Volltext Seite (XML)
494 Europa unter Bonapartischem Einfluß. Commission gewählt worden, um einen Verfassungsentwurf vorzubereiten, dessen Grundbedingungen sofort in einer Adresse an das Volk verkündigt wurden. Danach sollten Senat und gesetzgebender Körper in die neue Constitution über gehen, in der Armee alle Grade und Ruhegchalte fortdauern, die öffentliche Schuld unangetastet bleiben, der Verkauf der Nationalgüter zu Rechte bestehen, kein Franzose wegen politischer Ansichten gefährdet werden, Freiheit der Religion und der Presse gewährleistet sein. In diesem Sinne war denn auch die Vcrfas- snngsurkunde entworfen, die auf Grund des Commissionsvorschlags von dem Senate angenommen ward. Dabei hatte man nicht vergessen, die Erblichkeit der Scnatorenwürde festzustellen, „was die Nutznießung der Dotationen in ein Erb gut verwandeln hieß". Ro^anste" Nun galt cs die öffentliche Meinung in der Hauptstadt und in den Pro vinzen Frankreichs für die „Senatsverfassung" und die Herstellung des „legi timen" Königshauses zu bearbeiten, damit die verbündeten Monarchen, insbe sondere Alexander zu dem Glauben geführt würden, dies sei der Wunsch und Willen der Nation. Zu dem Zweck entfalteten die Bourbonisten eine lebhafte agitatorische Thätigkeit. Die Zeitungen, unter royalistischc Leitung gestellt, redeten der Absetzung Napoleons und der Restauration der Bourbons das Wort; Chateaubriand's Schrift „von Bonaparte und den Bourbonen", mit großer Beflissenheit in Stadt und Land verbreitet, hatte für die politische Um kehr einen ähnlichen Erfolg wie einst sein Genie des Christenthums für die religiöse. Die Menschen änderten sich in diesen Tagen noch schneller als die Dinge, bemerkt Gewinns; Napoleon erfuhr, wie „die Volksliebe kurz und unheilvoll" sei, während der Graf von Artois seine tiefe Verwunderung an Semallc aussprach über diese unver hoffte und „zauberhafte Bekehrung von schwarz zu weiß". Unter den „Commissaren", welche die provisorische Regierung mit der Führung der verschiedenen Geschäftszweige betraute, las man die Namen mehrerer Personen, die sich Napoleon's Ungnade zuge zogen hatten, wie Dessolles, Dupont, Bourrienne. Restauration der Bourbonen wurde nunmehr die Losung des Tages und die Blicke des leichtsinnigen Volkes wandten sich der emigrirten Königsfamilie zu. Royalistischc Fanatiker ließen ihre Wuth an den Bildern und Zeichen des Kaiserthums aus. Es wurde der Versuch gemacht, die Statue Napoleon's von der Vendomesäule mit angespannten Pferden herabzuziehen. Kaiser Alexander wurde mit Dankadressen und Deputationen gefeiert. Und doch scheint der Zar noch immer in seinen Entschlüssen geschwankt zu haben. Wurde auch, wie erwähnt, von den alliirtcn Mächten die Entthronung Napoleon's selbst als nothwendig für die Ruhe Europa's angesehen; warum konnte denn aber nicht dem „König von Rom" der Thron Frankreichs Vorbehalten und bis zu seiner Volljährigkeit eine Regentschaft ein gesetzt worden? Ucber diese Frage wurde gerade in den Tagen der ersten royalistischen Begeisterung unterhandelt, wahrscheinlich jedoch mehr zum Schein als mit aufrich tigem Ernst.