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IV. Umsturz und Neubau. 433 Jugend zum Kriegsdienst heranzuziehen, sondern das ganze Volk unter die Waffen zu rufen, der Armee der Linie einen festen Rückhalt in einer starken Landwehr zu geben. Scharnhorst griff jetzt seine alten Pläne einer allgemeinen Landesbewaffnung wieder auf und, wie das Beispiel Ostpreußens zeigte, kam er damit nur der Stimmung des Volkes entgegen. Die Errichtung der Land-^«t>»°b ^ wehr und des Landsturms wurde jetzt allgemein ins Werk gesetzt und damit bald eine Verstärkung des Heeres von ganz unerwarteter Höhe erzielt. Das Kreuz mit der Devise: „Mit Gott für König und Vaterland" am Helme der Landwehr, wurde seit der Zeit das militärische Ehrenzeichen Preußens. Der Orden des eisernen Kreuzes, gestiftet am Geburtstag der Königin Luise (geb. i«. März. 10. März 1776, gestorben 19. Juli 1810), war den Tapfern ein Sporn und eine Mahnung an die eiserne Zeit. Die Landwehr bestand aus Fußvolk und Reiterei; ihre Aushebung und Bildung wurde von den Kreisen betrieben, die hierzu einen Ausschuß einsetzten. Dieser rief die wehrfähigen Männer vom siebenzehnten bis zum vierzigsten Jahr zusammen und forderte zum freiwilligen Wehrdienst aus; was an der zu stellenden Mannschaft noch fehlte, wurde durch daS Loos ausgehoben. Die Offiziere bis zum Hauptmann aufwärts wurden von dem Kreisausschuß gewählt und vom König bestätigt. Die Ausrüstung, die zunächst den Gemeinden oder Kreisen oblag, war, namentlich Anfangs, oft recht dürftig und beeinträchtigte nicht selten die Kricgstüchtigkeit dieser Truppen; die Land wehr war nicht einmal allgemein mit Gewehren bewaffnet, sondern theilweise nur mit Piken. Die Mängel, die diesen neuen Organisationen anhaftcn mußten, besserten sich aber im Lauf des Krieges und bald konnte die Landwehr den geschulten Linienregi mentern würdig an die Seite treten. 2m nächsten Monat erfolgte als Schlußstein des2i. Apni. allgemeinen Aufgebots die Verordnung über den Landsturm: „Jeder Staatsbürger, «"Mai" der nicht schon bei dein stehenden Heere oder der Landwehr gegen den Feind steht, ist verpflichtet, sich zum Landsturm zu stellen, wenn das Aufgebot eintritt. Der Land sturm tritt überall ein, wo der Feind versucht in unser Land zu dringen. Ist der Fall des Aufgebots eingetrcten, so ist der Kamps, wozu der Landsturm berufen wird, ein Kampf der Nothwchr, der alle Mittel heiligt". Es war die letzte Kraft des Volkes, die hier angerusen ward, und auch ihr fiel ein rühmlicher Anthcil an dem großen Krieg zu, wenn auch die eigentliche militärische Organisation beim Landsturm selbstverständlich viel zu wünschen übrig ließ. Das Gcsammlcrgebniß dieser neuen Formationen, zu deren Durchführung FMsch^m, das ganze Land in vier Militärgouvcrncinents gctheilt wurde, wird auf über 250,000 Mann berechnet, darunter die Hälfte Landlvehr, eine stauncnswerthc Leistung für die preußische Monarchie des Tilsiter Frkedens. Zu den regu lären Truppen (gesellten sich alsdann noch die Freischaaren, meistens aus dem außerpreußischen Deutschland gebildet. Unter ihnen hat keine größeren Ruhm erlangt, als Lützow's „wilde verwegene Jagd". Die von den Majors e>aw. «do,f von Lützow und von Petersdorff errichtete „Schaar der Rache", in der schwarzen Uniform, zählte die edelsten Jünglinge in ihren Reihen und hat sich^ im Gedächtniß der Nachwelt ganz besonders als der Ausdruck jenes ritterlichen waffcnfrohen Geistes der Befreiungskriege erhalten. Zu den Lützowern, deren Wcbrr, Wkllgrschichlk. XIV. 28