Volltext Seite (XML)
III. Dic Jahre der Napoleonischen Weltherrschaft. 305 der Grenze Frankreichs und erreichte, ohne durch irgend eine Empfangsfeierlich keit erniuthigt zu werden, wie ein gewöhnlicher Reisender die Stadt Bayonne. 2»^'" Hier wurde er von Duroc und Bcrthicr flüchtig begrüßt und dann mit seinem Gefolge in einer unscheinbaren Herberge untergebracht. Eine Stunde nachher erschien Napoleon selbst zu Pferde von dem nahen Schloß Marrac, seiner Resi denz, hieß den „Prinzen von Asturien" mit einigen höflichen Worten willkommen und lud ihn und die Begleiter zur Mahlzeit. Wenn Savary in seinen Denk würdigkeiten behauptet, der Kaiser habe erst die Entthronung der Bourbons be schlossen, als er sich in Bayonne von der völligen Unfähigkeit des Jnfanten über zeugt, so entspricht das schwerlich ganz der Wahrheit. Nur insoweit darf man der Behauptung Glauben schenken, daß Napoleon, als er die Persönlichkeiten musterte, mit seinem durchdringenden Scharfblick rasch erkannte, daß von solchen Menschen kein entschlossener Widerstand zu befürchten sei, und daher um so sicherer zur Durchführung seines längst gehegten Entschlusses schritt. An Talley- rand schrieb er: „Der Prinz von Asturien ist sehr dumm, sehr boshaft und ein erbitterter Feind Frankreichs". Nun wurde ein so häßliches Jntriguenspiel, eine so ränkevolle Staatsaction ins Werk gesetzt, wie die Weltgeschichte noch kaum etwas Aehnliches erlebt hat. Man steht zweifelnd da, ob man mehr über die dabei zu Tage tretende Schwachheit und Charakterlosigkeit von Seiten des Prinzen und seiner Umgebung oder mehr über die Brutalität und das Gewebe von Lug und Trug, von Machiavellismus und Heuchelei von Seiten des fran zösischen Imperators oder endlich mehr über die nackte Schamlosigkeit, über den gänzlichen Mangel an Ehre und fürstlicher Tugend von Seiten des alten Kö- nigspaarcs sowie des elenden Günstlings erstaunen und sich innerlich empört fühlen soll. Napoleon versuchte zunächst mit Hülfe des eitel», sich gelehrt und weise dünkenden Canonicus Escoiquiz den Prinzen von Asturien zu bewegen, seinen Ansprüchen auf Spanien zu entsagen und sich mit dem Königreich Etru rien abfinden zu lassen. Wir wissen ja, wie vortrefflich Napoleon die Kunst ver stand, durch einschmeichelndes Wesen, durch den Schein von Vertrauen und Offenherzigkeit kleine Seelen in seine Netze zu ziehen. Escoiquiz, der seinen königlichen Zögling hauptsächlich in die Schlinge gebracht, gab sich nun gänzlich in die Gedankenkreise Napolcon's gefangen: er ließ sich bedeuten, daß das Re giment der Bourbons in Spanien unmöglich geworden, daß dem Königreich eine Wiedergeburt, eine freisinnige Verfassung Noth thue. Der eitle Priester ließ sich bezaubern von den schönen Worten des erhabenen Monarchen und wurde der Dolmetscher und Fürsprecher seiner Vorschläge. Als aber Ferdinand den Plan dieser Selbsterniedrigung mit Entrüstung zurückwies, ließ Napoleon durch Savary, das dienstwillige Werkzeug seines Despotismus und seiner korsischen Leidenschaft lichkeit, dem Prinzen ankündigcn, daß er niemals die spanische Krone tragen würde. Der Kaiser hatte bereits andere Persönlichkeiten berufen, welche die „Tra- D> „ira- gödie von Bayonne" zu einem effektvollen Ende führen sollten. Am 26. April ^yönn". Wcbtr, W-Itg-schichte. XIV. 20