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942 O. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. wärtigen Politik wird das Verhalten Karl Philipps zur Nachahmung empfohlen: Nvth- dürftige Erfüllung der Rcichspflichtcn, enges Anschließcn an Baicrn und gutes Einver nehmen mit Frankreich, in Kriegsfällen so viel als möglich Neutralität. Diesen Grundzügen entsprach die ganze Regierung Karl Theodors: Die französische Politik blieb vorherrschend und der Kurfürst ließ sich seinen Beistand im österreichischen Erb folgekrieg und im siebenjährigen Krieg mit Subsidiengeldcrn lohnen; und wie sehr das Hof- und Gescllschastswesen der französischen Hauptstadt, die monarchische Pracht und Herrlichkeit von Versailles, die Ucppigkeit und das Lust- und Freudelebcn der höheren Kreise des Nachbarreiches in den rheinischen Landen zum Vorbild diente, davon geben noch jetzt die Prachtgebäudc und Gartcnanlagen in Schwetzingen mit den Wasserkünsten, den Alleen, den mythologischen Bildwerken, den Marmorköpfen weiblicher Schönheiten, das Theater in Mannheim und so manche Anstalt für Kunst und Genüsse Zeug- niß. Wie sollte auch in einem Zeitalter, da die französische Nation in allen Dingen von dem ganzen gebildeten Europa nachgeahmt wurde, unter einen» so genußsüchtigen Fürsten wie Karl Theodor die Pfalz sich von französischen Einflüssen frei halten! So darf inan sich nicht wundern wenn in dein Kursürstcnthuin alle Schäden und Gebrechen der Gesellschaft und des Staatslcbcns zur Erscheinung kamen, wie sie in dem lintürhcinische» Reiche der Revolution vorangingcn: eine glänzende Hofhaltung mit einer zahlreichen Hosdie- ncrschaft verschiedenen Ranges, kostspielige Hof-nnd Adclsjagdcn, Vorrechte und Steuerbe freiung der höheren Stände, Verkauf von Aemtern und Anwartschaften, vonPfarr- und Schulstcllen mit allen daran geknüpften Corruptionen, Mißbräuchen und Bedrückungen; Vererbung einträglicher Hof- und Regierungsstellen oder Professuren in gewissen Familien. „So wie cs in Frankreich Stabsoffiziere in den Windeln oder Acbte und Domherrn in der Wiege gab, so bildeten auch in der Pfalz manche Dicasterien eine patriarchalische Folge von Söhnen und Schwiegersöhnen; das Hosgcricht z. B. zählte lange Zeit so viele Minderjährige, daß »nan es spottend das „jüngste Gericht" nannte und es war keine Fabel, daß mancher zum Professor an der Heidelberger Universität dcsignirt war, bevor er seine Schulstudien absolvirt hatte." Besonders dienten solche Bevorzugungen zu reli giösen Zwecken : Nie war das System der Bekehrungen so sehr in Blüthc als unter der Regie rung KarlTheodorsundseinesMinisters, dcsMarquis d'Jtter. Nur ging man behutsamer und vorsichtiger zu Werke als unter den vorhergehenden Regierungen: Gewaltsame Rcac- tionen und Gewissenszwang widerstrebten dem Zeitgeiste; um so eifriger betrat man die Wege der Verführung: die Richter- und Verwaltungsstellen, selbst die Gemeindeämter wur den nur an Katholiken vergeben; eine Bekehrungskasse gewährte, wie in den Zeiten Lud wigs XIV. dieMittel zurErkaufung Armer und Leichtsinniger; Auszeichnungen, Versor gungen mit Hof- und Regierungsstellen, mit militärischen Aemtern waren für Ehr geizige lockende Preise zum Ilebcrtritt. Der Jesuitenorden in Heidelberg, der in de» sechziger Jahren auf mehr als vierzig Glieder stieg, hatte ein fruchtbares Arbeitsfeld; „Hundertfach verschlungen waren die Fäden, aus denen sic das Netz ihrer Scclenfischerr' flochten." Die häufigen Auswanderungen aus dein schönen Lande, über die scho" Schlözcr seine Verwunderung aussprach, hatten ihre Hauptquelle in den religiöse Bedrängnissen. Und trotz aller dieser grellen Schlagschatten sprach die folgende Gene ration : „Unter Karl Theodor war die Pfalz in Flor!" Noch jetzt prangt sein stattlich^ Standbild auf der von ihm erbauten Reckarbrückc und die Heidelberger Bürgerschast errichtete ihn» zu Ehren das Karlsthar in Form eines Triumphbogens: im Schloßt^ zu Heidelberg wird noch jetzt den Fremden das große Faß als Wahrzeichen des da maligen Reichthums gezeigt. DicseVerherrlichung hatte ihren Grund nicht nur in der histos rischen Sentimentalität, in dem particularistischen Vaterlandsgefühle, womit jedes Bo nus seine Geschichte, auf seine untergegangcne staatliche Selbständigkeit zurückbli^