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III. Die Jahre der Napolconischeu Weltherrschaft. 399 belaufen sollten, wurden auf 20,000 erhöht; eine angebliche Zurücksetzung des französischen Geschäftsträgers Serrurier durch den König, die Beleidigung eines Kutschers in der Livree der Gesandtschaft, die Zurückweisung franzö sischer Patrouillen vor Harlem, wurden als Veranlassung benutzt, eine hol ländische Stadt nach der andern zu besetzen und de» Kreis um Amstcrdain iniuicr enger zu ziehen. Ludwig zweifelte nicht länger, daß es auf gänzliche Annexion abgesehen sei. Er überlegte mit seinen Räthen, ob man die Nation unter die Waffen rufen, die Dämme durchstechen und sich aufs Acußcrstc ver- thcidigen sollte. Aber zu einein Heldenmuth, wie ihn die Vorfahren dereinst gegen Spanien bewiesen, war jene Zeit nicht mehr angethan. Die Minister sprachen sich gegen jeden Widerstand aus, der nur Unglück und Verderben über das Land bringen würde. Da faßte Ludwig den Entschluß, einem Throne, den er nicht länger mit Ehren bekleiden konnte, zu Gunsten seines ältesten Sohnes unter der vormundschaftlichen Regierung der Königin Hortense zu entsagen. Von Harlem aus richtete er ein rührendes Schreiben an den gesetzgebenden Körper mit der Versicherung, daß er stets nur das Wohl des Landes vor Augen gehabt und durch seine Abdankung die Versöhnung zwischen Holland und Frankreich erleich tern wolle, nahm in einem Manifeste Abschied von dem guten und braven hol ländischen Volke, das er nie vergesse», dessen Wohl sein letzter Gedanke, sein letzter Wunsch sein werde, und reiste dann heimlich unter dem Namen eines ,8iv. Grafe» von St. Leu, den er fortan beibchielt, durch Deutschland nach Böhmen. Erst nach vielen Tagen erfuhr mau in Paris, daß er in Tcplitz angekommen sei. In Holland hat König Louis das Andenken eines rechtschaffenen Mannes und eines wohlwollenden Gemüthes hinterlassen. Dem Kaiser war dieser Ausgang unangenehm. Hatte doch kurz vorher sein Bruder Lucian die römischen Staaten verlassen, um nicht unter der Herr schaft Napoleon's zu stehen, und bald darauf bat auch Joseph, der Kaiser möge ihn von seinem Throne befreien, da Spanien für ihn nur ein Aufenthalt der Qual sei. Napoleon suchte den Entschluß Ludwig's als die Wirkung eines krankhaften Zustandes hinzustellen. Doch machte er sich die Umstände zu Nutze. Ohne auf die Bedingung der Thronentsagung Rücksicht zu nehmen, erklärte er durch ein Dekret, daß der holländische Staat fortan dem Gebiete von Frankreich» Sun isro, eiuverleibt sei, „um das Land den Engländern zu verschließen und die Conti- nentalsperre strenger durchzuführen". Darauf wurde das Königreich Holland nebst dem seit 1807 damit verbundenen Fürstenthum Ostfriesland und der Herr schaft Jever dem Kaiserreiche beigefügt und in sieben Departement? getheilt, Amsterdam ward zum Range der dritten Stadt erhoben. Der Protest Ludwig's gegen die gewaltsame Annexion des Landes, dessen Erbe nach seiner Anordnung sein erstgeborncr Sohn sein sollte, fand bei dem Kaiser so wenig Beachtung, wie der Befehl zur Rückkehr nach Frankreich bei dem Grafen von St. Leu. Er lebte fortan an verschiedenen Orten, bald in Oesterreich, bald in der Schweiz, bald in