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III. Die Jahre der Napoleonischen Weltherrschaft. 239 nungen todt oder verwundet auf dem Schlachtfeld. Auch die französischen Heere hatten schwer gelitten, aber sie hatten mit diesem Schlage auch den Feldzug be endet. Unaufhaltsam eilten die Russen der Memel zu. In der Bcsorgniß, durch den überlegenen Feind völlig abgeschnitten zu werden und dem König seine letzte Armee zu vernichten, wurde auch Königsberg, die einzige noch erhaltene große Stadt der Monarchie, von dem L'Estocq'scheu Corps geräumt und der Rückzug gen Tilsit augetreten. Die Niederlage von Friedland gab den Worten der Friedensfreunde im^-Er. russischen Hauptquartier und im Rathe des Kaisers Alexander, des Großfürsten Konstantin, des kaiserlichen Bruders, des ränkevollen Bennigsen, den stärksten Nachdruck. Das Gefühl, daß man im Grunde für fremde Interessen kämpfe, von den natürlichen Bundesgenossen, England und Oesterreich, im Stich ge lassen worden, war nicht ganz ungerechtfertigt. Gleich nach der Schlacht knüpfte Bennigsen Friedcnsverhandlungen an, die alsbald zu einer Waffenruhe führten. Der Zar vergaß rasch der glühenden und pathetischen Freundschaftsvcrsichc- rungen, die er so oft mit Friedrich Wilhelm III. gewechselt; sein wandelbarer, leicht empfänglicher und erregbarer Sinn vertiefte sich bald in ganz andere politische Jdeenkreise, als die, in denen er sich bisher bewegt. In einer persön lichen Zusammenkunft bei Tilsit, in einem zwischen zwei Schiffen errich-A^""' teten Pavillon auf der Memel (Niemcn), hatten die beiden Kaiser eine lange Unterredung, in der der Abfall Rußlands von dem Kriegsbund entschieden ward. Die Franzosen schmücken diese Zusammenkunft, deren romantisch-phantastische Zuthaten auf den mystischen und schwärmerischen Sinn des russischen Kaisers berechnet waren, mit allen Farben hochtrabender Rhetorik aus. „Der mächtige Autokrat Rußlands", sagt v. Schladen in seinem Tagebuch, „spielt jetzt Napoleon gegenüber eine Rolle, die seiner Würde wenig entspricht; er scheint nur mit einem einzigen Gedanken beschäftigt, ihn durch Schmeicheleien zu gewinnen, und durch die hinterlistigen Täuschungen dieses außerordentlichen Mannes gefesselt, wird er ein stummes Werkzeug seiner Ricscnpläne und Preußens König ein Opfer dieser Stellung und seiner eignen Treue". Dem ehrsüchtigen Geiste Alexanders hielt in wiederholten Besprechungen der kluge Soldatenkaiscr lockende Bilder von einer Theilung der Weltherrschaft zwischen französischem und moskowitischem Einfluß vor ; im Bunde mit Frankreich konnte das Morgenland dem Zaren unterworfen werden. Als nächster Preis wurden die Donaufürstenthümer und Finnland ver sprochen. Diesen Lockungen konnte der hochfliegende Ehrgeiz Alexanders nicht widerstehen; die großmüthigen Regungen und empfindsamen Stimmungen, deren er fähig war, wurden zuletzt bei ihm doch meist von den kalten Berechnungen einer eigennützigen Politik überwunden. Wenn sich Alexander für seinen Bun desgenossen auch jetzt noch verwandte, so war dies doch wenig ernst gemeint, und er beruhigte sich leicht bei der Versicherung, wenn überhaupt ein preußischer Staat noch sortbestche, so sei dies eine Gnade, die Napoleon lediglich aus