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934 O. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. süchtiger Mann wie Voltaire, der nie einen Witz oder einen pikanten Einfall, wie ver letzend sie auch sein mochten, unterdrücken konnte, war nicht zuni Umgang mit einem Fürsten von ähnlicher Natur geschaffen. Bester eigneten sich dazu minder bedeutende Geister, wie der wegen seiner freimüthigcn Denkungsart aus Frankreich verwiesene witzige Spötter La Mettrie, der materialistische Philosoph d'Argcns, der italienische Schöngeist und Polyhistor Algarotti u, a., die sich nach der Thronbesteigung in dem ncuerbautcn Lustschloß bei Potsdam um den „Philosophen von Sanssouci" sammelten. Der fran zösische Mathematiker Maupcrtuis wurde zum Präsidenten der Acadcmie der Wissenschaf ten ernannt, die sich jetzt wieder aus der Erniedrigung erhob. Auch die Zeitungen, die unter Friedrich Wilhelm sehr beschränkt, zeitweilig ganz unterdrückt gewesen, durften sich jetzt freier entwickeln; auf Friedrichs eigene Veranlassung erschienen gleich nach seiner Thronbesteigung zwei neue Blätter in Berlin, darunter die altbcrühmte „Spener'sche Zeitung" als „Berlinische Nachrichten von Staats-und gelehrten Sachen," wofür der König wohl selbst hie und da Beiträge lieferte. Friedrichs fruchtbare literarische Wirksamkeit werden wir an einem anderen Orte im Zusammenhang überblicken. ^rcUgi^se Auf das schöne geistige Stillleben in dein weltabgclcgencn Städtchen sah Friedrich Ansichten, noch in späten Jahren mit freundlicher Erinnerung zurück. Es übcrkam ihn damals in Rheinsbcrg wohl der Wunsch, fern von den Geschäften des Staats für immer dein Dienste der Musen sich widmen zu können. Sein ganzes Leben hindurch, im Getümmel des Feldlagers, unter den Sorgen der Regierung hat er Trost und Erholung in den Büchern gesucht. Es war nicht etwa bloß die leichte Unterhaltung eines dilettantischen Geistes, sondern ernstes wissenschaftliches Streben, der Drang nach Erkenntniß und Be lehrung, was diesen Studien zu Grunde lag. Mit ganz besonderer Hingebung erfaßte - er die Richtung der Zeit auf das Religiös-Philosophische ; er beschäftigte sich eingehend mit den höchsten Problemen des menschlichen Denkens, er ergründete die Lcibnitz-Wolff'- sche Philosophie in allen ihren Tiefen und suchte seinen großen französischen Freund für diese Wcltweisheit zu gewinnen. Freilich wurde dabei sein positives Lhristcnthuin mehr und mehr von den materialistischen und naturalistischen Ideen der Zeit verdrängt; er begann in fortschreitender Skepsis an der Unsterblichkeit der Seele und andern Grund wahrheiten der christlichen Offenbarung zu zweifeln; aber seine negative Richtung ent sprang nicht ffacher Frivolität, sondern dem ernstesten Drang nach Erkenntniß und Forschung, dem Streben, sich über die höchsten Fragen des Seelenlebens klar zu werden. Die Bethätigung seiner freisinnigen religiösen Ansichten war denn auch das erste An liegen Friedrichs, als er zur Regierung gelangt war. Der Philosoph Wvlff, gegen den übrigens auch Friedrich Wilhelm in den letzten Jahren sein Unrecht wieder gut zu machen gesucht hatte, wurde von Marburg noch Halle zurückgcrufen; „ein Mensch, der die Wahrheit sucht und liebet, muß unter aller menschlichen Gesellschaft werth gehalten werden", bemerkte der König dazu. Ein andermal gab er auf eine Anfrage wegen Beibehaltung der römisch-katholischen Schulen für die Soldatcnkindcr den berühmten Bescheid: „die Religionen müssen alle toleriret werden; hier muß ein Jeder nach seiner Faeon selig werden." Das war freilich der traditionelle Geist der preußischen Politik, doch aber war unter keinem anderen Regenten der Grundsatz, daß die staatsbürgerlichen Rechte von einem bestimmten Bekenntniß nicht abhängig sein dürften, daß keine Religion auf alleinigen Staatsschatz Anspruch machen könne, so bewußt und consegucnt durchge führt worden, wie es unter diesem freien und starken Geiste geschah. Thw»b!'- In den letzten Jahren hatte sich das Verhältnis; zwischen Vater und Sohn freundlich, sogar zärtlich gestaltet, und als der alte König am 31. Mai 1740 starb, pries er Gott, daß er ihm einen so braven und würdigen Sohn geschenkt, und