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504 Europa unter Bonapartischem Einfluß. ^sch-Ut't^ Unter dem glänzenden und rauschenden Treiben des Kongresses wollten die M'ngre,7--l. ernsten mühsamen Arbeiten lange nicht in Fluß kommen. Die Welt erfuhr monatelang fast nichts von staatsmännischen Verhandlungen, dafür staunte sie aber über die glanzvollen Schilderungen der Feste und Lustbarkeiten aller Art. „In einem steten Rausche wechselten Privatbälle und Hofredouten, Maskeraden und lebende Bilder, Feuerwerke und Carousselle, Jagden, Wagen- und Reiter züge, Musterungen und Feldübungen der Truppen; heute ein wenig passendes Todtenamt für Ludwig XVI., am Abend Ball, am andern Tage eine pracht- überladene Schlittenfahrt. Die Staffage in diesem großen Zeitbilde war von der außerordentlichsten Mannichfaltigkeit. In dem engen Stadtraume von Wien zusammengedrängt wogten so viele Fürsten mit ihrem Gefolge, so viele litera rische, kriegerische und politische Größen, der prunksüchtige Adel von Oesterreich, Ungarn und Böhmen mit seinen fremden Gästen, die leichtfertigen Witzlinge der Salons, die deutschthümelnden oder weltbürgerlichen Sonderlinge, Wüstlinge und Abenteurer, Gaukler und Spieler, Tänzer und Sänger in Masse durchein ander; die verfeinerten Leidenschaften des Westens kreuzten sich mit den rohern der halborientalischen Großen". Auf dem glatten Parqnet der Wiener Salons wogte nun diese bunte glänzende Gesellschaft, Kaiser. Könige und Fürsten, Prä tendenten, ernste Staatsmänner und leichtfertige intrigante Diplomaten, Stan- deshcrrn, Reichsritter, Geistliche und Gelehrte, Gauner und Abenteurer; vor nehme und kokette Damen, Alles drängte sich herzu, was unter den großen Umwälzungen gelitten, was gerechte und ungerechte Hoffnung hatte, in diesem Ränkespiel etwas zu erwerben, und was begierig war, sich wieder einmal in dem glänzenden Treiben der alten aristokratischen Welt zu ergehen. Den Mittelpunkt der erlauchten Gesellschaft bildete der Gastgeber, Kaiser Franz von Oesterreich, der mit dem vielgerühmten äußern Schein des biedern, treuherzigen, einfachen, ge mächlichen Wesens viel kalte Berechnung, Schlauheit, Herzcnshärte und Miß trauen verband. Von großen Monarchen waren außer dem Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm III., der Schwarm kleiner deutschen Fürsten fast voll zählig anwesend. Der achtzigjährige Prinz von Ligne, der Spaßmacher des Cou- gresscs, ergötzte die vornehmen Gäste durch seine witzigen Einfälle und gab schließ lich der Versammlung ein Schauspiel, das, wie er sagte, ihr doch kein anderer bieten könne, nämlich das Schauspiel des Leichenbegängnisses eines österreichischen Fcldmarschalls, als Abwechselung in der eintönigen Flucht der glänzenden Lust barkeiten. Mitunter erbaute sich die vornehme Gesellschaft auch an den derben Kapuzinaden des Mönches und Schicksalstragöden Zacharias Werner, sann-» Die Sache Oesterreichs auf dem Congreß führte der Fürst Metternich, Minister, dessen ränkevolle Diplomatenkunst und frivole reactionäre Weltanschauung ohne ' sittlichen Ernst und staatsmännische Tiefe, die größten Triumphe feiern sollte; ihm standen der Frcih. v. Wessenbcrg, der ältere Bruder des berühmten Bis« thnmsverwesers von Konstanz, sowie als Protokollführer der uns wohlbekannte