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II. DasConsulat. 89 Rechtspflege erblickt. Nun sollten alle Tribunale und Apellhöfe, die über den Fricdensgerichtcn standen, durch den Ersten Consul besetzt werden. Die für den Mangel der Unabhängigkeit gewährte Unabscßbarkcit der Richter war ein Schein wie alles Uebrige. Hatte die Regierung schon durch das Anstellungsrecht der Präsidenten und Richter das Mittel, unsichere Elemente, selbständige Charaktere fern zu halten, so besaß sie in den Beförderungen und Auszeichnungen der Be günstigten einen wirksamen Hebel, die Ehrgeizigen willfährig und diensteifrig zu machen. Dazu kam noch, daß dem Cassationstribunal das Recht zustand, alle Justizbcamten wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt in Anklagestand zu versetzen. Als ein Zugeständniß an die Ideen der Revolution blieb das Schwurgericht be stehen, „aber der starke Einfluß der Präfecten auf die Bildung der Geschwornen- listen, die übermächtige Stellung der Gerichtspräsidenten und vor Allem das Anklagcmonopol der Staatsanwaltschaft erfüllten auch das Strafverfahren mit bureaukratischem Geiste". Auch das Institut der Friedensrichter wurde durch Verminderung der Zahl und der richterlichen Befugnisse dem ursprünglichen Zweck und der volksthümlichen Lebenskraft entfremdet. Die Urtheile über den Staatsmcchanismus vom Jahr VIII waren zu allen Zeiten sehr verschieden : Republikanisch gesinnte Schriftsteller, in deren Augen die politische Selbstthätigkeit der Nation über Alles geht, verdammten ein Ce»- Organismus, tralisationswerk, das eine Nation von dreißig Millionen wie ein Regiment Sol daten nach dem Commandowort des Befehlshabers in Bewegung hielt. Thiers dagegen erkennt darin eine Schöpfung, der Frankreich seine nationale Einheit und seine bewunderungswürdige Staats- und Gerichtsordnung verdanke: „Das war Frankreichs Provinzial- und Gemeinde-Regierung", sagt er, „ein einziger Oberbcamker, Präfect, Uuterpräfect oder Maire, welcher alle Geschäfte erledigte; eine berathcnde Versammlung, Departements-, Bezirks- oder Genieinderath, welcher die Ausgaben bewilligte; dann eine kleine richterliche Behörde, die nur dem Präfecten zur Seite stand und die Vcrwaltungsjustiz zu üben hatte, eine Regierung also, die in Bezug auf Staalsgeschäfte unbedingt der allgemeinen Regierung unterworfen war, von ihr überwacht oder geleitet wurde, in Bezug auf die Departements- und Gemcindcgeschäfte aber nach ihrem eigenen Urtheil verfahren konnte. Seitdem diese einfache und schöne Einrichtung besteht, haben Ordnung und Gerechtigkeit nicht aufgehört zu herrschen". Jedenfalls war die Nation voll dankbarer Anerkennung für den energischen und klaren Geist, der sie mit starkem Arm aus den sturinbewegtcn Fluthen der Revolution in den Hafen eines ruhigen und gesicherten Staatslcbens einführtc, der das öffentliche Leben mit einem weiten Netz umspanntc, in dessen Mitte der Staatsrath saß, „wie eine große Spinne, die tüchtigsten Kräfte des Beamtenthums an sich ziehend und mit immer neuen Fäden das Gewebe der monarchischen Macht ergänzend"; der ein Gesetzbuch ins Dasein rief, in welchem Einheit und Gleichheit des Rechts für alle Klassen und Provinzen in einfacher und klarer Weise durchgeführt sind; der