Volltext Seite (XML)
144 X. Europa unter Bonapartischein Einfluß. sein offenes Trachten nach monarchischer Gewalt ihm heftige Widersacher erweckte sowohl in den Reihen der alten Republikaner als bei den Anhängern der Bour bons. Der 18. Brumaire hatte die ausgewanderten Glieder der alten Dynastie und ihre dienstfertigen Anhänger init den Hoffnungen einer Restauration erfüllt, wie sie einst in England durch Monk bewirkt worden. Schrieb doch Lud wig XVIII. eigenhändige Briefe in diesem Sinne an den Ersten Konsul: 2« s-br. „Geben Sie Frankreich seinen König wieder und die kommenden Geschlechter werden Ihr Andenken segnen". Wie wenig entsprach jedoch ein solcher Gedanke dem Sinne Napoleon's! Er antwortete dem Prätendenten nach längerem Zögern: ?. Srpi. „Sie dürfen Ihre Rückkehr nach Frankreich nicht wünschen, denn Sie müßten über fünfmalhunderttausend Leichen schreiten". Die glänzende Feier zur Erinnerung an die Erstürmung der Bastille durch ein militärisches Fcstschauspiel auf dem Mars felde und im Jnvalidendom sollte der Nation kundgeben, daß die Errungenschaften der Revolution nicht angetastet werden würden. Damit stimmten auch die Libe ralen überein, welche die Ideen der alten Aufklärungszeit durch die revolutionäre Sündfluth in die Gegenwart gerettet hatten. Napolon mußte sich daher bei seinem monarchischen Streben auf unversöhnlichen Widerspruch in beiden Heerlagern, bei den demokratischen Republikanern, wie bei den Royalisten, gefaßt machen, nach beiden Seiten auf seiner Hut sein. Allein so tief ein geheimes Grauen vor der alten Königsfamilie sein ganzes Leben hindurch in seiner Seele wurzelte, so traf doch sein Argwohn in erster Linie die Jacobiner und Terroristen der Con ventszeit, alle die theoretischen Republikaner und Doctrinärs, die er in seiner Jugend aus eigener Erfahrung kennen gelernt hatte und die er als „Ideologen" oder „Metaphysiker" bezeichnte. Mochten immerhin Fouche und seine jacobini- schen Freunde vom Wohlfahrtsausschuß und Convent, die wie Barere dem Po lizeiminister dienstbeflissen zur Seite standen, die Royalisten der Vendee und die Chouans der Bretagne für gefährlichere Conspiratoren halten als die Reste der Anarchisten von ehedem, der Erste Konsul sah dennoch in den Demokraten die Hauptgegner seiner diktatorischen Bestrebungen. Es war nicht zu leugnen, daß je mehr in den Bonapartischen Kreisen von dem neuen Cäsar die Rede war, die Republikaner um so häufiger an Brutus erinnerten; ihre Complottc kamen aber nicht über conspiratorische Anschläge und extravagante Reden hinaus. Wie weit der angebliche Mordplan, den schon im ersten Jahr des Consnlats der Korse o-,. lsvv. Arena, der römische Bildhauer Ceracchi und einige andere Berschworne gegen das Leben Bonaparte's gebildet haben sollten, auf einem wirklichen Complot beruhte oder das Mordinstrument des feurigen Republikaners Chevalier gefahr bringend gewesen, ist nie mit Sicherheit ermittelt worden; vielfach wurden diese Mordpläne als die Erfindung einer wohldienerischen Polizei angesehen, wenn gleich die Angeklagten mehrere Monate ini Gefängniß gehalten und dann, als mittlerweile ein neues gefährlicheres Attentat zur Ausführung kam, neun dersel- 3l.Jan.isvi. ben, darunter Arena, Ceracchi, Topino-Lebrun und Chevalier hingerichtet wurden.