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118 Europa unter Bonapartischcni Einfluß. zu den Garden, ui» sich huldigen zu lassen. Im Schloßhof erhielt er die furcht bare Botschaft von dem Tode seines Vaters. Wie von einem Blitzstrahl getroffen stand er vor den Gardcregimentern, die ihn als den neuen Herrscher begrüßten. Am nächsten Morgen wohnte Alexander bleich und in verwahrlostem Anzug dem Trauergottesdienst in der Schloßkapelle an und empfing von den Würde- trägcrn und Beamten hohen und nieder» Ranges, wie sie eintraten, den Eid der Treue. Die Kaiserin Maria Feodorowna gerieth über diesen unerwarteten Aus gang in große Verwirrung. Sie hatte sich schon im Geiste als Selbstherrscher!» geschaut, und nun sollte sie als Kaiserin Mutter ihre Tage verleben. Sie über häufte Pahlen und Bennigsen mit den heftigsten Vorwürfen und begehrte au die Lagerstätte des entseelten Gemahls geführt zu werden. Nach einigem Bedenken willfahrte man ihrem Wunsche. Ueberwältigt von Schmerz, ob aufrichtig oder erkünstelt, verließ sie dann die Unglücksstätte und begab sich in den Winter palast, um dem neuen Kaiser Alexander ihre Huldigungen darzubringen, sicht lich verstimmt über den Ausdruck der Volksfreude, der ihr auf dem Wege ent gegentrat. Di- Mörder So endigte die Petersburger Palastrevolution vom 24. März. Die Mörder neue Zar. trugen Lohn und Ehre davon und in den höheren Kreisen der Hauptstadt feierte man den Todestag als einen „Tag des Ruhmes und der Zufriedenheit". Die Krone, viel zu scheu um zu strafen, wagte nicht einmal zu zürnen oder undank bar zu erscheinen. Pahlen, Platon Subow und Bennigsen blieben in der Um gebung des Hofes und im Besitze der Rcgierungsgewalt. Aber den weichen empfindsamen Kaiser Alexander verfolgte der Schatten des ermordeten Vaters fein ganzes Leben. Die Schreckcnsnacht im Michailow'schen Schlosse hintcrließ tiefe Spuren in der Seele des jungen Selbstherrschers. ^d?k"ussische Als einst die erschütternde Kunde durch die Welt drang, König Heinrich IV. Politik, von Frankreich sei von Mörderhand gefallen, rief der Cardinal von Toledo aus: „Wenn Gott für uns ist, wer kann wider uns sein?" Einen ähnlichen Ruf hätte der Ministerpräsident in London ausstoßen können; denn für keinen Staat war die Katastrophe in Petersburg zeitgemäßer und vortheilhafter als für England. Dies war so einleuchtend, daß die Nachrede aufkommen konnte, englische Jntri- gue» und englisches Gold hätten dabei mitgewirkt ; eine Schwester der Subow's habe mit Lord Withworth, dem englischen Botschafter in Petersburg, in nahen Beziehungen gestanden. Gewiß ist, daß England durch den Tod des Kaisers Paul von einem gefährlichen Widersacher befreit ward. Die russische Politik war in eine Sackgasse gerathen. Ohne daß das russisch-britische Bündniß gekündigt worden wäre, befand sich der Zar thatsächlich mit dem Jnselrcich im Kriegs zustand : er hatte auf englische Schiffe in russischen Hafen Beschlag legen und Truppen an die Grenze von Indien rücken lassen. Dem Ersten Konsul bewies er eine enthusiastische Freundschaft; dennoch war mit der französischen Republik »och kein Friedensvertrag vereinbart worden, und der Eifer, womit Paul ans