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III. Die Jahre der Napoleonischen Weltherrschaft. 227 erdulden; empörende Unthaten werden von dein furchtbaren Straßen- und Häuserkampf berichtet. Als Blücher sich nicht mehr länger halten konnte, raffte er den Rest seiner Truppen zusammen und suchte den Rückzug an die See, nach Ratkau und Travemünde zu gewinnen. Allein auch dies gelang ihm nicht mehr: von allen Seiten bedrängt, ohne Nahrung und Kriegsbedarf, auf ungünstigem Terrain und furchtbar zusammengeschmolzen, muhte auch diese tapfere Schaar, nur noch 8000 Mann stark, die Waffen strecken. Die Kapitulation v on^NM-i. Ratkau gehört nicht in die Reihe der feigen und kopflosen Waffcnstreckungcn, die in jenen Tagen sich dräugren; sie war unter dem Zwang einer eisernen Noth- wendigkeit, nach tapferm Versuch der Gegenwehr und Rettung geschlossen worden. „Ich capitulire", schrieb Blücher unter das Dokument, „weil ich kein Brod und keine Munition habe". Es stand nicht mehr in eines Einzelnen, auch des Mu- thigsten, Macht, das Schicksal des preußischen Staates und Heeres zu wenden. Wohl beklagte man in Deutschland das harte Loos Lübecks, und kleinmü- thige Seelen ergingen sich in Vorwürfen gegen Blücher, der in einem hoffnungs losen Kampfe die alte Hansestadt so schweren Schlägen preisgegeben. Wer aber an der nationalen Ehre und dem alten deutschen Kriegsruhm noch nicht ganz verzweifelte, der richtete sich auf an dem ungebrochenen Soldatenmuth des alten Helden, der einige Monate später gegen den General Victor ausgcwechselt wurde. Am Tage nach Blüchers Waffenstreckung vollzog sich die ehrloseste vonMc>zd-bmz. allen Kapitulationen in jener Zeit der militärischen Schmach. Magdeburg, " das Bollwerk des Reichs, eine starke, mit über 24,000 Mann Besatzung. 600 Geschützen, Munition und Proviant in reichlicher Fülle versehene Festung, über gaben der Gouverneur Graf Kleist, ein dreiundsicbzigjähriger Invalide, und Graf Wartensleben, der älteste von neunzehn Generalen, einem unzulänglichen Corps, das Marschall Ney heranführte. Den Schluß dieser Reihe schmachvoller Kapitulationen bildete dieUebergabe der fränkischen Feste Plassenburg, sowie2s.N°»ir. der hanuöverschen Festungen Hameln und Nienburg. In Hameln streckten 20.2s. N°»l>r 10,000 Mann vor einem französischen Belagcrungscorps von kaum 6000 mit wenigen Geschützen, unter General Savary, die Waffen. Wohl regte sich da und dort unter den jüngeren Offizieren das Gefühl des Muths und der Ehre. In Hameln kam es zu einer förmlichen Meuterei, um den Abschluß der Kapitu lation rückgängig zu machen. Allein in der Gewöhnung an mechanischen Ge horsam und starre Disciplin, konnte die Stimme jüngerer und besserer Soldaten nicht durchdringen gegen die feigen Rathschlüffe alter, stumpfer und vor jeder kühnen Verantwortung zurückschreckender Generale. Ganz Mittel- und Norddeutschland war wehrlos dem zermalmenden Tritt N->p°uon der französischen Occnpation preisgegeben und damit dem erbarmungslosen ' System der Erpressungen, der Mißhandlungen, der Willkür, wie es jener In vasion allenthalben eigen war. Auch die Städte, wo der Kaiser sein Lager aufschlug, namentlich Leipzig und Halle, wurden schwer heimgesucht. Von 15*