auf die empfindsame Seele des Zaren, als sie den Stempel der eigenen Ueberzeugung trugen und seinem stolzen Selbstgefühl mit der Vorstellung einer höheren Mission schmei chelten. In ihrem mystisch-schwärmerischen Geiste mochte sich Frau von Krü- dener in Wahrheit für eine vom Geiste des Herrn erfüllte Prophetin halten, berufen die Fürsten und Völker dieser Welt zu einem echt christlichen Leben zu bekehren. Ein solches christliches Leben und Denken war an keine bestimmt aus geprägte Lonfcssiou gebunden, daher auch das theosophische System Baders, der wohl die von den Concilien festgesetzte Dogmatik als philosophische Wahrheit faßte, aber die Autorität des Papstthums als eine Weltherrschaft in geistlichen Dingen verwarf und Rom ein mit Christenthnm übertünchtes Heidenthum nannte, sich besonders zur fundamentalen Unterlage dieser dehnbaren christlich- religiösen Anschauung eignete. In Sendschreiben hatte Bader bereits den Ge danken eines christlichen Bundes empfohlen, der von dem Spruch des Nömer- briefs ausgehe: „Die Liebe thut dem Nächsten nichts Böses", das Wesen eines von der Liebe zusammengehaltenen gesellschaftlichen und staatliche» Verbandes entworfen, in dem sowohl Despotie als Sclaverei ausgeschlossen sei, und bewie sen, daß die „Dämonokratie" der Revolution nur durch die „Theokratie" einer von göttlicher Politik erfüllten Monarchie überwunden werden könne. So bildete sich denn in der Seele der schwärmerischen Frau von Krüdcner das Ideal einer über die Formen und Dogmen der einzelnen Confcssionen hinausgehenden christ lich-politischen Gemeinschaft aus, das mit Propheteneifer verkündigt in der Phantasie des in humanen und liberalen Vorstellungen sich gefallenden Kaisers Wurzel faßte und concrete Gestalt annahm. Nach einem lebhaften Gespräch mit der gottbegeisterten Frau und dem magnctisirenden Wunderthätcr Bergasse ent warf Alexander selbst die Grundzüge des heiligen Bundes, mit dem eine neue politische Aera anbrechen sollte. „Aller Edelsinn und alle Glaubensinbrunst, aber auch die ganze unklare Gefühlsseligkeit dieses schwammigen Charakters waren in dem wundersamen Aktenstücke niedergelcgt". König Friedrich Wil helm III. wurde leicht zum Beitritt bewogen. Hatte er doch selbst in den angst vollen Tagen nach der Schlacht von Bautzen auf einem einsamen Ritte zu dem Freunde gesagt: „jetzt kann uns nur Gott allein noch retten; siegen wir, so wollen wir ihm vor aller Welt die Ehre geben" und war doch der neue Bund in